Energieeffizienz rettet in Osteuropa zehnmal mehr Leben als im Westen
Im Osten Europas verursacht Strom aus Kohle und Öl besonders viele Krankheiten. Neue Daten zeigen, wie stark Energieeffizienz dort Leben schützen kann.

Derzeit berücksichtigt die Klimapolitik der EU vor allem die Auswirkungen von Energieemissionen auf das Klima – unmittelbare Gesundheitsschäden durch schlechte Luftqualität bleiben oft außen vor. © Pexels
Wer Strom spart, tut nicht nur etwas Gutes für das Klima, sondern schützt auch die eigene Gesundheit. Besonders in Osteuropa kann das enorme Auswirkungen haben. Eine neue Studie der Boston University School of Public Health zeigt: In Ländern wie Bulgarien, Rumänien oder Griechenland bringt Energieeffizienz bis zu zehnmal mehr gesundheitliche Vorteile als in Westeuropa.
Der Grund liegt in der Art der Stromerzeugung. Viele osteuropäische Länder setzen noch auf Kohle oder Öl. Bei der Verbrennung entstehen Schadstoffe, die tief in die Lunge dringen und das Herz belasten. Feinstaub und Stickoxide erhöhen das Risiko für Asthma, Lungenkrebs oder Schlaganfälle – besonders in Regionen mit veralteter Infrastruktur.
Wo Stromsparen am meisten bringt
„In der EU gäbe es riesige Vorteile für Gesundheit und Klima, wenn mehr erneuerbare Energien und effiziente Strategien eingesetzt würden“, sagt Umweltmediziner Jonathan Buonocore von der Boston University. Besonders dort, wo noch viele Kohlekraftwerke stehen, könnte der Effekt kaum größer sein.

Die Forscher haben verglichen, wie stark der gesundheitliche Nutzen von Stromsparen in verschiedenen Ländern ausfällt. Ein Beispiel: Wird in Estland eine bestimmte Menge Strom eingespart, bringt das über 1.000-mal mehr Gesundheitsnutzen als in Schweden.
Politik muss regional denken
„Diese Unterschiede machen deutlich, wie wichtig regionale Lösungen sind“, sagt Studienleiter Gen Pei von der Harvard T.H. Chan School. Einheitliche Regeln reichen nicht, es braucht gezielte Strategien für jedes Land. Und dafür fehlt oft die richtige Grundlage.
Um das zu ändern, haben die Forscher ein digitales Tool entwickelt. Es heißt CoBE EU und zeigt, wie sich der Stromverbrauch von Gebäuden auf Klima und Gesundheit auswirkt und zwar für jedes EU-Land einzeln. Damit können Behörden, Stadtwerke oder Hausbesitzer gezielt planen: Wo lohnt sich eine Wärmepumpe? Wann rechnet sich Photovoltaik doppelt?
Neues Tool zeigt Gesundheitsnutzen pro Gebäude
„Mit dem Online-Werkzeug können alle Beteiligten nachvollziehen, wie viel gesundheitlicher und klimatischer Gewinn durch Gebäudesanierungen entsteht“, so Pei. Der Fokus liegt auf Gebäuden, weil sie in vielen Ländern der größte Energieverbraucher sind, von der Gasheizung im Altbau bis zur Klimaanlage im Neubau.
Für ihre Studie haben die Forscher verschiedene Berechnungsmethoden kombiniert. Sie ermittelten unter anderem, wie viele Todesfälle sich in Europa auf Luftschadstoffe durch Energieverbrauch zurückführen lassen. Zudem berechneten sie den sogenannten sozialen Preis von CO2, also die Kosten, die durch die Klimaschäden einer Tonne Kohlendioxid entstehen.
Bioenergie als verstecktes Risiko
Ein überraschender Befund betrifft Bioenergie. Diese gilt oft als umweltfreundlich, dabei kann ihre Verbrennung die Luft stark belasten. Vor allem in Ländern wie Estland oder Ungarn, wo viele Biobrennstoffe genutzt werden, könnten diese unterm Strich mehr schaden als nützen. Gen Pei erklärt:
Bioenergie wird häufig pauschal zu den Erneuerbaren gezählt. Aber sie verursacht erhebliche Luftschadstoffe, die bisher oft nicht mitgerechnet werden.
Die EU braucht einen ehrlichen Blick auf Gesundheitskosten
Bis 2030 müssen die EU-Staaten ihren Energieverbrauch um weitere 11,7 Prozent senken – das schreibt das Klimagesetz vor. Doch damit die Maßnahmen wirken, müssen sie dorthin gelenkt werden, wo sie am meisten bringen.
„Wir können inzwischen die gesundheitlichen Effekte jeder Energiequelle konkret beziffern“, sagt Buonocore. Für die Politik ist das eine Chance: Sie kann unsichtbare Kosten sichtbar machen und Millionen Leben verbessern.
Kurz zusammengefasst:
- Energieeffizienz schützt die Gesundheit besonders in Osteuropa, weil dort durch Kohle und Öl stark gesundheitsschädliche Luftschadstoffe entstehen – der Nutzen von Stromsparen ist bis zu zehnmal höher als in Westeuropa.
- Der Effekt variiert stark je nach Land: In Estland bringt dieselbe Menge eingesparter Strom über 1.000-mal mehr Gesundheitsvorteile als in Schweden – das erfordert gezielte, regionale Maßnahmen.
- Ein neues Tool („CoBE EU“) hilft dabei, für jedes EU-Land die gesundheitlichen und klimatischen Auswirkungen des Stromverbrauchs von Gebäuden zu berechnen und sinnvolle Sanierungsmaßnahmen zu planen.
Übrigens: Während Europa über den Kohleausstieg und Energieeffizienz debattiert, setzt der Tech-Gigant Meta auf ein fast 40 Jahre altes Atomkraftwerk in Illinois – als Antwort auf den explodierenden Stromhunger durch Künstliche Intelligenz. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels