Klimawandel und Kirche: Was Gläubige in den USA nicht zu hören bekommen
Obwohl die Kirche in den USA den Klimawandel überwiegend anerkennt, bleibt das Thema in vielen Gemeinden unerwähnt.

„Glaubt der Wissenschaft – der Klimawandel ist real“: Ansage zur nächsten Predigt in der Fort Washington Church in Manhattan. © Wikimedia
Fast 90 Prozent der christlichen Geistlichen in den USA sind der Meinung: Die Kirche sieht den Klimawandel als echt und vom Menschen gemacht. Doch in den Gemeinden kommt diese Botschaft kaum an. Nur jeder vierte Geistliche spricht offen darüber. Das zeigt eine aktuelle Studie des Boston College, die tief in das Innenleben US-amerikanischer Kirchen blicken lässt – und ungeahntes Potenzial für den Klimaschutz offenbart.
Während die USA weiter unter Dürren, Überflutungen und Waldbränden in Folge des Klimawandels leiden, schweigen viele derer, die sonntags predigen. Das Ergebnis: Millionen Gläubige unterschätzen, wie stark sich ihre Kirchenführung bereits mit dem Klimathema auseinandersetzt. Sie selbst bleiben aber untätig – obwohl sie handeln würden, wenn sie wüssten, dass die Kirche an ihrer Seite steht.
USA: Was die Kirche zum Klimawandel verschweigt
Das Ausmaß des Missverständnisses ist enorm. Nur jeder vierte christliche Geistliche in den USA spricht mehr als ein- oder zweimal mit der eigenen Gemeinde über den Klimawandel. Rund die Hälfte hat das Thema noch nie angesprochen – obwohl fast alle überzeugt sind, dass der Mensch großen Anteil an der Erderwärmung hat.
„Weil viele Pastoren und Priester schweigen, denken ihre Gemeindemitglieder: Mein Kirchenführer glaubt da eh nicht dran“, erklärt Studienleiter Gregg Sparkman. Das führe zu Unsicherheit und Schweigen – selbst unter denen, die sich eigentlich engagieren wollen.
Die Folge: Viele Gläubige halten ihre Kirche für gleichgültig beim Klimaschutz. Sie glauben, das Thema passe nicht zu ihren Werten. Ein Trugschluss, wie die Studie belegt.
Klimaschutz im Einklang mit dem Glauben
Die Forscher zeigten in einem Experiment, wie sich das ändern lässt. Christen erfuhren, dass 90 Prozent ihrer Kirchenführer den Klimawandel für menschengemacht halten. Die Wirkung war eindeutig: Wer diese Information hatte, sah den Klimaschutz plötzlich als Teil der eigenen religiösen Werte.
Viele äußerten den Wunsch, sich häufiger mit anderen Gläubigen über das Thema auszutauschen. Auch die Bereitschaft, Klimaveranstaltungen zu besuchen oder sich politisch zu engagieren, stieg deutlich. „Sobald klar ist, dass Klimaschutz mit dem Glauben vereinbar ist, fällt es leichter, aktiv zu werden“, so Sparkman.
Besonders eindrucksvoll: Wer wusste, dass die eigenen religiösen Vorbilder Klimaschutz unterstützen, hielt es für unvereinbar, Politiker zu wählen, die den Klimawandel leugnen.
Evangelikale stimmen überraschend deutlich zu
Ein weiteres Ergebnis der Studie widerspricht vielen Klischees. Sogar mehr als 80 Prozent der evangelikalen und fundamentalistischen Kirchenführer glauben an den menschengemachten Klimawandel. Diese Gruppen gelten sonst als besonders konservativ – und als skeptisch gegenüber der Klimaforschung.
Doch die große Zustimmung bleibt oft verborgen. Die Wissenschaftler vermuten, dass viele Geistliche schlicht Angst vor Streit haben. Selbst dann, wenn sie politisch gar nicht anders denken als ihre Gemeinde. Sie wollen keine Debatten „vom Zaun brechen“ – und verschweigen lieber, was sie wirklich denken.
Kirchen könnten Millionen bewegen – wenn sie ihre Stimme erheben
Die Studie zeigt: Kirchen in den USA haben mehr Macht in der Klimadebatte, als vielen bewusst ist. In einem Land mit 224 Millionen Christen könnten sie Millionen von Menschen erreichen – und bewegen.
„Wenn die Wahrheit rauskommt, kann das viel verändern“, sagt Sparkman. „Neun von zehn religiösen Führern glauben, dass wir etwas gegen den Klimawandel tun können. Es fehlt nur an einem: dass sie endlich darüber sprechen.“
Für viele Gläubige könnte das der Anstoß sein, sich ebenfalls einzumischen – im Gespräch mit anderen, im Alltag, an der Wahlurne. Denn wer erkennt, dass Klimaschutz mit dem Glauben vereinbar ist, sieht die Welt mit neuen Augen.
Kurz zusammengefasst:
- Klimawandel ist in der Kirche in den USA kaum ein Thema – das zeigt eine neue Studie des Boston College mit Daten von über 1.600 Geistlichen.
- Nur jeder vierte Geistliche thematisiert den Klimawandel regelmäßig in der Gemeinde – viele Gläubige unterschätzen deshalb die Haltung ihrer Kirche.
- Wenn Kirchen klarer kommunizieren, dass Klimaschutz mit christlichen Werten vereinbar ist, steigt die Bereitschaft zum Engagement deutlich.
Übrigens: Ratten, Mücken und Kakerlaken – diese Tiere profitieren vom Klimawandel. Wie die Erderwärmung ihre Ausbreitung fördert und welche Risiken das für den Menschen bedeutet – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Beyond My Ken via Wikimedia unter CC BY-SA 1.0