„Wir machen alle Regeln weg“ – Maja Göpel erklärt, wie Populisten Krisen nutzen, um Macht zu kapern

Maja Göpel warnt: Populisten nutzen Krisen, um Regeln abzuschaffen und Macht zu sichern. Demokratie und Staat geraten so unter Druck.

Populisten nutzen Krisen, um Regeln abzubauen – Maja Göpel warnt vor den Folgen für Demokratie und Zusammenhalt.

Populisten nutzen Krisen, um Regeln abzubauen – Maja Göpel warnt vor den Folgen für Demokratie und Zusammenhalt. © Wikimedia

Die Rhetorik populistischer Parteien hat sich verändert. Statt einer Rückkehr zur Vergangenheit propagieren sie nun Zukunftsvisionen – allerdings mit fragwürdigen Inhalten. Maja Göpel, Transformationsforscherin und Bestsellerautorin, warnt in einem Interview mit dem Standard aus Wien: „Plötzlich schaffen die Populisten es, die Zukunft für sich zu besetzen.“

Donald Trump, inzwischen wieder US-Präsident, verspricht, staatliche Institutionen radikal umzubauen. Europas Rechtspopulisten inszenieren sich als Vorreiter des Wandels. Tech-Milliardäre wie Elon Musk locken mit Visionen einer technisierten Zukunft, in der KI und Raumfahrt das Leben bestimmen. Doch laut Göpel verbirgt sich dahinter eine gefährliche Taktik: „Das Destruktive, dieses Kaputtmachen wird als Befreiungsschlag und als Weg in die Zukunft dargestellt.“

Maja Göpel warnt: So ködern Populisten mit falschen Freiheitsversprechen

Die Strategie ist perfide: Regeln und staatliche Eingriffe sollen abgeschafft werden, damit die Wirtschaft wächst und alle wieder „frei“ sind. Diese radikale Deregulierung verkauft sich als Fortschritt – tatsächlich aber, so Göpel gegenüber dem Standard, sei es „nur der halbierte Liberalismus“. Wer Entscheidungen trifft, müsse auch für deren Konsequenzen einstehen.

Doch warum kommt diese Botschaft an? Göpel sieht eine tief sitzende Verunsicherung in der Gesellschaft. Krisen wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg hätten das Vertrauen in die Politik erschüttert. „Nichts eignet sich besser als eine Krisensituation, um einen Veränderungsprozess infrage zu stellen“, erklärt sie. In dieser Verunsicherung bieten Populisten eine einfache Lösung: Der Staat wird als Problem dargestellt, seine Regeln als Hindernis. „Wir machen einfach alle Regeln weg und den Staat klein, dann wächst die Wirtschaft wieder, und wir sind alle wieder frei“, fasst sie die Rhetorik zusammen.

Krisen als Katalysator für Populismus

Laut Göpel nutzen Populisten Krisen gezielt, um Zweifel an politischen Strukturen zu säen. Gerade in Zeiten der Unsicherheit funktioniert ihr Versprechen besonders gut: weniger Staat, mehr individuelle Freiheit. Doch in Wahrheit, so Göpel, geht es um Macht. Die Zerschlagung staatlicher Institutionen spiele denjenigen in die Hände, die das Recht des Stärkeren bevorzugen.

Ein Beispiel sei die Unterstützung von Tech-Milliardären für Trump. Sie propagieren, dass technologischer Fortschritt alle Probleme lösen werde. KI werde Arbeitsplätze ersetzen, der Mensch sei ersetzbar. Wenn etwas nicht mehr funktioniere, könne man zum Mars fliegen. Doch Göpel warnt: Diese Denkweise sei nicht nur kaltherzig, sondern gefährlich. Sie untergräbt das, was den Menschen und die Gesellschaft ausmacht.

Die Verlockung einfacher Antworten

Warum sind diese Erzählungen so erfolgreich? Göpel sieht zwei Hauptgründe: Zum einen fühlen sich viele Menschen von der Komplexität der Welt überfordert. Zum anderen haben viele das Vertrauen in gemeinschaftliche Lösungen verloren. Das populistische Narrativ wirkt dann wie ein Rettungsanker: Weniger Vorschriften, weniger Bürokratie, mehr Eigenverantwortung. Doch diese Argumentation hat Tücken.

Gerade die EU wird oft als Beispiel für überbordende Regulierung angeführt. Doch Göpel stellt klar: Es gehe nicht darum, Regeln abzuschaffen, sondern sie gezielt zu verbessern. „Das Motto ‚Weniger ist besser‘ hilft nicht bei Strukturwandel.“

Verantwortung der Eliten: Wer kämpft für Demokratie?

Für Göpel liegt eine große Verantwortung bei den politischen, wirtschaftlichen und intellektuellen Eliten. Sie müssten entschiedener für demokratische Werte eintreten. Als Beispiel nennt sie Familienunternehmen: Sie stehen vor der Entscheidung, ob sie langfristig in Standorte und Mitarbeiter investieren oder sich aus der Verantwortung stehlen und ihr Vermögen in Finanzanlagen verschieben.

Auch die wirtschaftliche Entwicklung sei problematisch. Selbst McKinsey warne inzwischen davor, dass immer weniger Vermögen in produktive Wirtschaftsprozesse fließe. Stattdessen würden Investoren auf steigende Immobilien- und Aktienpreise setzen – ohne echten Mehrwert für die Gesellschaft.

Menschen brauchen Zugang zu Wohnraum, Land, Gesundheitsversorgung, Energie und Bildung. Statt aber die Qualität oder die Menge dieser Güter zu vergrößern, werden so die Nutzungsgebühren hochgefahren.

Maja Göpel

Wie misst man Wohlstand richtig?

Göpel kritisiert im Gespräch mit dem Standard, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) immer noch als Hauptmaßstab für Wohlstand gilt. „Das BIP sagt nichts über die ökologische Zerstörung, die Verteilung oder die Lebensqualität derjenigen, die ganz wenig vom Wachstum bekommen.“ Ein Regenwald, der abgeholzt wird, taucht nur als wirtschaftlicher Ertrag auf – nicht aber der Verlust an Biodiversität und Wasserspeichern.

Sie fordert neue Indikatoren, um gesellschaftlichen Fortschritt zu messen. Dazu gehören Naturkapital-Bestände oder soziale Verteilungseffekte. „Wenn der Kuchen größer wird, kommt schon irgendwie überall was an.“ Das sei jedoch ein Irrtum. Stattdessen brauche es ein System, das soziale und ökologische Aspekte stärker berücksichtigt.

Ein Erfolgs-Dashboard für die Politik

In ihrem neuesten Buch „Werte“ schlägt Göpel eine Art „Erfolgs-Dashboard“ für Regierungen vor. Es soll messbare Indikatoren liefern, um Fortschritte bei Nachhaltigkeitszielen transparenter zu machen. Medien könnten dabei eine Vorreiterrolle übernehmen, indem sie konkrete Entwicklungen in der Energiewende oder im sozialen Bereich aufzeigen.

Trotz aller Herausforderungen bleibt Göpel optimistisch. Sie zitiert Hannah Arendt:

Das Gute hat nie komplett gewonnen – aber das Böse auch nicht.

Sozialer Wandel sei immer möglich – doch er müsse aktiv gestaltet werden.

Kurz zusammengefasst:

  • Populisten nutzen Krisen, um Regeln abzubauen und Macht zu sichern – Maja Göpel warnt, dass dabei Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt erodieren.
  • Freiheit ohne Verantwortung sei ein „halbierter Liberalismus“, sagt Göpel – ein gefährliches Narrativ, das vor allem den Mächtigen dient.
  • Die Zukunft wird zur Kampfzone: Wer den Staat schwächt, verspricht Fortschritt, hinterlässt aber Unsicherheit und ein Spielfeld für Einflussnahme.

Bild: © Jan Zappner / re:publica (re:publica 23 – Tag 2) via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0

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