Klimakrise zwingt Tuvalu ins Metaverse: Wie ein Inselstaat sein Überleben digital sichern will

Der Pazifikstaat Tuvalu zieht ins Metaverse: Der Klimawandel bedroht die Inseln, doch ihre Kultur soll digital weiterleben.

Viele Inselstaaten wie Tuvalu sind bereits jetzt vom steigenden Meeresspiegel betroffen und müssen nach – teils ungewöhnlichen – Lösungen suchen. © Unsplash

Viele Inselstaaten wie Tuvalu sind bereits jetzt vom steigenden Meeresspiegel betroffen und müssen nach – teils ungewöhnlichen – Lösungen suchen. © Unsplash

Der Inselstaat Tuvalu hat begonnen, eine digitale Kopie seiner Kultur und seines Landes im Metaverse zu erstellen. Diese Entscheidung fiel angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel, die das Überleben des Inselstaates zunehmend infrage stellt.

Das Projekt, das bereits im November 2022 im Rahmen der UN-Klimakonferenz COP27 vorgestellt wurde, soll eine digitale Nation schaffen, um Tuvalus Identität auch bei einem möglichen Verlust des Landes zu bewahren. Tuvalus Außenminister Simon Kofe erklärte gegenüber ABC Pacific, dass das Vorhaben ernst gemeint ist: „Unsere Regierung bereitet sich darauf vor, komplett online zu operieren.“

Ziel ist es, die staatliche Souveränität aufrechtzuerhalten, auch wenn die Inseln durch den steigenden Meeresspiegel unbewohnbar werden. So könnten grundlegende Regierungsfunktionen wie Wahlen, Ressourcenmanagement und Verwaltung auch im digitalen Raum bestehen bleiben.

Tuvalus digitaler Zwilling entsteht

Die digitale Kopie von Tuvalu wird zunächst auf einer virtuellen Plattform erstellt, die sich im Metaverse befindet. Die bislang erstellte Replik der kleinen Insel Te Afualiku basiert auf Satellitenbildern und Drohnenaufnahmen. Diese Arbeiten befinden sich jedoch noch in einem frühen Stadium. Wie Bürger in diesem digitalen Raum repräsentiert werden sollen und wie die Navigation dort ablaufen könnte, ist unklar.

Finanzielle Unterstützung sei laut Kofe kein Problem: „Seit meiner Rede auf der COP27 haben viele Technologieunternehmen Interesse bekundet, uns zu unterstützen.“ Der digitale Zwilling könnte nicht nur Tuvalus Identität sichern, sondern auch Katastrophenschutzmaßnahmen verbessern. Der Außenminister erklärte, dass der digitale Ansatz zudem ein Signal an die Welt sei, sich der Bedrohung des Klimawandels ernsthaft anzunehmen.

Widerstand und Hoffnung in Tuvalu

Viele Menschen in Tuvalu kämpfen mit den Auswirkungen des Klimawandels auf ihr tägliches Leben. Lehrerin Tevaogali Elisala berichtet von der Schwierigkeit, jungen Kindern die bedrohliche Situation zu erklären.

Sie werden nicht mit dem aufwachsen, mit dem ich aufgewachsen bin.

Dennoch sieht sie es als ihre Aufgabe, traditionelle Werte wie Gemeinschaft und Verantwortungsbewusstsein zu vermitteln, um die Kultur zu bewahren.

Nicht alle in Tuvalu unterstützen das Metaverse-Projekt. Hawaii Paeniu, ein Beamter im Gesundheitsministerium, sieht darin eine Art Kapitulation. Für ihn bleibt die Umsiedlung ins Digitale nur die allerletzte Option.

Es ist, als ob Leute oder die Führung bereits die Hoffnung aufgeben. Aber wir kämpfen immer noch, um Land zurückzugewinnen und Tuvalu vom Sinken abzuhalten.

Was andere Pazifikstaaten darüber denken

Die Idee einer digitalen Nation stößt auch in anderen Pazifikstaaten auf Interesse. Flora Vano aus Vanuatu forderte nach verheerenden Wirbelstürmen in ihrem Land, digitale Technologien zur Bewahrung von Kultur und Wissen einzusetzen. Sie lobte Tuvalus Ansatz als Beispiel, wie indigenes Erbe langfristig geschützt werden könnte.

Gleichzeitig gibt es kritische Stimmen. Nick Kelly von der Queensland University of Technology sieht den Ansatz skeptisch: „Das Konzept, ganze Nationen ins Digitale zu verlagern, ist keine gute Richtung für die Menschheit.“ Dennoch räumt er ein, dass solche Projekte wichtige Experimente für den Umgang mit klimabedingtem Landverlust darstellen könnten.

Die Zukunft von Tuvalu

In Tuvalu sind viele skeptisch gegenüber der Idee, ihre Kultur ins Digitale zu verlagern. Die semi-pensionierte Lehrerin Tineiafi Venu Pedro erklärte, dass sie sich nicht vorstellen könne, ihre Heimat zu verlassen.

Das nenne ich das Paradies, und meine Insel und meine Kultur, mein Volk und mein Essen zu verlassen – das wird nicht passieren.

Dennoch akzeptiert sie, dass das Metaverse für kommende Generationen eine Rolle spielen könnte, auch wenn sie es selbst schwer nachvollziehen könne.

Der Regierung von Tuvalu zufolge ist der digitale Ansatz ein wesentlicher Teil ihres Überlebensplans. Das „Future Now Project“ zielt darauf ab, internationale Klimaschutzmaßnahmen anzustoßen und gleichzeitig die Staatlichkeit Tuvalus zu sichern. Dabei werden traditionelle Werte wie Gemeinschaft und Nachbarschaftshilfe aktiv in die Außenpolitik eingebunden.

Tuvalus Kampf gegen das Vergessen

Lehrerin Elisala sieht die Migration ins Metaverse als eine pragmatische Maßnahme, auch wenn sie hofft, dass es nicht so weit kommt. „Aber wir müssen realistisch bleiben“, sagt sie. 

Wenn unsere Angst Wirklichkeit wird, brauchen wir selbstverständlich einen Ort, der alles enthält, was uns wichtig ist: unsere Kultur, unsere Sprache, alles.

Was du dir merken solltest:

  • Der Pazifikstaat Tuvalu erstellt eine digitale Kopie seiner Nation im Metaverse, um Identität und Souveränität trotz Klimawandel zu bewahren.
  • Das Projekt soll staatliche Funktionen wie Verwaltung und Wahlen im digitalen Raum sichern.
  • Das Vorhaben findet sowohl Unterstützer als auch Kritiker: Während einige dies als Kapitulation betrachten, sehen andere darin einen innovativen Ansatz, Kultur und Wissen zu erhalten.

Bild: © Unsplash

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