Schleichender Start im Kindesalter – Gendefekt führt später zu Parkinson

Ein Defekt im Gen EPG5 kann schon im Kindesalter eine Hirnerkrankung auslösen und später zu Parkinson führen. Forscher aus Köln und London decken nun den Zusammenhang auf.

Gen-Fehler in der Kindheit löst Parkinson aus

Das Gen EPG5 steuert die Autophagie – einen zellulären Reinigungsprozess. Ist dieser gestört, häufen sich Abfallstoffe im Gehirn und begünstigen neurodegenerative Erkrankungen. © DALL-E

Ein unscheinbarer Gendefekt kann eine gefährliche Kettenreaktion im Körper auslösen – und Jahrzehnte später zu Krankheiten wie Parkinson oder Demenz führen. Ein deutsch-britisches Forschungsteam hat nun einen zentralen Mechanismus entschlüsselt: Wenn die zelleigene Müllabfuhr nicht richtig funktioniert, geraten wichtige Prozesse früh aus dem Gleichgewicht.

Beteiligt an der Studie waren Wissenschaftler vom King’s College London, vom University College London, von der Universität zu Köln und vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. Sie untersuchten mehr als 200 Menschen mit Mutationen im Gen EPG5 – und entdeckten dabei eine überraschende Verbindung zwischen frühkindlichen Entwicklungsproblemen und neurodegenerativen Erkrankungen im Erwachsenenalter.

Defektes Gen EPG5 blockiert Zellreinigung – Nervenzellen leiden

Das Gen EPG5 steuert einen wichtigen Mechanismus im Körper: die sogenannte Autophagie. Dabei handelt es sich um eine Art Selbstreinigung der Zellen. Defekte Bestandteile, etwa beschädigte Eiweiße oder fehlerhafte Mitochondrien, werden dabei abgebaut. Funktioniert das nicht richtig, sammeln sich diese Reste in den Nervenzellen an – und können das Gehirn nach und nach schädigen.

Schon lange ist bekannt, dass bei Parkinson bestimmte Zellbestandteile nicht ausreichend abgebaut werden. Die neue Studie zeigt, dass bei Jugendlichen mit einem EPG5-Gendefekt genau das auftritt. Manche Jugendliche, die im Kindesalter nur leicht verzögert wirkten, entwickelten in der Pubertät plötzlich auffällige Bewegungsstörungen – etwa Muskelzittern, Spastik oder steife Gesichtszüge. Einige konnten innerhalb kurzer Zeit nicht mehr laufen.

Parkinson-ähnliche Symptome schon bei Jugendlichen

Insgesamt untersuchte das Team 16 betroffene Jugendliche mit diesen frühen Symptomen. „Ein EPG5-Mangel beim Vici-Syndrom kann eine früh einsetzende Parkinson-ähnliche Erkrankung auslösen“, sagt Adam Antebi vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. Anders als beim klassischen Parkinson treten die Beschwerden hier deutlich früher auf und verlaufen oft aggressiver.

Untersucht wurden auch Zellproben der Betroffenen sowie genetisch veränderte Mäuse. Bei beiden fanden die Forscher dieselbe Auffälligkeit: Der Reinigungsprozess der Zellen blieb stecken. Defekte Mitochondrien und das typische Parkinson-Protein α-Synuclein stauten sich an. Zwar lief der Reinigungsprozess an, kam aber nicht zum Abschluss.

Gehirnveränderungen im MRT sichtbar

Die Auswirkungen ließen sich auch in der Bildgebung nachweisen. MRT-Aufnahmen der Jugendlichen zeigten Eisenablagerungen in den Basalganglien, Schäden an der Sehnervenbahn und eine Schrumpfung des Kleinhirns – Befunde, die man sonst eher bei älteren Menschen sieht. Hier begannen sie schon im Teenageralter.

„Unsere Ergebnisse verbinden eine Funktionsstörung von EPG5 mit der Parkinson-Krankheit“, erklärt Reza Maroofian vom University College London. Heinz Jungbluth vom King’s College London ergänzt: „Die Erforschung seltener Krankheiten wie des Vici-Syndroms liefert wichtige Hinweise auf häufigere Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz.“

Frühzeichen bei Bewegung, Sprache und Lernen

Viele Betroffene zeigten bereits in den ersten Lebensjahren Auffälligkeiten in der motorischen Entwicklung. Sie lernten später laufen, hatten eine schwache Muskulatur oder entwickelten Sprachstörungen. Manche erlebten epileptische Anfälle. In über 130 der untersuchten Fälle traten neuromuskuläre Auffälligkeiten auf – etwa ein erhöhter Kreatinkinase-Wert im Blut, ein Hinweis auf Muskelschäden.

Typische frühe Symptome bei Betroffenen sind:

  • Verzögerte motorische Entwicklung (z. B. späteres Sitzen, Laufen)
  • Sprachprobleme und Lernverzögerungen
  • Epileptische Anfälle
  • Muskelschwäche (Muskelhypotonie)
  • Parkinson-ähnliche Bewegungsstörungen ab der Pubertät

Gen-Ausstattung beeinflusst Verlauf

Der Schweregrad hängt laut Studie von der Art der Genmutation ab. Menschen mit zwei stark gestörten Kopien des Gens hatten eine deutlich verkürzte Lebenserwartung. Bei weniger gravierenden Mutationen traten die Symptome später auf – verliefen aber dennoch fortschreitend.

Diese Erkenntnisse können helfen, neue Therapien zu entwickeln oder Betroffene früher zu diagnostizieren. Je eher erkannt wird, welche Rolle ein Gen wie EPG5 spielt, desto besser lassen sich gezielte Maßnahmen planen.

Tiermodelle zeigen Folgen des Genfehlers

Auch im Labor bestätigten sich die Beobachtungen. Ein speziell gezüchtetes Mausmodell mit EPG5-Mutation zeigte ab einem Alter von zwölf Monaten erste motorische Einschränkungen. Die Tiere bewegten sich weniger, machten kleinere Schritte und wirkten instabil.

Fadenwürmer mit demselben Gendefekt waren ebenfalls langsamer und zeigten Veränderungen im Energiehaushalt der Zellen. Diese Modelle ermöglichen es, den Krankheitsverlauf auf zellulärer Ebene besser zu verstehen und mögliche Behandlungsansätze zu testen.

Kurz zusammengefasst:

  • Ein Defekt im Gen EPG5 beeinträchtigt die natürliche Zellreinigung und lässt beschädigte Bestandteile im Gehirn zurück.
  • Dieses Gen steht in direktem Zusammenhang mit Parkinson und kann erklären, warum manche Betroffene schon früh Symptome entwickeln.
  • Dieselben genetischen Fehler können sowohl Entwicklungsstörungen bei Kindern als auch spätere neurodegenerative Erkrankungen auslösen.

Übrigens: Im Gehirn zeigt Ultraschall eine erstaunliche Wirkung – Forscher stimulieren damit gezielt Netzwerke, die bei Parkinson oder Depression gestört sind. Schall statt Skalpell könnte Millionen Patienten helfen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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