Kölner Forscher entdecken neuen Antikörper gegen HIV – Er blockiert fast alle bekannten Virusvarianten
Ein neuer Antikörper schaltet nahezu alle HIV-Varianten aus – im Tierversuch war das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar.

Hoffnung für Millionen: Der neue Antikörper erkennt auch HIV-Stämme, die gegen herkömmliche Therapien resistent sind. © Pexels
Mehr als 39 Millionen Menschen leben weltweit mit HIV – und trotz jahrzehntelanger Forschung gibt es noch immer kein Heilmittel. Nun sorgt ein Durchbruch aus Köln für Aufsehen: Ein neuer Antikörper gegen HIV könnte die Behandlung grundlegend verändern. Er neutralisiert fast alle bekannten Virusvarianten – selbst jene, die bisher als resistent galten.
Forscher der Universität zu Köln identifizierten den Antikörper mit dem Kürzel 04_A06 in Blutproben sogenannter „Elite-Neutralisierer“. Diese seltenen Menschen können das Virus auf natürliche Weise besonders gut bekämpfen. Aus Tausenden Immunzellen isolierten die Forscher mehr als 800 Antikörper – doch nur einer zeigte eine außergewöhnlich breite und starke Wirkung: 04_A06.
Neuer Antikörper neutralisiert fast alle getesteten HIV-Stämme
In Labortests blockierte der Antikörper 98,5 Prozent von über 300 getesteten HIV-Stämmen, darunter auch Varianten, die gegen viele bisherige Antikörper unempfindlich sind. Selbst klassische Resistenzmechanismen konnte das Virus nicht mehr nutzen, um sich dem Angriff zu entziehen.
Auch in Tierversuchen waren die Ergebnisse bemerkenswert. Bei Mäusen, die ein dem Menschen ähnliches Immunsystem besitzen, senkte 04_A06 die Viruslast im Blut dauerhaft auf nicht mehr nachweisbare Werte – und das ohne Rückfall. Bei keinem der getesteten Tiere kehrte das Virus zurück. Kombiniert mit anderen Antikörpern hielt die Schutzwirkung sogar über Monate an.
Warum 04_A06 selbst mutierte HIV-Formen stoppt
Warum dieser Antikörper anders ist als bisherige Wirkstoffe, zeigt seine Struktur. 04_A06 besitzt eine besonders lange Aminosäure-Schleife, die wie ein zusätzlicher Greifarm funktioniert. Damit kann er Virusstellen erreichen, die für andere Antikörper unzugänglich sind. Diese Bereiche sind stark konserviert, das Virus kann sie kaum verändern, ohne seine eigene Funktion zu gefährden. So bleibt 04_A06 auch gegen mutierte Virusformen wirksam.
Das macht ihn zu einem möglichen Schlüssel für künftige Therapien – und vielleicht sogar für den vorbeugenden Schutz. Denn klassische Impfstoffe gegen HIV sind bis heute gescheitert. Computermodelle zeigen jedoch, dass eine einzige Dosis des neuen Antikörpers bis zu 93 Prozent Schutz bieten könnte – über Wochen oder sogar Monate hinweg.
Weniger Medikamente, längere Wirkung
Für Menschen, die bereits mit dem Virus leben, hätte der Antikörper noch einen weiteren Vorteil: Er könnte helfen, die tägliche Medikamenteneinnahme zu verringern. Eine einzelne Gabe reicht möglicherweise aus, um das Virus über längere Zeit zu kontrollieren – mit weniger Wirkstoffen, weniger Nebenwirkungen und ohne den ständigen Druck einer täglichen Therapie.
„Mit 04_A06 haben wir einen Antikörper entdeckt, der nicht nur außergewöhnlich breit wirkt, sondern auch klassische Resistenzmechanismen des Virus überwindet“, sagt Dr. Lutz Gieselmann, Assistenzarzt am Institut für Virologie der Universität zu Köln und Erstautor der Studie. „Damit könnte sich ein vielversprechender Ansatz für die klinische Anwendung von Antikörpern gegen HIV eröffnen.“
Kölner Erfolg weckt neue Hoffnung auf HIV-Therapie
Die Studie wurde im Fachjournal Nature Immunology veröffentlicht. Sie entstand in Zusammenarbeit mit Partnern aus Afrika, Nepal und den USA und wurde unter anderem von der Bill & Melinda Gates Foundation, der DFG, dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und dem European Research Council gefördert.
Professor Florian Klein, Direktor des Instituts für Virologie und Leiter der Studie, blickt optimistisch in die Zukunft: „Der nächste Schritt ist, die Sicherheit und Wirksamkeit des Antikörpers in klinischen Studien zu prüfen – damit wir eines Tages vielleicht einen echten Wendepunkt in der HIV-Therapie erreichen.“
Kurz zusammengefasst:
- Der neue Antikörper 04_A06 neutralisiert in Labortests 98,5 Prozent aller getesteten HIV-Stämme, auch resistente Varianten.
- Seine besondere Struktur ermöglicht es, konservierte Virusregionen zu erreichen, die HIV kaum verändern kann – dadurch bleibt er auch bei Mutationen wirksam.
- Erste Modelle zeigen, dass eine einzige Gabe möglicherweise wochenlangen Schutz bieten könnte – ein wichtiger Schritt für Therapie und Prävention von HIV.
Übrigens: Medikamente gegen HIV könnten künftig auch das gefährliche HTLV-1-Virus stoppen, das schwere Krankheiten verursacht. Mehr dazu in unserem Artikel.
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