Shell-Jugendstudie 2024: Jeder vierte junge Mann rechts – Mehrheit optimistisch

Trotz Krieg und Klimawandel sind die meisten Jugendlichen laut Shell-Jugendstudie optimistisch. Jeder vierte junge Mann rückt nach rechts.

Die Shell-Jugendstudie zeigt, dass die Mehrheit der Jugendlichen trotz Krieg und Klimakrise optimistisch ist. © Pexels

Die Shell-Jugendstudie zeigt, dass die Mehrheit der Jugendlichen trotz Krieg und Klimakrise optimistisch ist. © Pexels

Die am Dienstag veröffentlichte Shell-Jugendstudie liefert überraschende Ergebnisse zu den Einstellungen von Jugendlichen: Die meisten blicken positiv auf die Möglichkeiten, die ihnen Staat und Gesellschaft bieten – trotz vieler Krisen und Zukunftssorgen. Für die diesjährige Erhebung wurden über 2.500 junge Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren befragt. Die Shell-Jugendstudie gibt Aufschluss über das Weltbild, die Werte und Ziele dieser Generation. Es geht um politische und soziale Vorstellungen, Interessen und Wünsche, aber auch um Ängste, Bildung, Berufschancen und die Einschätzung der Zukunft. Eine zentrale Erkenntnis: Die junge Generation, oft als Gen Z bezeichnet, ist vielschichtiger und anders, als es häufig vermittelte Vorurteile vermuten lassen.

Politisches Interesse und Engagement auf dem Vormarsch

Die Shell-Jugendstudie zeigt deutlich, dass das politische Interesse unter Jugendlichen in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Während sich 2019 nur 47 Prozent der Jugendlichen als politisch interessiert bezeichneten, sind es 2024 bereits 55 Prozent. Besonders stark gestiegen ist die Bereitschaft, sich aktiv in Politik und Gesellschaft einzubringen. Fast 40 Prozent der jungen Menschen können sich vorstellen, sich politisch zu engagieren. Auch das Interesse an gesellschaftlichen Themen ist spürbar größer geworden. Diese Zahlen zeigen, dass die junge Generation nicht nur passiv zusieht, sondern aktiv an der Gestaltung ihrer Zukunft teilhaben will.

Jeder vierte junge Mann driftet nach rechts ab – Extremismusbereitschaft wächst

Interessant dabei ist, dass sich die Mehrheit der 12- bis 25-Jährigen nach wie vor leicht links einordnet. Doch es gibt auch eine auffällige Veränderung: Jeder vierte junge Mann in Deutschland bezeichnet sich inzwischen als rechts oder eher rechts – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Ergebnissen von 2019. Bei den jungen Frauen bleibt der Anteil derer, die sich als rechts einordnen, mit etwa 11 Prozent hingegen unverändert.

Besonders bei jungen Männern nimmt die Extremismusbereitschaft zu. Rund 20 Prozent der männlichen Befragten gaben an, sich vorstellen zu können, Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele zu nutzen. Bei den jungen Frauen liegt dieser Anteil niedriger, aber die Tendenz ist auch hier vorhanden. Die Shell-Jugendstudie verdeutlicht zudem, dass fast die Hälfte der jungen Männer der Meinung ist, dass „eine starke Hand“ wieder Ordnung in den Staat bringen müsse – ein deutlicher Anstieg gegenüber 2019. Diese Entwicklung wirft Fragen nach den Ursachen auf, insbesondere nach dem Einfluss gesellschaftlicher Krisen auf das Weltbild junger Menschen.

Vertrauen in Staat und Demokratie bleibt stabil

Trotz dieser beunruhigenden Entwicklungen bleibt das Vertrauen in Staat und Demokratie bei der Mehrheit der Jugendlichen stark. Rund 75 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Deutschland ihnen alle Möglichkeiten bietet, um ihre Lebensziele zu verwirklichen. Ebenso viele Jugendliche äußern sich zufrieden mit der Demokratie in Deutschland. Besonders das Vertrauen in den Sozialstaat und die öffentlich-rechtlichen Medien bleibt hoch. Diese Ergebnisse zeigen, dass die junge Generation trotz der Herausforderungen und Unsicherheiten, denen sie ausgesetzt ist, an den Grundpfeilern der deutschen Gesellschaft festhält.

Junge Menschen sind sehr besorgt, aber pragmatisch und optimistisch zukunftsgewandt.

Studienleiter Prof. Dr. Mathias Albert 

Ein markanter Unterschied zeigt sich jedoch zwischen Ost- und Westdeutschland: Während 77 Prozent der Jugendlichen im Westen mit der Demokratie zufrieden sind, liegt dieser Wert im Osten nur bei 60 Prozent. Diese Kluft verweist auf unterschiedliche Wahrnehmungen und Lebensrealitäten, die sich auch in den politischen Einstellungen der Jugendlichen widerspiegeln.

Ängste und Sorgen der jungen Generation

Die Studie legt offen, dass die Ängste der jungen Menschen in Deutschland deutlich zugenommen haben. Besonders der Krieg in Europa steht im Mittelpunkt ihrer Sorgen: 80 Prozent der Jugendlichen fürchten, dass es in Europa zu weiteren bewaffneten Konflikten kommen könnte. Auch die wirtschaftliche Lage bereitet vielen Jugendlichen Sorgen. 67 Prozent der Befragten gaben an, sich um steigende Armut zu sorgen. Trotz dieser düsteren Aussichten bleibt der persönliche Optimismus vieler junger Menschen ungebrochen: 56 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft – der höchste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2002.

