Vom Arbeitsplatz ins Kinderzimmer – Chemikalien verschlimmern Autismus
Kinder mit Autismus zeigen verstärkte Symptome, wenn ihre Eltern am Arbeitsplatz mit bestimmten Chemikalien in Berührung kommen.

Sind die Eltern während der Schwangerschaft bestimmten Chemikalien am Arbeitsplatz ausgesetzt, könnte dies die Gesundheit ihres Kindes bedrohen. © Unsplash
Ob in der Werkstatt, im Krankenhaus oder in der Fabrik – viele Eltern kommen im Job mit Chemikalien in Kontakt. Laut einer aktuellen Studie können diese Stoffe nicht nur ihnen selbst schaden. Vor allem Väter könnten unbemerkt Substanzen nach Hause bringen, die den Autismus ihrer Kinder verschlimmern.
Für die Untersuchung werteten die Forscher Daten von mehr als 500 Familien aus der CHARGE-Studie aus. Sie verglichen die berufliche Belastung der Eltern in den Monaten vor und während der Schwangerschaft mit der Entwicklung ihrer Kinder, bei denen Autismus bereits diagnostiziert wurde.
Langzeitstudie deckt riskante Chemikalienbelastung von Eltern auf
Die CHARGE-Studie wird seit 2002 an der University of California, Davis von Irva Hertz-Picciotto geleitet. Sie ist eine der größten Untersuchungen zu genetischen und umweltbedingten Einflüssen auf Autismus.
Für die aktuelle Auswertung prüften Fachleute für Arbeitshygiene die beruflichen Tätigkeiten beider Elternteile – vom dritten Monat vor der Schwangerschaft bis zur Geburt. Sie beurteilten, ob und in welchem Ausmaß Kontakt zu 16 Stoffgruppen bestand. Dazu zählten unter anderem Kunststoffe, Auto- und Maschinenflüssigkeiten, Desinfektionsmittel und Medikamente.
Analyse zeigt auffällige Korrelationen
Die Belastungsdaten wurden mit der ADOS-2-Skala (Autism Diagnostic Observation Schedule, 2. Auflage) abgeglichen. Diese misst den Schweregrad von Autismus unabhängig von Alter oder Entwicklungsstand. Zusätzlich bewerteten die Forscher Verhalten, Denkvermögen und Alltagsfähigkeiten.
Besonders deutlich traten drei Stoffgruppen hervor:
- Kunststoffe/Polymere wie Polyethylen, Polypropylen und PVC – verbunden mit schlechteren kognitiven Leistungen, geringerer Alltagskompetenz sowie Verhaltensauffälligkeiten wie Hyperaktivität und sozialem Rückzug
- Ethylenoxid – ein Sterilisationsmittel, das mit höheren Schweregraden der Erkrankung und eingeschränkten Alltagsfertigkeiten korrelierte
- Phenole – assoziiert mit stärkeren Symptomen, Hyperaktivität sowie wiederholten Bewegungen und Lautäußerungen
Mehrere Zusammenhänge waren bei Vätern ausgeprägter als bei Müttern. Vor allem Kunststoff- und Polymerbelastungen im Beruf der Väter standen mit deutlichen Defiziten in der Feinmotorik, visuellen Wahrnehmung, im Sprachverständnis und in der Sprachproduktion der Kinder in Verbindung.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass berufliche Belastungen in entscheidenden Entwicklungsphasen des Fötus nicht nur das Risiko, sondern auch die Ausprägung und Funktionsfähigkeit bei Kindern mit Autismus beeinflussen können“, erklärte Erstautorin Erin McCanlies, früher am National Institute for Occupational Safety and Health tätig.
„Arbeitsschutz bedeutet nicht nur, Beschäftigte zu schützen“
Die Forscher weisen darauf hin, dass ihre Auswertung statistische Zusammenhänge zeigt, aber keine Kausalität beweist. Mögliche Einschränkungen: begrenzte Fallzahlen bei seltenen Belastungen und Expositionsschätzungen auf Basis von Jobangaben statt Messwerten. Dennoch macht die Studie klar, dass Chemikalien am Arbeitsplatz ein ernstes Risiko für die Gesundheit von Kindern darstellen können.
„Arbeitsschutz bedeutet nicht nur, Beschäftigte zu schützen – es geht auch darum, ihre künftigen Kinder zu schützen“, sagte Hertz-Picciotto. „Wir müssen berücksichtigen, wie Chemikalien am Arbeitsplatz die nächste Generation beeinflussen können.“
Kurz zusammengefasst:
- Eine Studie der University of California, Davis zeigt, dass die Belastung der Eltern durch bestimmte Chemikalien am Arbeitsplatz mit der Schwere von Autismus bei deren Kindern zusammenhängt.
- Besonders auffällig waren Kunststoffe, Ethylenoxid und Phenole, die mit schwächeren kognitiven Fähigkeiten, eingeschränkten Alltagskompetenzen und stärkeren Verhaltensauffälligkeiten verbunden waren.
- Die Auswirkungen waren bei väterlicher Exposition oft stärker ausgeprägt als bei mütterlicher.
Übrigens: Forscher aus Brasilien haben im Jahr 2024 weitere Umweltfaktoren ausgemacht, die Autismus bei Kindern begünstigen könnten – darunter auch Luftverschmutzung. Mehr dazu in unserem Artikel.
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