Mensch statt Gegner: Wie positive Erzählungen politische Feindbilder abbauen

Eine Studie zeigt: Moralisch positive Geschichten über politische Gegner mindern politische Feindbilder und fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Studie zeigt: Worte entschärfen politische Feindbilder

Zwei politische Lager im Dialog: Schon kleine Gesten wie moralisch positive Geschichten können helfen, politische Feindbilder abzubauen. © DALL-E

Politische Feindbilder gelten als eine der größten Herausforderungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In den USA etwa hat sich die Kluft zwischen Demokraten und Republikanern in den letzten Jahren deutlich verschärft. Die Forscherinnen Prof. Dr. Eva Walther von der Universität Trier und Prof. Tal Moran von der Open University of Israel haben nun einen Ansatz getestet, der diese Spaltung abmildern kann: Wenn Menschen moralisch Positives über den politischen Gegner erfahren, steigt die Sympathie – auch dann, wenn die Geschichte frei erfunden ist.

Positive Taten wirken sofort und nachhaltig

Die Studie wurde in den USA durchgeführt und konzentrierte sich auf das politische Spannungsfeld zwischen Demokraten und Republikanern. Die wichtigsten Eckpunkte des Experiments zeigen, wie gezielt sich politische Feindbilder beeinflussen lassen:

  • Die Teilnehmer ordneten sich selbst als Republikaner oder Demokraten ein
  • Sie sahen Texte mit Fotos von Personen aus dem gegnerischen politischen Lager
  • Eine Gruppe las neutrale Infos (z. B. Essensbestellung)
  • Eine andere Gruppe las moralisch positive Geschichten (z. B. Nierenspende)
  • Nur die moralisch positiven Texte veränderten die Wahrnehmung spürbar
  • Die Teilnehmer beurteilten den politischen Gegner danach weniger feindlich
  • Der Effekt hielt auch nach längerer Zeit noch an
  • Untersucht wurde das per Umfrage und mit Reaktionstests auf unbewusster Ebene

Die Studie zeigt damit: Selbst kurze, positive Erzählungen können politische Feindbilder abschwächen. Und das funktioniert auch ohne persönlichen Kontakt.

Politische Feindbilder gezielt abbauen – dank Erkenntnissen aus der Konfliktforschung

Die Sozialpsychologinnen testeten erstmals einen Ansatz aus der Konfliktforschung in einem demokratischen Kontext. Bisher kam das Modell vor allem in Ländern zum Einsatz, die von Bürgerkriegen oder langjährigen internen Konflikten betroffen waren. Nun zeigte sich, dass moralische Aufwertung des politischen Gegners auch in modernen Demokratien wie den USA wirkt.

Links gegen rechts, konservativ gegen liberal, Demokraten gegen Republikaner – politische Feindbilder sind allgegenwärtig und spalten ganze Gesellschaften.

Prof. Dr. Eva Walther

Medien und Politik prägen das Bild vom Gegner

Die Studienergebnisse zeigen, wie stark öffentliche Kommunikation unsere Wahrnehmung beeinflusst. Medien und politische Entscheidungsträger können gezielt dazu beitragen, politische Feindbilder zu entschärfen – etwa, indem sie moralische Seiten der Gegenseite sichtbar machen. So entsteht Raum für mehr Verständnis und weniger Abwertung.

Prof. Dr. Eva Walther nennt ein konkretes Beispiel: „Wenn ein Kanzler öffentlich sagt, sein politischer Kontrahent wolle bei allen inhaltlichen Unterschieden ‚nur das Beste für unser Land‘, kann das zur Versöhnung beitragen – unabhängig von politischen Meinungsverschiedenheiten.“ Ein solcher Satz kann ein starkes Signal senden – nicht nur in Parlamenten, sondern auch in der Gesellschaft.

Politische Feindbilder verändern sich selbst durch Fiktion

Bemerkenswert ist, dass die Geschichten in der Studie nicht real sein mussten. Selbst erfundene Beispiele wie die einer Nierenspende reichten aus, um einen spürbaren Effekt zu erzeugen. Das zeigt, wie groß die Wirkung positiver moralischer Informationen sein kann – selbst dann, wenn einem die dargestellte Person völlig fremd ist. „Wir waren selbst überrascht, wie stark der Effekt war“, sagt Walther.

Die Forscherinnen wollen diesen Effekt auch in anderen Gesellschaften testen. „Wir planen weiter zu untersuchen, ob unser Ansatz auch die affektive Polarisierung in Israel effektiv verringern kann“, so Prof. Tal Moran. Dabei wollen sie auch prüfen, wie sich die Laborergebnisse auf reale politische Prozesse übertragen lassen.

Die Forschung steckt noch in den Anfängen, doch die bisherigen Resultate geben Anlass zur Hoffnung. Die Kombination aus psychologischer Theorie und gesellschaftlicher Praxis könnte neue Wege aufzeigen, um gespaltene politische Lager wieder näher zusammenzubringen – nicht mit Appellen zur Einigkeit, sondern mit gezielten Erzählungen über Menschlichkeit.

Kurz zusammengefasst:

  • Moralisch positive Geschichten über politische Gegner – selbst wenn sie erfunden sind – können politische Feindbilder abschwächen und Sympathie fördern.
  • Gesellschaftliche Spaltung lässt sich mindern, wenn Menschen den anderen nicht nur als Gegner, sondern als Mitmenschen sehen.
  • Politik und Medien können diesen Effekt gezielt nutzen, indem sie in Debatten auch die menschlichen Seiten der Gegenseite betonen.

Übrigens: Auch stabile Demokratien geraten ins Wanken, wenn Populisten mitregieren. Laut einer Studie der Universität Basel scheitern Koalitionen mit ihrer Beteiligung um bis zu 65 Prozent häufiger – nicht wegen extremer Inhalte, sondern wegen ihres kompromisslosen Politikstils. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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