Die verschiedenen Gesichter des Extremismus
Ideologisch radikalisiert und gewaltbereit: Extremismus ist eine Gefahr für die Demokratie, doch was macht ihn aus und welche Formen gibt es?
„Was ist Extremismus?“: Die Antwort auf diese Frage dürfte je nach Person sehr unterschiedlich ausfallen. Denn die Grenzen dessen, was extremistisch ist und was nicht, werden immer wieder debattiert.
Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) definiert Extremismus als jede Haltung oder Bestrebung, die darauf abzielt, den demokratischen Verfassungsstaat zu beseitigen oder erheblich einzuschränken. Dies umfasst Angriffe auf die Demokratie, die Gewaltenteilung und die Menschenrechte. Kennzeichen des Extremismus sind eine hohe ideologische Verfestigung, ein „Missionsbewusstsein“ und die Neigung, Verschwörungstheorien zu akzeptieren.
Wer vom Glauben an ein objektiv erkennbares und vorgegebenes Gemeinwohl beseelt ist und sich im Besitz vermeintlich objektiver Gesetzmäßigkeiten wähnt, kann die Legitimität unterschiedlicher Meinungen und Interessen schwerlich dulden.
Eckhard Jesse, bpb
Welche Formen von Extremismus gibt es?
Extremismus ist nicht gleich Extremismus: Er tritt in vielen verschiedenen Formen auf, die stark von den eingesetzten Mitteln und den politischen Zielen abhängen. Zu den bekanntesten gehören der Links- und Rechtsextremismus sowie der religiös-ideologische motivierte Extremismus.
Während Linksextremisten oft kapitalismuskritisch sind und Systemveränderungen anstreben, zeichnet sich der Rechtsextremismus durch rassistische und nationalistische Ansichten aus. Der religiös-ideologische Extremismus strebt hingegen nach einem Staatsmodell, das auf religiösen Gesetzen basiert. Das am häufigsten genannte Beispiel hierfür ist der Islamismus, es ist aber nicht das einzige: Christlich-fundamentalistische Strömungen wie die sogenannten Evangelikalen in den USA verfolgen oft ähnliche Ziele.
Organisierter Extremismus in Deutschland
In Deutschland sind verschiedene extremistische Organisationen aktiv. Laut bpb tritt der Linksextremismus besonders in Form von Parteien wie der DKP oder der MLPD auf, deren Einfluss jedoch begrenzt ist. Der Rechtsextremismus findet seinen Ausdruck hauptsächlich in Parteien wie der NPD, die trotz Mitgliederschwunds weiterhin aktiv ist. Die AfD wiederum wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuft.
Welche Rolle spielt Gewalt?
Sowohl der Links- als auch der Rechtsextremismus können gewalttätige Formen annehmen. Die Intensität und Art der Gewalt variiert jedoch stark zwischen den Gruppen und ihren ideologischen Ausrichtungen. Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 gibt hierzu spezifische Zahlen:
Rechtsextremismus
Im Jahr 2023 wurden vom Bundeskriminalamt (BKA) 25.660 Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund erfasst – ein Anstieg um rund 4.500 im Vergleich zum Vorjahr. Die meisten waren Propagandadelikte (15.081), gefolgt von anderen Straftaten, insbesondere Volksverhetzung und Beleidigung (8.118). An dritter Stelle kommen Körperverletzungen (1.016), die meisten davon mit fremdenfeindlichem Hintergrund (874). Von den vier versuchten Tötungsdelikten im letzten Jahr hatten drei einen fremdenfeindlichen Hintergrund.
Rechtsextremistische Gewalt besteht fast ausschließlich aus fremdenfeindlichen Gewalttaten (933). Gewalttaten gegen Linksextremisten sind vergleichsweise selten: Diese waren im letzten Jahr 62 Körperverletzungen, eine Brandstiftung, zwei Raubüberfälle und ein Widerstandsdelikt.
Gewalttaten sogenannter „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, die ebenfalls dem rechtsextremistischem Spektrum zugeordnet werden, sind – zumindest in Bayern, wo die beiden Gruppen bei weitem am meisten Gewalttaten verüben – von 197 im Jahr 2022 auf 73 im Jahr 2023 gesunken. An nächster Stelle kommt Brandenburg mit 18 gemeldeten Gewalttaten.
Linksextremismus
Die Anzahl gemeldeter linksextremistischer Straf- und Gewalttaten ist weitaus geringer als die rechtsextremer. Im Jahr 2023 waren dies 4.248, ein Anstieg um rund 400 im Vergleich zu 2022. Auch die Art der Straftaten unterscheidet sich stark von der von Rechtsextremisten ausgeübten: Körperverletzungen (317) sind deutlich seltener, Brandstiftungen (104), Landfriedensbrüche (71) und Widerstandsdelikte (180) dafür häufiger. Den Großteil der Straftaten machen Sachbeschädigungen (2.301) aus. Danach kommen andere Straftaten, auch hier wieder vor allem Volksverhetzung und Beleidigung (1.005). Die Zahl an Propagandadelikten (83) ist deutlich niedriger als bei Rechtsextremisten.
Auch die Ziele der Gewalt sind unterschiedlich: Die meiste linksextremistische Gewalt richtet sich gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole (499) sowie gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden (481). Linksextremistische Gewalt gegen Rechtsextremisten ist zudem häufiger als umgekehrt, hier wurden im letzten Jahr 204 Fälle gemeldet.
Religiös-ideologischer Extremismus
Diesem Bereich wurden im Jahr 2023 1.250 Straftaten gemeldet: Das sind fast dreimal so viele wie im Jahr davor. Die meisten fallen die die Kategorie „Andere Straftaten“, an zweiter Stelle kommen Volksverhetzung (241) und anschließend Sachbeschädigung (130). Für das Jahr 2023 werden dem religiös-ideologischen Extremismus 42 Körperverletzungen, drei versuchte Tötungsdelikte und zwei vollendete zugeordnet.
Was du dir merken solltest:
- Extremismus bezeichnet Bestrebungen und Haltungen, die darauf abzielen, den demokratischen Verfassungsstaat zu beseitigen oder erheblich einzuschränken, wobei ideologische Verfestigung, ein Missionsbewusstsein und die Akzeptanz von Verschwörungstheorien typische Merkmale sind.
- Es gibt verschiedene Formen des Extremismus, wie den Links-, Rechts- und religiös-ideologischen Extremismus, die sich in ihren Zielen, Motiven und eingesetzten Mitteln unterscheiden.
- In Deutschland zeigen Verfassungsschutzberichte, dass sowohl linksextremistische als auch rechtsextremistische Gruppen gewalttätige Aktionen durchführen, wobei rechtsextremistische Straftaten häufiger und meist fremdenfeindlich motiviert sind, während linksextremistische Gewalt sich vornehmlich gegen den Staat und seine Symbole richtet.
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