Europas Wälder in Gefahr: Insekten vernichten fünfmal mehr Bäume als früher
Insekten treiben die Baumsterblichkeit in Europa in die Höhe – neue Daten zeigen massive Schäden in Nadelwäldern.
In ganz Europa haben die Waldschäden durch Holz- und Rindenbohrkäfer stark zugenommen. Ihre Angriffe führen häufig dazu, dass große Baumflächen absterben. © Simon Blaser
Europas Wälder geraten unter Druck. Was früher nur geschwächte Bestände betraf, trifft heute auch als robust geltende Arten. Kiefern und Weißtannen zeigen zunehmend Schäden. Insekten breiten sich massiv aus – begünstigt durch die Klimakrise. Eine internationale Studie zeigt: Die Baumsterblichkeit durch Insekten hat sich seit dem Jahr 2000 verfünffacht.
Ein Forschungsteam der Tschechischen Agraruniversität in Prag analysierte gemeinsam mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL fast 20.000 Schadensmeldungen aus 33 Ländern. Das Ergebnis belegt einen deutlichen Trend: Steigende Temperaturen, häufige Dürrejahre und Extremwetter setzen die Wälder unter Stress. Insekten profitieren davon – mit gravierenden Folgen für Holzproduktion, Biodiversität und CO2-Bindung.
Klimastress öffnet Tür für Schädlinge
Hitzeperioden und ausbleibender Regen schwächen die natürlichen Abwehrkräfte vieler Bäume. Ohne ausreichend Wasser funktionieren die Leitbahnen nicht mehr, Harze und Schutzstoffe werden nur noch eingeschränkt gebildet. Genau dann schlagen Insekten wie der Borkenkäfer zu.
Besonders die Jahre 2003, 2015, 2018 und 2019 brachten massive Waldschäden. Der Klimastress wirkte nicht nur regional. Entscheidend war weniger die geografische Lage, sondern vielmehr die Intensität von Trockenperioden. Regionen mit häufiger Wasserknappheit zeigten die größten Ausfälle.
Nadelbäume besonders anfällig für Insekten
Die stärksten Verluste verzeichneten Fichten, Kiefern und Tannen. Diese Nadelbäume reagieren besonders sensibel. „Wir beobachten einen massiven Anstieg der Insektenschäden“, schreiben die Autoren. Verantwortlich ist vor allem der Buchdrucker, ein einheimischer Borkenkäfer, der sich explosionsartig vermehrt.

Selbst Bäume, die lange als besonders widerstandsfähig galten, zeigen jetzt deutliche Stresssymptome. Weißtannen und Föhren verlieren ihre natürliche Abwehrkraft und werden häufiger befallen. In trockenen Regionen sterben ganze Bestände ab.
Laubbäume: weniger Schäden, aber komplexeres Bild
Bei Laubbäumen verläuft die Entwicklung bislang weniger dramatisch. Die durchschnittliche Entlaubung – ein Maß für sichtbare Schäden an der Krone – ist sogar leicht gesunken. Doch dieser Trend täuscht. Denn Laubbäume werden nicht von einem dominanten Schädling befallen, sondern von vielen unterschiedlichen Arten gleichzeitig.
Das erschwert die Diagnose. Statt klarer Schadensmuster entstehen diffuse Symptome, die oft erst spät erkannt werden. Die Bekämpfung ist dadurch aufwändiger, der Schutz schwerer planbar.
Baumsterblichkeit durch Insekten wird zur Hauptgefahr
Seit 1970 sind in Europa rund 684 Millionen Kubikmeter Holz durch sogenannte biotische Schäden verloren gegangen – dazu zählen neben Pilzen und Krankheiten vor allem Insekten. Laut Studie sind Insekten mittlerweile der größte Einzelverursacher. Ihr Anteil an der Gesamtsterblichkeit der Bäume wächst seit zwei Jahrzehnten rasant:
- Fichten, Tannen und Kiefern sterben am häufigsten
- Buchdrucker ist Hauptverursacher bei Nadelbäumen
- 5-facher Anstieg der Insektenschäden seit 2000
Selbst bewährte Baumarten verlieren ihre Rolle als sichere Wahl für den Waldumbau. Ihre Eignung muss in Zukunft neu bewertet werden.
Was der Waldwirtschaft jetzt hilft
Die Forscher sehen in der Entwicklung keine kurzfristige Störung, sondern einen dauerhaften Wandel. Sie fordern daher eine konsequente Neuausrichtung der Waldbewirtschaftung. Ziel sei es, klimaresiliente Wälder aufzubauen, die auch unter Stress stabil bleiben. Empfohlene Maßnahmen:
- Mehr Vielfalt bei der Auswahl der Baumarten
- Fokus auf heimische, lokal angepasste Sorten
- Rückzug von Monokulturen und großflächigen Pflanzungen
Darüber hinaus brauche es einheitliche Datensysteme, europaweite Überwachung und klar definierte Maßnahmenpläne. Behörden und Waldbesitzer sollten stärker miteinander vernetzt werden.
Je früher ein Befall erkannt wird, desto größer die Chance, den Wald zu retten. Frühwarnsysteme könnten hier eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören digitale Methoden wie Satellitenüberwachung und automatische Insektenfallen. Auch eine stärkere personelle Ausstattung der Forstämter ist nötig, um dem Wald in Zukunft besser helfen zu können.
Kurz zusammengefasst:
- Seit dem Jahr 2000 ist die Baumsterblichkeit durch Insekten in Europa massiv gestiegen – besonders bei Nadelbäumen wie Fichte, Kiefer und Tanne, die stark unter Käferbefall leiden.
- Der Klimawandel fördert diese Entwicklung: Dürrephasen schwächen die Abwehr der Bäume und ermöglichen Massenvermehrungen von Arten wie dem Buchdrucker, der inzwischen 85 Prozent der Schäden verursacht.
- Experten empfehlen, vermehrt auf klimaresistentere Laubbäume und Mischwälder zu setzen – ohne Gegenmaßnahmen drohen wiederkehrende, großflächige Waldverluste.
Übrigens: Auch mehr Arten im Wald sind kein Garant für Klimastabilität. Eine neue Großstudie zeigt, dass Vielfalt bei Dürre sogar schaden kann – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Simon Blaser
