Politik als Beziehungskiller: Wenn Meinungsverschiedenheiten zur Trennung führen

Eine unterschiedliche politische Einstellung erhöht das Trennungsrisiko in der Beziehung, besonders bei zentralen gesellschaftlichen Themen.

Unterschiedliche politische Einstellung gefährden die Beziehung.

Wenn einer Grün wählt und einer AfD, wird aus einem Streit am Küchentisch schnell eine Krise, die die ganze Beziehung infrage stellt. © Pexels

Wenn in einer Partnerschaft über Wahlen oder Klimapolitik gestritten wird, kann das langfristig mehr zerstören als nur den Hausfrieden. Eine neue Studie zeigt, wie tief die politische Einstellung in die Beziehung eingreift und dass Paare mit unterschiedlichen Überzeugungen deutlich häufiger auseinandergehen. Forscher der University of Padua und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) haben dafür über 30 Jahre Beziehungsdaten aus dem Vereinigten Königreich ausgewertet.

Sie wollten wissen: Wie oft trennen sich Paare, wenn sie nicht dieselbe Partei wählen oder völlig unterschiedliche Haltungen zu politischen Großereignissen haben? Ein besonders starker Effekt wurde bei grundlegenden Fragen wie dem EU-Austritt Großbritanniens (Brexit) nachgewiesen.

Beziehung auf dem Prüfstand

Paare, die politisch unterschiedlich ticken, trennen sich deutlich öfter. Während sich bei politisch gleichgesinnten Paaren rund 8 von 1.000 pro Jahr trennen, sind es bei ungleichen Paaren etwa 11 von 1.000 – ein Anstieg von 38 Prozent.

Noch deutlicher wird der Einfluss bei der Frage nach dem Brexit: Wenn sich ein Paar deshalb uneins war, etwa einer für „Leave“, der andere für „Remain“, trennte es sich deutlich häufiger. Die jährliche Trennungsrate lag bei diesen Paaren bei 1,8 Prozent, das ist fast doppelt so hoch wie bei politisch Gleichgesinnten.

Musikvorlieben lassen sich leichter verzeihen als politische Präferenzen

Die Studie schließt eine wissenschaftliche Lücke und zeigt, wie stark politische Differenzen den Alltag belasten können.

Es gibt viele Studien über Trennungsgründe wie Altersunterschiede oder unterschiedliche Persönlichkeiten. Aber politische Meinungen wurden bisher kaum berücksichtigt.

Alessandro Di Nallo vom MPIDR

Denn wo Weltanschauungen auseinandergehen, entstehen Konflikte, die tiefgreifender wirken als ein unterschiedlicher Musikgeschmack oder Hobbyvorlieben. Im Alltag führt das zu Diskussionen beim Frühstück, zu gereizten Stimmungen beim Nachrichten­schauen und manchmal zur grundsätzlichen Infragestellung der gemeinsamen Zukunft.

Keine Meinung ist schlimmer als andere Meinung

Besonders kritisch wird es, wenn einer der beiden keine klare Meinung hat. Paare, in denen sich einer politisch gar nicht zuordnet oder bei zentralen Themen unentschlossen bleibt, sind laut der Studie sogar noch stärker gefährdet. Unentschiedenheit kann dabei als Gleichgültigkeit wahrgenommen werden, was bei politisch engagierten Partnern zu Frust führt.

Überraschenderweise ist es nicht relevant, welche politische Richtung das Paar teilt – entscheidend ist die Übereinstimmung. Zwei Labour-Wähler sind ebenso stabil wie zwei Konservative. Doch sobald ein fundamentales Thema anders bewertet wird, entsteht Reibung. Und diese kann auf Dauer die Beziehung zermürben.

Alltagsstreit statt Zweisamkeit

Die Studie zeigt auch, dass politische Überzeugungen genauso, wenn nicht sogar mehr, trennend wirken können wie Unterschiede in Bildung oder Religion – besonders dann, wenn sie zentrale Werte und Zukunftsvorstellungen betreffen. Die Brexit-Jahre hätten das laut Di Nallo besonders deutlich gemacht: „Viele Paare haben in dieser Zeit gemerkt, wie tief politische Spaltung ins Private hineinwirkt.“

Auch das Umfeld spielt eine Rolle. Familien, Freunde oder Kollegen reagieren mit Unverständnis, wenn zwei Menschen mit gegensätzlichen politischen Haltungen ein Paar sind. Diese soziale Spannung überträgt sich oft unbewusst und wird zur zusätzlichen Belastung.

Gemeinsame Werte geben Beziehungen Halt

Politik ist weit mehr als eine Meinung, das untermauert die Studie. Sie prägt Einstellungen zu Familie, Gleichberechtigung, Migration oder Klima und damit das tägliche Zusammenleben. Oder wie Di Nallo es ausdrückt:

Politik beeinflusst Familien, Werte und das soziale Miteinander.

Wer ähnliche Ansichten teilt, lebt oft konfliktärmer und langfristig stabiler. Viele Betroffene spüren intuitiv, dass manche Meinungsverschiedenheiten nicht einfach mit „wir sehen das eben unterschiedlich“ abgetan werden können. In der Tiefe geht es oft um Identität, Gerechtigkeit und Zukunftsbilder – Fragen, auf die es in Beziehungen eine gemeinsame Antwort braucht.

Kurz zusammengefasst:

  • Eine Langzeitstudie der University of Padua und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung zeigt: Politisch uneinige Paare trennen sich deutlich häufiger als gleichgesinnte.
  • Die Trennungswahrscheinlichkeit liegt bei Paaren mit unterschiedlichen Parteipräferenzen um 38 Prozent höher – selbst stärker als bei Unterschieden in Bildung oder Religion.
  • Besonders instabil sind Beziehungen, in denen einer keine klare politische Meinung hat – fehlende Haltung wird oft als Gleichgültigkeit empfunden und kann Konflikte verschärfen.

Übrigens: Nicht nur die politische Einstellung wirkt sich auf die Beziehung aus – auch unser Bindungstyp prägt, wie stabil eine Partnerschaft ist. Welche Kombinationen gut funktionieren, lesen Sie in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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