Studie: Warum Jungen in Mathematik besser abschneiden – und was dagegen getan werden kann
Deutsche Jungen liegen in Mathematik vor Mädchen. Gesellschaftliche Stereotype und Matheangst verstärken die Unterschiede.
Viertklässler in Deutschland erreichen in Mathematik ein durchschnittliches Niveau. Ihre Ergebnisse liegen zwar über dem internationalen Mittelwert, doch 16 Länder – darunter Taiwan, Südkorea, Finnland und Polen – schneiden deutlich besser ab. Besonders besorgniserregend: Ein Viertel der deutschen Grundschüler verfügt nur über rudimentäre Kenntnisse. Die TIMSS-Studie 2023 (Trends in International Mathematics and Science Study), die seit 2007 alle vier Jahre die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Viertklässlern weltweit analysiert, zeigt zudem auch noch eine klare Kluft: In Mathematik liegen die Jungen deutlich vor den Mädchen.
Deutsche Viertklässler erzielten 2023 durchschnittlich 530 Punkte, Mädchen kamen nur auf 517. Dieses globale Muster wird durch gesellschaftliche Stereotype und individuelle Faktoren verstärkt.
Auch in Australien, einem der untersuchten Länder, zeigt sich ein ähnliches Bild. Dort übertrafen Jungen die Mädchen in der vierten Klasse mit der höchsten Punktedifferenz unter den 58 teilnehmenden Ländern. In der achten Klasse war die Kluft immer noch deutlich sichtbar, Australien belegte hier den zwölften Platz im internationalen Vergleich. The Conversation berichtet, dass diese Unterschiede in Mathematik im Gegensatz zu anderen Fächern stehen: Beim Lesen und Schreiben schneiden Mädchen oft besser ab.
Geschlechterrollen und Matheangst bremsen Mädchen
Warum schneiden Jungen in Mathematik oft besser ab? Die Forschungsergebnisse deuten laut The Conversation darauf hin, dass gesellschaftliche Stereotype und fehlendes Selbstbewusstsein bei Mädchen eine zentrale Rolle spielen. Mathematik wird vielfach als „Jungenfach“ wahrgenommen – ein Vorurteil, das bereits im Vorschulalter entsteht. Solche Denkmuster können das Selbstvertrauen von Mädchen langfristig untergraben und ihre Motivation in Mathematik mindern.
Ein weiterer Faktor ist die sogenannte Matheangst, die bei Mädchen häufiger auftritt. Diese Angst entsteht oft durch mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, selbst wenn die tatsächlichen Leistungen denen der Jungen entsprechen.
Was kann getan werden, um die Kluft zu schließen?
The Conversation schlägt drei zentrale Strategien vor, um die Leistungsunterschiede zu verringern.
- Erstens muss Mathematik bei Jungen und Mädchen gleichermaßen gefördert werden. Häufig erwarten Lehrkräfte und Eltern von Jungen mehr als von Mädchen. „Wenn Eltern und Lehrer von Mädchen weniger erwarten, füttern wir das Stereotyp, dass Mathematik ‚besser für Jungen geeignet‘ ist“. Dadurch entstehen unbewusste Verhaltensmuster, wie etwa mehr Aufmerksamkeit für Jungen im Mathematikunterricht.
- Zweitens ist es wichtig, mit Mädchen offen über ihre Fähigkeiten zu sprechen. Studien zeigen, dass sie oft weniger Vertrauen in ihre mathematischen Kompetenzen haben, selbst wenn ihre Leistungen ähnlich gut sind. Daher muss ihr tatsächlicher Fortschritt klarer kommuniziert werden.
- Drittens sollten weibliche Vorbilder in mathematisch geprägten Berufen stärker hervorgehoben werden. Rollenbilder wie Ingenieurinnen, Architektinnen oder Datenwissenschaftlerinnen können Mädchen inspirieren und die Bedeutung von Mathematik für ihren Lebensweg aufzeigen.
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TIMSS 2023: Ergebnisse für Deutschland
Die TIMSS-Studie zeigt stabile Leistungen deutscher Viertklässler in Mathematik und Naturwissenschaften, jedoch mit deutlichen Herausforderungen bei leistungsschwächeren Gruppen. Die wichtigsten Erkenntnisse:
Mathematik
- Mittlere Kompetenzen: Deutsche Schülerinnen und Schüler erzielen 524 Punkte, signifikant über dem internationalen Mittel (503 Punkte) und stabil seit 2007.
- Kompetenzstufe V (höchste): 8,3 Prozent erreichen diese Stufe, ein Anstieg gegenüber 2019 (6,0 Prozent).
- Niedrigste Stufen I und II: 25,1 Prozent verbleiben auf diesen Stufen, ein Zuwachs gegenüber 2007 (21,6 Prozent).
Naturwissenschaften
- Mittlere Kompetenzen: Mit 515 Punkten liegt Deutschland über dem internationalen Mittel (494 Punkte), jedoch unter dem Niveau von 2007 (528 Punkte).
- Kompetenzstufe V: 8,7 Prozent erreichen die höchste Stufe, stabil seit 2007.
- Rudimentäres Niveau: 29,7 Prozent verfügen nur über Grundkompetenzen – ein signifikanter Anstieg gegenüber 2007 (23,7 Prozent).
Weitere Erkenntnisse
- Positive Einstellungen: 58 Prozent der Schüler mögen Mathematik, 70,6 Prozent die Naturwissenschaften, trotz eines Rückgangs seit 2007.
- Digitale Medien: 63,6 Prozent der Mathelehrkräfte haben Zugang zu digitalen Medien, setzen diese jedoch kaum ein.
- Geschlechterunterschiede: Jungen schneiden in Mathematik besser ab, während in den Naturwissenschaften keine signifikanten Unterschiede mehr bestehen.
Was du dir merken solltest:
- Leistungsniveau: Deutsche Viertklässler erzielen in Mathematik solide Ergebnisse, doch ein Viertel hat nur rudimentäre Kenntnisse. Im internationalen Vergleich schneiden 16 Länder, darunter Taiwan und Finnland, besser ab.
- Ursachen der Geschlechterkluft: Jungen liegen in Mathematik weltweit vor Mädchen, was auf gesellschaftliche Stereotype und mangelndes Selbstbewusstsein bei Mädchen zurückzuführen ist. Matheangst ist ein zusätzlicher hemmender Faktor.
- Lösungsansätze: Förderung muss geschlechtsunabhängig sein, Selbstvertrauen bei Mädchen durch gezielte Kommunikation gestärkt werden, und weibliche Vorbilder in mathematischen Berufen sollten stärker sichtbar gemacht werden.
Übrigens: Zwei Schülerinnen aus den USA haben die Mathematik-Welt in Staunen versetzt, indem sie den Satz des Pythagoras mit völlig neuen trigonometrischen Ansätzen bewiesen haben. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels
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