Gefährliche Kombi – Koffein bremst die Wirkung von Antibiotika aus
Koffein ist alltäglich – doch in Kombination mit Antibiotika können sich laut einer neuen Studie im Körper überraschende Wechselwirkungen abspielen.

Ein Kaffee am Morgen ist für viele selbstverständlich – doch genau dieser tägliche Koffeinkick kann im Körper die Wirkung von Antibiotika beeinflussen. © Unsplash
Für viele beginnt der Tag mit einer Tasse Kaffee – ohne viel nachzudenken, ganz automatisch. Doch dieser scheinbar harmlose Griff zu dem beliebten Wachmacher kann Folgen haben, die bislang kaum jemand auf dem Schirm hatte. Forscher der Universitäten Würzburg und Tübingen fanden in ihrer Studie heraus, dass Koffein die Wirkung bestimmter Antibiotika beeinträchtigen kann, indem es in die feinen Steuerungsprozesse von Bakterien eingreift. Ein überraschender Zusammenhang, der im schlimmsten Fall über den Erfolg einer Behandlung entscheidet.
Koffein verändert Transportproteine und schwächt die Wirkung von Antibiotika
Das Forschungsteam um Ana Rita Brochado nahm 94 verschiedene Substanzen unter die Lupe – von gängigen Medikamenten über Antibiotika bis hin zu alltäglichen Inhaltsstoffen aus Lebensmitteln. Ihr besonderes Interesse galt winzigen Eiweißmolekülen, den sogenannten Transportproteinen. Sie sitzen in der Hülle von Bakterien und regeln, was in die Zelle hineindarf – und was wieder hinaus muss.
Gerade Koffein zeigte dabei auffällige Effekte. Es setzt im Bakterium eine Art Kettenreaktion in Gang: Ein bestimmter Gen-Regler namens „Rob“ wird aktiviert, woraufhin sich gleich mehrere dieser Transportproteine verändern. Das hat Folgen: Antibiotika wie Ciprofloxacin kommen nicht mehr so gut in die Bakterienzelle hinein.
Besonders betroffen war ein Protein namens OmpF. Es bildet winzige Poren in der Zellwand – eine Art Einlass für Wirkstoffe. Wird weniger davon gebildet, gelangt auch weniger Antibiotikum ins Zellinnere. Im Labor zeigte sich: War Koffein im Spiel, musste beim Wirkstoff Amoxicillin rund 40 Prozent mehr gegeben werden, um denselben Effekt zu erzielen.
Wechselwirkungen durch Alltagssubstanzen
Solche Wechselwirkungen bezeichnen Fachleute als „antagonistische Interaktionen“. Dabei hemmt eine Substanz die Wirkung einer anderen. Koffein ist hier nicht allein. „Unsere Daten zeigen, dass mehrere Substanzen die Genregulation in Bakterien subtil, aber systematisch beeinflussen können“, sagte Christoph Binsfeld, der an der Studie mitarbeitete.
Auch andere Bestandteile aus der Ernährung oder rezeptfreie Mittel können solche Effekte auslösen. Der menschliche Körper nimmt diese Stoffe oft nebenbei auf – sei es durch Kaffee, Tee, Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente gegen Alltagsbeschwerden.
Warum das für Patienten wichtig ist
Bei schweren Infektionen zählt jede Stunde. Wenn Antibiotika ihre Wirkung verlieren, weil ein Alltagsstoff stört, kann das schwerwiegende Folgen haben. Die Behandlung dauert länger, im schlimmsten Fall entstehen Resistenzen. Einflussreich sind vor allem Stoffe, die Bakterien dazu anregen, Schutzmechanismen hochzufahren. Dazu gehören bestimmte Genregulatoren und sogenannte Effluxpumpen, die gefährliche Substanzen wieder aus der Zelle hinausbefördern.
Verwandte Bakterien reagieren unterschiedlich
Nicht alle Bakterien verhalten sich gleich. Auch bei Salmonella enterica, einem nahen Verwandten von E. coli, konnten die Forscher Veränderungen in der Genaktivität messen – doch im Unterschied zu E. coli blieb die Aufnahme des Antibiotikums dort unverändert. Das zeigt: Selbst ähnliche Keime reagieren ganz unterschiedlich auf denselben Stoff.
Für die Medizin hat das weitreichende Folgen. Es reicht nicht aus, die Wirkung eines Medikaments pauschal zu beurteilen – jeder Erreger muss einzeln betrachtet werden. Und auch das Umfeld zählt: Was Menschen sonst noch zu sich nehmen, etwa Koffein oder frei verkäufliche Mittel, kann die Behandlung beeinflussen. Die Forscher plädieren deshalb dafür, solche Alltagsstoffe künftig stärker in Studien einzubeziehen – und Ärzte sollten bei einer Antibiotikatherapie auch nach scheinbar nebensächlichen Gewohnheiten fragen.
Kurz zusammengefasst:
- Koffein kann die Wirkung von Antibiotika wie Amoxicillin und Ciprofloxacin abschwächen, indem es die Aufnahme in Bakterienzellen verringert.
- Alltagsstoffe wie Kaffee, Tee oder Nahrungsergänzungsmittel beeinflussen die Genregulation von Bakterien und fördern so indirekt Antibiotikaresistenzen.
- Ärzte sollten bei jeder Antibiotikabehandlung berücksichtigen, welche Substanzen zusätzlich aufgenommen werden, da selbst vermeintlich harmlose Lebensmittel eine Rolle spielen können.
Übrigens: In importierten Garnelen wurden kürzlich Bakterien nachgewiesen, die wichtige Reserveantibiotika wirkungslos machen können. Mehr dazu in unserem Artikel.
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