Wer echte Geschlechtergleichheit will, muss nicht Frauen „reparieren“, sondern das System
Dass es an vielen Arbeitsplätzen immer noch keine echte Geschlechtergleichheit gibt, liegt nicht an „unangepassten“ Frauen.

Geschlechterungleichheit am Arbeitsplatz ist kein naturgegebenes Phänomen, sondern wird durch wiederkehrende Handlungsmuster aufrechterhalten. © Vecteezy
Seit Jahrzehnten gibt es Programme, die Frauen „fit“ für Karrieren machen und damit für Geschlechtergleichheit sorgen sollen. Doch Professorin Anja Danner-Schröder von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) kritisiert diesen Ansatz. Die Arbeitswelt stellt Frauen oft vor Herausforderungen, die nicht in ihren Fähigkeiten begründet sind, sondern in festgefahrenen Strukturen: Statt zu versuchen, Frauen zu ändern, müssten also die bestehenden Systeme hinterfragt werden.
Gemeinsam mit zwei Wissenschaftskolleginnen hat sie den Podcast „The Fix“ analysiert, der sich mit Geschlechterungleichheit in der Arbeitswelt befasst. Die Ergebnisse dieser Studie veröffentlichte sie im Fachmagazin Organization Studies.
Falsche Erwartungen an Frauen
Danner-Schröder erklärt, dass Frauen immer wieder dazu angehalten werden, sich für den Arbeitsmarkt anzupassen:
Sie sollen selbstbewusster werden, sich besser verkaufen und sogar ihre Geburten strategisch planen, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes zu genügen.
Professorin Anja Danner-Schröder
Doch genau hier liege das Problem – diese Maßnahmen suggerieren, dass Frauen das Problem seien, anstatt das System zu hinterfragen.
Die Wissenschaftlerin erklärt, dass Geschlechterungleichheit kein naturgegebenes Phänomen sei, sondern durch wiederkehrende Handlungsmuster aufrechterhalten werde. „Wir müssen Alltagshandlungen, die Ungleichheit immer weiter fortführen, endlich aufbrechen und verändern, das erfordert Arbeit und Mut von allen Beteiligten“, fordert sie.
Narrative hinterfragen und erneuern
Der Podcast „The Fix“ von Michelle Penelope King greift diese Problematik auf. In Interviews mit Expertinnen und Experten zeigt King, dass Geschlechtergleichheit nicht durch die „Reparatur“ von Frauen erreicht werden kann, sondern dass systemische Veränderungen nötig sind.
In über 200 Episoden veranschaulicht der Podcast, wie tief verwurzelte Strukturen Ungleichheiten reproduzieren. Beispielsweise liegt der Frauenanteil in der Luftfahrtbranche bei nur fünf Prozent, weil unflexible Dienstpläne Frauen mit Betreuungsverantwortung benachteiligen.
Versteckte Benachteiligungen im Berufsalltag
Viele Frauen passen ihr Verhalten an, um berufliche Nachteile zu vermeiden. Sie versuchen, niemanden mit ihrer Autorität zu verunsichern oder ihren Erfolg möglichst unauffällig darzustellen. Diese Mikroanpassungen summieren sich mit der Zeit zu einem enormen Druck. „In der Forschung wird dies als ‚death by a million cuts‘ beschrieben“, so Danner-Schröder – „ein Sinnbild dafür, wie viele kleine Benachteiligungen eine große Wirkung entfalten.“
Der Podcast bespricht allerdings nicht nur, was falsch gemacht wird, sondern auch, wie es besser gehen könnte. Island wird hierbei als positives Beispiel herangezogen: Dort wird Vaterschaftsurlaub selbstverständlich in Anspruch genommen, was eine gleichberechtigtere Verteilung der Familienarbeit fördert.
Unterstützung durch männliche Kollegen
Männliche Kollegen können aktiv zur Veränderung beitragen, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Schon kleine Handlungen wie das Ansprechen von diskriminierenden Kommentaren können helfen, ein gerechteres Arbeitsumfeld zu schaffen.
Entscheidend sei es, dass alle Akteure des Arbeitsmarktes Verantwortung übernehmen. „Wir argumentieren, dass sich das Verständnis dessen, was Geschlechterungleichheit ist, verschieben muss. Ebenso wichtig ist es, noch besser zu verstehen, was Geschlechterungleichheit bewirkt und wie sie das tut. Es braucht eine praxisbezogene Perspektive, die sich auf Alltagshandlungen fokussiert“, erklärt Danner-Schröder. Die Veränderung erfordere Bewusstsein, Mut und neue Denkweisen.
Kurz zusammengefasst:
- Frauen werden oft dazu angehalten, sich für den Arbeitsmarkt anzupassen, doch laut einer Studie der RPTU liegt das Problem in den starren Strukturen der Arbeitswelt, nicht bei den Frauen selbst.
- Geschlechterungleichheit entsteht durch wiederkehrende Handlungsmuster und kann nur durch systemische Veränderungen überwunden werden – nicht dadurch, Frauen „reparieren“ zu wollen.
- Die Studie zeigt, dass bereits kleine Maßnahmen wie flexiblere Arbeitsbedingungen und mehr Unterstützung durch männliche Kollegen einen großen Einfluss auf echte Gleichberechtigung haben können.
Bild: © Vecteezy
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