Jugendliche fordern Unterstützung für die Ukraine

Auch die brisanten Fragen rund um den Russland-Ukraine-Krieg und Deutschlands Verantwortung werden in der Shell-Jugendstudie thematisiert. Studienleiter Prof. Dr. Mathias Albert betont: „Junge Leute urteilen relativ klar.“ So verurteilen zwei Drittel der Jugendlichen den russischen Angriff auf die Ukraine deutlich und sprechen sich ebenso klar für eine starke NATO aus. Besonders hervorzuheben ist, dass etwa die Hälfte der Befragten der Meinung ist, Deutschland sollte die Ukraine auch militärisch unterstützen. Diese Zustimmung ist in den westlichen Bundesländern höher als im Osten, wo Jugendliche kritischer gegenüber einer militärischen Unterstützung sind.

Der Konflikt zwischen Israel und Gaza sorgt für gemischte Reaktionen: Rund ein Drittel der Jugendlichen befürwortet Deutschlands eindeutige Positionierung an der Seite Israels, während ebenso viele diese ablehnen. Ein weiteres Drittel ist unentschlossen. Hier spielen soziodemografische Faktoren eine wichtige Rolle, vor allem bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder niedrigem Bildungsgrad.

Unterschiedliche Ängste je nach Bildungsgrad

Die Studie zeigt außerdem, dass sich die Ängste der Jugendlichen nach Bildungsgrad unterscheiden. Jugendliche mit höherer Bildung sorgen sich vor allem um den Klimawandel und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Themen sind für sie von zentraler Bedeutung. Für Jugendliche mit mittlerem oder niedrigerem Bildungsgrad stehen dagegen wirtschaftliche Unsicherheiten im Vordergrund. Besonders die Angst vor einer Verschlechterung der eigenen Lebensverhältnisse spielt hier eine Rolle.

Ein weiteres Thema, das vor allem Jugendliche mit niedrigerer Bildung betrifft, ist die Angst vor Migration und Zuwanderung. Rund 34 Prozent der Befragten aus dieser Gruppe äußerten Bedenken hinsichtlich weiterer Zuwanderung. Jugendliche mit höherem Bildungsgrad empfinden dieses Thema hingegen seltener als Bedrohung. Diese Unterschiede verdeutlichen, wie stark die sozialen Hintergründe die Wahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungen prägen.

Geschlechterunterschiede bei sozialen und politischen Themen

Ein weiterer wichtiger Punkt, den die Shell-Jugendstudie anspricht, ist die unterschiedliche Wahrnehmung sozialer Themen zwischen jungen Männern und Frauen. Während jungen Frauen Themen wie eine bunte, vielfältige Gesellschaft oder Feminismus besonders wichtig sind, legen junge Männer weniger Wert darauf. So befürworten 72 Prozent der jungen Frauen eine vielfältige Gesellschaft, bei den Männern sind es nur 56 Prozent. Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei Themen wie der veganen Ernährung und dem Feminismus.

Auch beim Thema Gendern gehen die Meinungen auseinander: 40 Prozent der Jugendlichen lehnen das Gendern ab, während sich 20 Prozent dafür aussprechen. Ein Drittel der Befragten äußerte sich indifferent zu dieser Thematik. Diese Zahlen spiegeln die Spannungen wider, die es innerhalb der Generation Z gibt, und zeigen, dass die sozialen Themen nicht nur nach Geschlechtern, sondern auch nach Bildungsgrad und Herkunft unterschiedlich gewichtet werden.

Bildung bleibt der Schlüssel zu besseren Zukunftschancen

Ein zentrales Ergebnis der Shell-Jugendstudie 2024 ist die Rolle der Bildung. Bildung bleibt in Deutschland ein entscheidender Faktor für die Zukunftschancen junger Menschen. Doch nach wie vor wird Bildung stark vererbt. Jugendliche, deren Eltern einen niedrigen Bildungsgrad haben, streben seltener das Abitur an als Jugendliche aus Akademikerfamilien. Während 80 Prozent der Jugendlichen aus bildungsnahen Familien das Abitur anstreben, sind es bei Jugendlichen aus bildungsfernen Familien nur 27 Prozent.

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Diese Ungleichheit wirkt sich nicht nur auf die Bildungschancen aus, sondern auch auf die spätere berufliche Laufbahn. Trotz des hohen Optimismus vieler junger Menschen zeigt die Shell-Jugendstudie, dass die soziale Herkunft nach wie vor eine entscheidende Rolle für den Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen und besseren beruflichen Chancen spielt. Hier bleibt Handlungsbedarf bestehen, um Chancengleichheit für alle Jugendlichen zu gewährleisten.

Was du dir merken solltest:

  • Politisches Interesse wächst: 55 Prozent der Jugendlichen interessieren sich aktiv für Politik, doch jeder vierte junge Mann driftet laut Shell Jugendstudie nach rechts ab.
  • Wachsende Ängste: Jugendliche fürchten Krieg und Armut, doch 56 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft.
  • Bildung bleibt entscheidend: Chancen hängen stark von der sozialen Herkunft ab, Bildung wird in Deutschland weiter vererbt.

Bild: © Pexels

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