#skinnytok: Gefährliche Schönheitsideale auf TikTok treiben Jugendliche in die Essstörung
Unter dem Hashtag #skinnytok kursieren auf TikTok Inhalte, die extreme Schlankheit verherrlichen und vermutlich Essstörungen bei Jugendlichen fördern.

TikTok steht wegen gefährlicher Trends wie #skinnytok in der Kritik – trotz Sperrung des Hashtags kursieren weiterhin gefährliche Inhalte. © Pexels
Sichtbare Knochen als Ziel, Hungern als Lebensstil, „Skinny sein“ als Belohnung – auf TikTok kursieren unzählige Videos, die ein krankhaftes Körperideal und Essstörungen glorifizieren. Unter dem Hashtag #skinnytok verbreiten sich Beiträge, die Jugendliche dazu bringen können, ihren Körper zu hassen.
Täglich tauchen sie auf dem Handybildschirm auf, mit Diättricks, Vergleichsbildern und harten Selbstkontroll-Regeln. TikTok-Nutzerinnen zeigen, wie man den ganzen Tag mit Salat, Kaffee und 15.000 Schritten übersteht und feiern das als Ziel. Die Plattform hat reagiert und Inhalte blockiert. Doch der Druck bleibt und trifft vor allem junge Mädchen. Wer nach #skinnytok sucht, landet inzwischen auf einer Seite mit Hilfsangeboten. Doch ähnliche Inhalte sind längst wieder unter anderen Begriffen auffindbar.
Hashtag gesperrt, Problem bleibt
Wie gefährlich diese Inhalte wirklich sind, lässt sich kaum in Zahlen fassen. Sicher ist: Die Spirale aus Essvergleichen, Kalorienzählen und vermeintlich „gesunden Routinen“ geht unter anderen Hashtags weiter. Ein Video erklärt: „Deshalb schaffst du es nicht, skinny zu werden.“ Ein anderes zeigt dünne Beine, darunter der Satz: „Dünn sein ist dein Outfit.“
Psychologe Christian Montag fordert im Gespräch mit dem WDR deshalb: „Wir müssen die Alterszahl 13 ernst nehmen.“ Denn gerade Kinder und Jugendliche sind besonders empfänglich für Schönheitsdruck und digitale Ideale. Die Verantwortung liege bei den Plattformen und bei den Eltern. Der aktuelle Trend ist kein neues Phänomen, schon seit Jahren kursieren Whats-App-Gruppen, Facebook-Seiten und andere Plattformen, die „Pro-Ana“ sind, also Magersucht und Essstörungen zelebrieren und vorantreiben.
Besonders Mädchen geraten in die Falle
Professorin Silja Vocks, Klinische Psychologin an der Universität Osnabrück, berichtete dem WDR, dass Essstörungen heute immer früher auftreten. Die erste Erkrankung fällt oft in die Pubertät, also in die Phase, in der sich der Körper verändert und das Selbstbild besonders labil ist. Mädchen sind deutlich häufiger betroffen als Jungen: Etwa 90 Prozent der Betroffenen sind weiblich.
Auch in der Menopause steigt das Risiko, doch diese zweite Phase betrifft weit weniger Menschen. Der Druck, einem Ideal zu entsprechen, kann in beiden Lebensphasen belastend sein, ob im Jugendzimmer oder im Spiegel einer Frau über 50.
Digitale Scheinwelt kann Auslöser sein
Social Media allein löst keine Essstörung aus, betont Vocks. Aber: Es kann der letzte Anstoß sein, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen. Wer sich ohnehin unsicher fühlt, wenig Selbstwert hat oder in einer Phase der Veränderung steckt, kann durch idealisierte Körperbilder leicht ins Rutschen geraten. „Es ist gut darüber zu sprechen, dass die Welt auf Social Media nicht die Realität ist“, sagt Vocks.
Eltern sollten versuchen, die Bildschirmzeit ihrer Kinder zu begleiten. Noch wichtiger sei es, miteinander ins Gespräch zu kommen über „Fakewelten“, über Filter, über das, was einem beim Scrollen wirklich ein schlechtes Gefühl macht.
Was Angehörige tun können
Viele der gezeigten Körper entsprechen keinem gesunden Maß. TikTok hat den Hashtag zwar blockiert, aber viele Inhalte sind weiterhin auffindbar.

Essstörungen entstehen oft schleichend. Was mit Kalorienzählen beginnt, wird zum Zwang. Angehörige merken oft zuerst, wenn sich etwas verändert. Alarmzeichen, auf die man achten kann:
- starker Gewichtsverlust
- Rückzug
- Gereiztheit
- heimliches Essen
In solchen Momenten ist ein Gespräch entscheidend – aber mit Feingefühl. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt: Keine Vorwürfe, keine Verbote. Stattdessen Ich-Botschaften. Etwa: „Ich mache mir Sorgen, weil ich merke, dass du kaum noch mit uns isst.“ Druck verstärkt oft den Rückzug. Wer hingegen zuhört und signalisiert: „Du bist nicht allein“, öffnet eine Tür.
Professioneller und familiärer Rückhalt
Ein Gespräch reicht selten aus. Professionelle Hilfe ist wichtig und sie ist erreichbar. Ein Besuch beim Hausarzt kann der erste Schritt sein. Beratungsstellen helfen anonym weiter. Betroffene entscheiden selbst, ob sie diesen Weg gehen möchten. Doch Angehörige können sie begleiten, stärken, ermutigen. Auch kleine Fortschritte verdienen Anerkennung.
Wer unsicher ist, kann sich selbst Hilfe holen. Unter der Nummer 0221 892031 berät das Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit. Die Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet eine Übersicht zu Anlaufstellen vor Ort – für Betroffene und Angehörige. Denn niemand sollte mit dieser Krankheit allein bleiben müssen.
Kurz zusammengefasst:
- Auf TikTok verbreiten sich unter dem Hashtag #skinnytok Inhalte, die ein ungesundes Schönheitsideal zeigen und besonders Jugendliche negativ beeinflussen können.
- Solche Beiträge können Essstörungen fördern, vor allem bei Mädchen in sensiblen Entwicklungsphasen wie der Pubertät, und wirken oft trotz Plattformmaßnahmen weiter.
- Frühzeitige Warnzeichen wie starker Gewichtsverlust oder Rückzug sollten ernst genommen und mit einfühlsamen Gesprächen sowie professioneller Hilfe begleitet werden.
Übrigens: Wer wegen Depressionen, Ängsten oder Essstörungen Hilfe sucht, muss oft monatelang warten – ein digitaler Therapie-Chatbot könnte das ändern. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels
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