Keine Chancengleichheit in Deutschland: Herkunft bleibt der größte Nachteil für Schüler

Chancengleichheit in Deutschland bleibt eine Illusion: Noch immer entscheidet die Herkunft, wie erfolgreich Kinder lernen.

Chancengleichheit in Deutschland: Herkunft bleibt entscheidend

Bereits im Kindergarten zeigen sich Unterschiede: Kinder aus bildungsnahen Familien starten oft mit besseren Voraussetzungen in die Schule. © Pexels

Chancengleichheit in Deutschland bleibt ein Versprechen, das für viele Kinder bis heute unerfüllt ist. Noch immer entscheidet häufig die Herkunft darüber, welchen Bildungsweg ein Kind einschlägt. Kinder aus wohlhabenden und akademischen Familien schaffen es deutlich öfter aufs Gymnasium oder an die Universität. Wer dagegen aus einem bildungsfernen oder einkommensschwachen Elternhaus kommt, hat es von Anfang an schwerer.

Wie tief diese Ungleichheit in unserem Bildungssystem verwurzelt ist, zeigt ein neuer Sammelband des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) / Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Die Wissenschaftler haben untersucht, wie sich soziale Bildungsungleichheit in den letzten sechs Jahrzehnten entwickelt hat und warum frühe Förderung entscheidend ist, um Chancen gerechter zu verteilen.

„Über den gesamten betrachteten Zeitraum haben sich Forschende immer wieder mit der Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozialen Hintergrund befasst. Dabei sind unterschiedliche Perspektiven und Ansätze entstanden, wie man Bildungsungleichheit erklären und bearbeiten kann,“ erklärt Dr. Tilman Drope, der Herausgeber des Sammelbandes.

Lernrückstände entstehen schon vor der Schule

Schon im Kindergarten zeigen sich erste Unterschiede. Kinder aus gut situierten Familien wachsen häufig in einem Umfeld auf, in dem viel vorgelesen wird, in dem Gespräche über verschiedene Themen selbstverständlich sind und in dem Eltern die Bildung ihrer Kinder aktiv fördern. Wer dagegen aus einem Haushalt kommt, in dem Geld knapp ist, Bücher fehlen oder wenig Zeit für Förderung bleibt, startet oft mit Nachteilen ins Schulleben.

Chancengleichheit in Deutschland: Herkunft lenkt gesamte Karriere

Anfang der 2000er Jahre rückte das Thema in den Fokus, als die ersten PISA-Studien veröffentlicht wurden. Der internationale Vergleich machte deutlich: Deutschland gehört zu den Ländern, in denen der Bildungserfolg besonders eng mit der sozialen Herkunft zusammenhängt. Zwar haben sich seitdem die Chancen für alle Gruppen verbessert, doch der Abstand zwischen den sozialen Schichten bleibt groß.

Kinder aus Akademikerfamilien besuchen häufiger Gymnasien und Hochschulen. Kinder aus Arbeiterfamilien landen öfter auf Haupt- oder Realschulen, selbst bei vergleichbaren schulischen Leistungen. Diese Entwicklung beeinflusst später auch das Einkommen, den Beruf und die soziale Stellung. Wer einmal abgehängt wurde, hat es später schwerer, aufzuholen.

Berufliche Chancen hängen am Bildungserfolg

„Wir können Bildungsungleichheit nur reduzieren, wenn alle beteiligten Ebenen systematisch, langfristig und zielbewusst zusammenarbeiten. Und wir müssen schon sehr früh bei den Kindern ansetzen – und nicht erst im Lauf der Schulzeit, wenn die sozial bedingten Probleme in Bildungsstudien sichtbar werden.“

Dr. Tilman Drope

Die Forscher betonen deshalb die Bedeutung der frühen Kindheit. Sprachförderung, gezielte Elternprogramme und eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung können helfen, Startnachteile zu verringern. Denn je länger Kinder ohne Unterstützung bleiben, desto größer wird der Rückstand. Spätere Nachhilfe reicht oft nicht mehr aus, um entstandene Lücken zu schließen.

Kindergarten statt Nachhilfe als Schlüssel

Wichtig ist aber nicht nur der Blick auf die Kinder. Auch die Schulen selbst müssen anders arbeiten. Das DIPF beschreibt verschiedene Forschungsansätze, die den Sozialraum der Schulen mit einbeziehen. Schulentwicklungsprojekte arbeiten eng mit den Kommunen, Sozialarbeitern und anderen Partnern zusammen. So entstehen passgenaue Lösungen, die auf die Bedürfnisse vor Ort abgestimmt sind.

„Das Thema ist weiterhin von hoher Relevanz. Daher bietet der Sammelband die Möglichkeit, das bisher erreichte Wissen zu verknüpfen und Bildungsungleichheit so nachhaltiger entgegenzuwirken,“ so Drope. Wer früh ansetzt und konsequent fördert, kann diese Nachteile verringern. Dennoch bleibt Chancengleichheit in Deutschland eine große Herausforderung.

Kurz zusammengefasst:

  • In Deutschland hängen Bildungschancen weiterhin stark vom sozialen Hintergrund ab, obwohl sich die Lage seit den 1960er Jahren leicht verbessert hat.
  • Frühkindliche Förderung, gezielte Unterstützung in Schule und Familie sowie langfristige Zusammenarbeit aller Beteiligten sind entscheidend, um mehr Chancengleichheit in Deutschland zu schaffen.
  • Der neue Sammelband des DIPF bündelt Erkenntnisse aus Forschung und Praxis und zeigt konkrete Ansätze, wie soziale Benachteiligung abgebaut werden kann.

Übrigens: Immer mehr Kinder in Deutschland kämpfen mit Lernrückständen und fehlender Zufriedenheit. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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