Mädchen verlieren schon vor der Schule: Jungen profitieren von festgefahrenen Technik-Klischees

Bereits Sechsjährige glauben, Technik liege Jungen mehr als Mädchen. Eine Studie zeigt, wie Stereotype Chancen in MINT-Berufen beeinflussen.

Schon mit sechs Jahren glauben Kinder, dass Informatik und Technik eher zu Jungen passen.

Schon mit sechs Jahren glauben Kinder, dass Informatik und Technik eher zu Jungen passen. © Pexels

Schon im Alter von sechs Jahren verfestigen sich Annahmen, dass Jungen in technischen Bereichen wie Informatik oder Ingenieurwesen überlegen sind. Diese Erkenntnis stammt aus der bislang größten Meta-Analyse zu geschlechtsspezifischen Vorurteilen bei Kindern im Bereich MINT-Fächer und sprachliche Kompetenzen. Das Team des American Institutes for Research (AIR) untersuchte dafür 98 Studien mit Daten von rund 145.000 Kindern aus 33 Ländern, die sich über mehr als vier Jahrzehnte erstrecken. Auffällig: Mathematik wird von Kindern deutlich weniger stark einer bestimmten Gruppe zugeordnet, doch Technik und Computer gelten schon früh als „Jungs-Themen“.

Stereotype prägen früh: Kinder entwickeln Technik-Vorurteile bereits im Vorschulalter

Laut den Autoren der Studie wirken viele Einflüsse außerhalb der Schule auf diese frühen Meinungen ein. David Miller, Hauptautor und leitender Forscher am AIR, betont: „Bereits Kinder im Alter von sechs Jahren entwickeln geschlechtsspezifische Stereotype über Informatik und Technik und sehen Jungen als fähiger an als Mädchen…“ Miller weist darauf hin, dass diese Vorstellungen nicht erst im Klassenzimmer entstehen. Vielmehr erhalten Heranwachsende entsprechende Signale im familiären Umfeld oder über außerschulische Angebote. „Das frühe Aufkommen dieser Voreingenommenheiten signalisiert, dass Kinder noch vor dem Schulbeginn Botschaften über Rollenklischees in Informatik und Technik zu Hause und in anderen Umfeldern aufnehmen“, sagte Miller. „Eltern, frühkindliche Pädagogen und außerschulische Programme spielen eine entscheidende Rolle dabei, diese Erzählungen neu zu gestalten.“

Das Gewicht solcher früh entstandenen Überzeugungen zeigt sich besonders bei Mädchen. Je älter sie werden, desto stärker sinkt ihr Interesse an MINT-Fächern, vor allem in Bereichen wie Informatik, Technik oder Ingenieurwesen. Dies könnte langfristige Folgen für ihre Berufswahl haben. Wachstumsstarke Felder wie künstliche Intelligenz oder Robotik bleiben damit potenziell ohne die dringend benötigten weiblichen Talente. Angesichts dieser Entwicklung plädiert Miller für gezielte Maßnahmen. Bereits bestehende Initiativen reichen ihm zufolge nicht aus, sofern sie zu allgemein angelegt sind. „Diese Initiativen brauchen einen fokussierten Einsatz für Mädchen im Bereich Informatik und Technik, insbesondere im frühen Kindesalter, bevor sich diese Stereotype verfestigen.“

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Frühe Rollenbilder prägen die Berufswahl

Der Einfluss dieser frühen Klischees zeigt sich auch in der Berufswelt. Laut einer Analyse des National Center for Science and Engineering Statistics waren im Jahr 2021 nur 35 Prozent der Beschäftigten im STEM-Bereich (Science, Technology, Engineering, Mathematics und Medicine) Frauen. Besonders gravierend ist die Unterrepräsentation in technischen Disziplinen: Frauen stellten lediglich ein Viertel der Arbeitskräfte in der Informatik und nur 16 Prozent im Ingenieurwesen. Die Ergebnisse der AIR-Studie legen nahe, dass diese Diskrepanz mit frühkindlichen Stereotypen zusammenhängt.

Rollenklischees bereits im Vorschulalter

Nach Aussage der Forscher sollten Förderprogramme daher spezifischer und früher ansetzen. Es gilt, Mädchen schon in jungen Jahren Zutrauen zu technischen Kompetenzen zu vermitteln und ihnen Chancen zu eröffnen, in MINT-Bereichen selbstbewusst Fuß zu fassen. Ein besseres Verständnis dafür, wie und warum solche Rollenklischees bereits im Vorschulalter entstehen, könnte helfen, diese früh anzupassen. Ziel ist es, Kindern beiderlei Geschlechts ähnliche Möglichkeiten und Interessen nahe­zubringen – frei von den traditionellen Vorstellungen, die bislang Technikwissen überwiegend Jungen zuschreiben.

Was du dir merken solltest:

  • Bereits im Alter von sechs Jahren entwickeln Jungen und Mädchen geschlechtsspezifische Stereotype, die Informatik und Technik überwiegend Jungen zuschreiben.
  • Diese früh entstandenen Vorurteile werden stark von Einflüssen außerhalb der Schule geprägt, wie dem familiären Umfeld oder Freizeitangeboten.
  • Um festgefahrene Klischees aufzubrechen, sollten spezifische Förderprogramme früh ansetzen, insbesondere für Mädchen in technischen MINT-Bereichen.

Übrigens: Die MINT-Fächer sind zentral für viele Zukunftsberufe. Dennoch fehlt es vielen Schülerinnen und Schülern in Deutschland an Interesse. Besonders Mathematik kommt schlecht weg. Aber warum ist das so? Sind die Lehrer daran schuld? Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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