Gentle Parenting: Sanft zu Kindern, hart zu Müttern?

Gentle Parenting stellt die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt. Doch viele Mütter fühlen sich von diesem Anspruch überfordert und ausgebrannt.

Viele Mütter empfinden den Erziehungsstil des „Gentle Parenting“ als belastend, da er hohen Druck erzeugt. © Pexels

Viele Mütter empfinden den Erziehungsstil des „Gentle Parenting“ als belastend, da er hohen Druck erzeugt. © Pexels

Die sanfte Erziehung – auch bekannt als „Gentle Parenting“ – verspricht eine einfühlsame und respektvolle Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Statt Strafen oder strengen Anweisungen sollen Eltern die Gefühle ihrer Kinder verstehen und berücksichtigen. Das klingt nach einem idealen Weg, um harmonisch zu erziehen. Doch viele Mütter berichten, dass genau dieser Erziehungsstil hohen Druck erzeugt und sie mit unerreichbaren Ansprüchen konfrontiert. Denn während die Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stehen, werden die Belastungen der Eltern oft ausgeblendet.

Hohe Erwartungen und wenig Rücksicht auf den Alltag

Ein Grundprinzip des „Gentle Parenting“ ist, Kinder so weit wie möglich entscheiden zu lassen. Statt zu sagen: „Zieh deine Schuhe an, wir müssen los!“, soll die Mutter fragen, warum das Kind keine Schuhe anziehen will und geduldig auf eine Antwort warten. Belohnungen wie Sticker oder kleine Süßigkeiten gelten dabei als unpassend. Stattdessen soll das Kind selbstständig die Wahl zwischen Schuhen oder Hausschuhen treffen.

Das klingt im ersten Moment wertschätzend, doch im Alltag führt diese Herangehensweise häufig zu Problemen. Viele Eltern, vor allem berufstätige Mütter, haben schlicht nicht die Zeit, langwierige Entscheidungsprozesse abzuwarten. Die Morgenroutine muss schnell ablaufen, der Kindergarten wartet und der Arbeitstag beginnt pünktlich. Laut der Plattform Motherly fühlen sich viele Mütter schuldig, wenn sie pragmatische Lösungen nutzen, die den Prinzipien der sanften Erziehung widersprechen. Der Alltag moderner Mütter bietet oft nicht den Raum, um jede Situation geduldig auszudiskutieren.

Warum Kinder oft irrational handeln

Ein weiteres Missverständnis im Rahmen der sanften Erziehung ist die Annahme, dass hinter jedem Verhalten eines Kindes eine tieferliegende Ursache steckt. „Gentle Parenting“ geht davon aus, dass Kinder nur dann „bocken“ oder trotzen, wenn sie gestresst, überfordert oder traurig sind. Doch Kinder handeln häufig auch ohne erkennbare emotionale Ursache. Sie wollen manchmal einfach ihre Grenzen testen oder etwas nicht tun, weil sie es langweilig finden.

Experten betonen, dass nicht jede Trotzreaktion eine psychologische Erklärung braucht. Diese Herangehensweise kann jedoch dazu führen, dass Eltern unter ständigem Druck stehen, das Verhalten ihrer Kinder zu analysieren und ihre eigenen Emotionen zu unterdrücken.

Emotionale Dauerverantwortung für Mütter

Ein weiterer kritischer Punkt: Im Erziehungsstil des „Gentle Parenting“ liegt oft der Fokus auf der emotionalen Unterstützung des Kindes, während die Eltern ihre eigenen Bedürfnisse hintenanstellen sollen. Mütter werden zu emotionalen „Sicherheitswächtern“, die jedes Gefühl des Kindes deuten und darauf reagieren sollen. Besonders herausfordernd ist das bei Geschwisterstreitigkeiten. Laut Motherly geraten viele Mütter in ein Dilemma: Einerseits sollen sie verständnisvoll reagieren, andererseits dürfen sie das Fehlverhalten des Kindes nicht unkommentiert lassen. Hier kann der Anspruch, immer empathisch und ruhig zu bleiben, zu einer Überforderung führen.

Das könnte dich auch interessieren:

Perfektionismus durch sanfte Erziehung?

„Gentle Parenting“ geht oft mit einer strengen Erwartungshaltung einher. Eltern, die nicht jeden Grundsatz einhalten, laufen Gefahr, sich als Versager zu fühlen. Wer etwa sein Kind lobt oder Grenzen setzt, könnte von Befürwortern als „autoritäre Mutter“ abgestempelt werden. Das kann zu einem Perfektionismus führen, der vor allem Mütter ausbrennt.

Sanfte Erziehung betont zwar die Empathie für Kinder, vergisst aber manchmal, dass auch Eltern Menschen sind. Es ist wichtig nicht zu vergessen: Sanft zu erziehen bedeutet nicht, sich selbst zu vergessen. Eltern brauchen ebenso Verständnis für ihre eigenen Bedürfnisse, um ihren Kindern gerecht zu werden. Denn letztlich geht es nicht um Perfektion, sondern um eine Erziehung, die für die ganze Familie funktioniert.

Was du dir merken solltest:

  • Gentle Parenting setzt auf Verständnis und Entscheidungsfreiheit der Kinder, was jedoch im Alltag zu Problemen führen kann, wenn schnelle Entscheidungen nötig sind.
  • Nicht jedes kindliche Verhalten hat eine tiefe emotionale Ursache – manche Handlungen entstehen einfach aus Trotz oder Langeweile.
  • Der Anspruch, immer ruhig und empathisch zu reagieren, kann Eltern unter Druck setzen und Perfektionismus fördern, was besonders Mütter stark belastet.

Bild: © Pexels

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert