Enzymmangel lässt unser Immunsystem schneller altern – und trifft ältere Menschen besonders hart

Ein Grund für die Alterung des Immunsystems könnte laut einer neuen Studie das Verschwinden eines bestimmten Enzyms sein.

Im Alter fällt es dem Körper zunehmend schwerer, Infektionen abzuwehren: Die Produktion von Abwehrzellen nimmt ab, die Immunantwort verlangsamt sich. Ein möglicher Grund: Das Fehlen von ELOVL2. © Vecteezy

Im Alter fällt es dem Körper zunehmend schwerer, Infektionen abzuwehren: Die Produktion von Abwehrzellen nimmt ab, die Immunantwort verlangsamt sich. Ein möglicher Grund: Das Fehlen von ELOVL2. © Vecteezy

Wird ein ganz bestimmtes Enzym im Körper nicht mehr richtig produziert, beschleunigt das die Alterung des Immunsystems: Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der University of California (UC) San Diego. Durch das Fehlen dieses Enzyms verlieren Immunzellen ihre Widerstandskraft. Besonders betroffen: B-Zellen, die für die Antikörperproduktion zuständig sind.

Kurz für „elongation of very long chain fatty acids-like 2“, bezeichnet ELOVL2 ein Enzym, das beim Fettstoffwechsel eine Schlüsselrolle einnimmt. Es ist verantwortlich für die Bildung bestimmter langkettiger Fettsäuren, unter anderem DHA – eine Omega-3-Fettsäure, die in Zellmembranen eingebaut wird. Fehlt das Enzym, verändert sich die Fettzusammensetzung in den Immunzellen. Diese verlieren an Struktur und Funktion.

Enzymmangel bremst die Bildung von Immunzellen stark aus

Die aktuelle Untersuchung wurde von einem Team an der UC San Diego gemeinsam mit der UC Irvine durchgeführt. Die Forscher analysierten das Knochenmark von Mäusen, bei denen zuvor das Gen für ELOVL2 deaktiviert wurde. Bereits im Alter von 18 bis 20 Monaten zeigten sich starke Veränderungen: Die Tiere konnten deutlich weniger B-Zellen bilden als gesunde Mäuse gleichen Alters – also genau die Zellen, die Antikörper produzieren.

„ELOVL2 ist ein Schlüsselenzym für die Synthese der Omega-3-Fettsäure DHA, einem Hauptbestandteil aller Zellmembranen“, erklärt Dorota Skowronska-Krawczyk von der UC Irvine. „Wir glauben, dass DHA die Zellmembranen in den Vorläuferzellen von B-Zellen flexibel und widerstandsfähig hält,“ so Skowronska-Krawczyk weiter.

In den veränderten Mäusen ähnelte das Fettprofil im Knochenmark dem deutlich älterer Kontrolltiere. Gleichzeitig sank die Aktivität wichtiger Gene für die Immunentwicklung.

Auch bei Menschen über 60 fehlen zentrale Stammzellen

Beim Menschen fand das Team ebenfalls deutliche Spuren dieses Alterungsprozesses. Die Wissenschaftler untersuchten dafür menschliches Knochenmark aus verschiedenen Altersgruppen. Das Ergebnis: Bei Menschen über 60 Jahren gab es fast keine Stammzellen mehr, in denen das ELOVL2-Gen noch aktiv war. Auch das Gen CD79B – essenziell für die Entwicklung von B-Zellen – war deutlich schwächer aktiv.

„Die gleiche Zellpopulation, die in unserem Mausmodell verschwunden ist, war auch in der älteren Bevölkerung stark reduziert“, fasst Silvia Vicenzi von der UC San Diego zusammen. Damit zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen dem Enzym ELOVL2 und der Alterung des Immunsystems.

Silvia Vicenzi von der UC San Diego erklärt die Forschungsergebnisse in einem Video. © YouTube

Diesen Mangel auszugleichen bleibt eine Herausforderung

Was kann man nun aber gegen den Verlust dieses Enzyms unternehmen? Leslie Crews von der UC San Diego gibt zu bedenken:

Noch überraschender ist, dass eine normale Ernährung nicht ausreicht, um die genetischen Veränderungen zu kompensieren.

Leslie Crews

Das bedeutet: Selbst wenn ältere Menschen genügend Omega-3-Fettsäuren über die Nahrung aufnehmen, kann ein genetisch bedingter ELOVL2-Mangel die Bildung von Immunzellen weiter stören. Der Körper gerät in einen Zustand eingeschränkter Stoffwechsel-Fitness.

Lipidtherapie als neue Behandlungsoption denkbar

Die Forscher ziehen daraus mögliche Therapieansätze. Denkbar sei eine gezielte Lipid-Supplementierung, die individuell auf die genetischen Voraussetzungen abgestimmt ist. Ob dabei Nahrungsergänzungsmittel ausreichen oder andere Verabreichungsformen nötig sind, müsse noch untersucht werden.

Auch eine Gen-Therapie könnte laut Skowronska-Krawczyk infrage kommen. In einer früheren Studie hatte ihr Team gezeigt, dass eine Aktivierung des ELOVL2-Gens bei Mäusen die DHA-Produktion im Auge steigert und die Sehkraft verbessert. Nun wollen sie prüfen, ob sich ein ähnlicher Effekt auch im Immunsystem erreichen lässt.

Auch ein Zusammenhang mit Blutkrebs wird derzeit untersucht

Neben dem Immunsystem könnte ELOVL2 auch bei Blutkrebserkrankungen eine Rolle spielen. Die durch das Enzym beeinflussten Gene – darunter CD79B, PAX5 und IRF4 – sind häufig bei Lymphomen und multiplem Myelom verändert. Therapeutische Eingriffe in den Fettstoffwechsel könnten deshalb nicht nur das Immunsystem stärken, sondern auch das Tumorwachstum bremsen.

Wir glauben, dass wir durch das Studieren der Biologie des Alterns neue Therapien entwickeln können, um altersbedingte Krankheiten zu verhindern und die gesunde Lebensspanne zu verlängern.

Dorota Skowronska-Krawczyk, UC Irvine

Kurz zusammengefasst:

  • Ein Enzym namens ELOVL2 spielt eine zentrale Rolle im Fettstoffwechsel und beeinflusst die Alterung des Immunsystems.
  • Bei älteren Menschen ist die Aktivität dieses Enzyms stark verringert, was die Bildung von Immunzellen stört.
  • Neue Therapien könnten gezielt auf diesen Mechanismus ansetzen, etwa durch Lipid-Supplementierung oder Genaktivierung.

Übrigens: Auch deutsche Forscher zeigen, wie stark der Lebensstil die Alterung des Immunsystems beschleunigt. Rauchen, Übergewicht und Infektionen verändern die Abwehr radikal – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Vecteezy

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