Unser Fleischkonsum überfordert die Erde – Lancet-Kommission empfiehlt Klima-Diät
Fleischkonsum treibt die Erderwärmung an. Laut Lancet-Kommission kann eine neue Klima-Diät Gesundheit und Umwelt zugleich retten.

Wissenschaftler sehen in unserer Ernährung eine zentrale Ursache für Umweltbelastung und Krankheiten. Sie fordern politische Maßnahmen wie eine Steuer auf ungesunde Lebensmittel. © Pexels
Die Frage, was auf den Teller kommt, ist längst keine reine Geschmackssache mehr. Sie entscheidet darüber, ob die Erde bewohnbar bleibt – und wie gerecht sie ist. Ein neuer Bericht der internationalen EAT-Lancet-Kommission zeigt, dass die Art, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, die ökologischen Grenzen des Planeten bereits überschreitet. Gleichzeitig liegt in einer Veränderung der Ernährung einer der größten Hebel gegen Klimawandel, Hunger und Ungleichheit.
Die Kommission, an der Experten aus mehr als 35 Ländern beteiligt sind, nennt ihre Analyse die bislang umfassendste wissenschaftliche Bewertung globaler Ernährungssysteme. Sie zeigt, wie eng Gesundheit, Umwelt und soziale Gerechtigkeit miteinander verknüpft sind – und warum ein Wandel dringend nötig ist.
Unser Essen als Klimafaktor
Rund 30 Prozent der weltweiten Treibhausgase entstehen durch die Produktion, Verarbeitung und den Konsum von Lebensmitteln. Damit trägt die Ernährung stärker zur Erderwärmung bei als alle Autos, Flugzeuge und Schiffe zusammen. Doch die Folgen gehen noch weiter: Laut EAT-Lancet überschreitet die Landwirtschaft fünf der neun sogenannten planetaren Grenzen – darunter Klima, Biodiversität, Landnutzung, Wasserhaushalt und Schadstoffbelastung.
„Selbst wenn die Welt komplett aus fossilen Brennstoffen aussteigen würde, könnten Ernährungssysteme die Temperaturen über 1,5 Grad hinaus treiben“, warnt der Bericht. Schon heute sei der ökologische Fußabdruck der Lebensmittelproduktion so groß, dass er die natürliche Regenerationsfähigkeit der Erde überfordert.
Wer isst, trägt Verantwortung – aber nicht alle gleich
Die Kommission zeigt, wie ungleich die Belastung verteilt ist. Das reichste Drittel der Menschheit verursacht über 70 Prozent der ernährungsbedingten Umweltschäden. Gleichzeitig bleibt mehr als eine Milliarde Menschen unterernährt. Nur unter ein Prozent der Weltbevölkerung lebt in einem Bereich, in dem die Ernährung sowohl ökologisch tragbar als auch gesundheitlich ausgewogen ist.
„Das Gutachten zeigt die deutlichsten Leitplanken, die wir bisher hatten, um eine wachsende Bevölkerung zu ernähren, ohne den sicheren Handlungsspielraum der Erde zu sprengen“, sagt Johan Rockström, Co-Vorsitzender der Kommission und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Was wir auf unsere Teller legen, kann Millionen Leben retten, Milliarden Tonnen Emissionen vermeiden und den Verlust der Biodiversität stoppen.
Johan Rockström
Gesunde Ernährung könnte Millionen Leben retten
Eine weltweite Umstellung auf eine gesündere, pflanzenbetonte Ernährung könnte laut EAT-Lancet bis zu 15 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr verhindern. Denn viele der heute verbreiteten Krankheiten – Herzleiden, Diabetes oder Krebs – hängen eng mit falscher Ernährung zusammen.
Die sogenannte „Planetary Health Diet“ gilt als Leitbild: Sie empfiehlt vor allem pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Nüsse, ergänzt durch moderate Mengen an Fisch, Geflügel und Milchprodukten. Zucker, rotes Fleisch und stark verarbeitete Produkte sollten dagegen selten auf den Tisch kommen.
Walter C. Willett, Ernährungswissenschaftler an der Harvard T.H. Chan School of Public Health, erklärt: „Durch mehr Vollkorn, Obst, Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte können wir die Gesundheit weltweit verbessern und zugleich kulturelle Traditionen respektieren.“
Was sich konkret ändern müsste
Nach Berechnungen der Kommission könnte die Umstellung der Ernährungssysteme den Ausstoß von Treibhausgasen mehr als halbieren. Gleichzeitig ließen sich jährlich bis zu fünf Billionen US-Dollar an Gesundheits- und Umweltschäden vermeiden – bei einem Investitionsbedarf von 200 bis 500 Milliarden Dollar.
Um diese Ziele zu erreichen, empfiehlt der Bericht acht Handlungsfelder, die Gesundheit, Umwelt und Gerechtigkeit zugleich fördern sollen:
- traditionelle, gesunde Ernährungsweisen stärken
- gesunde Lebensmittel erschwinglich machen
- nachhaltige Produktionsmethoden ausbauen
- Umwandlung unberührter Ökosysteme stoppen
- Lebensmittelverschwendung verringern
- faire Arbeitsbedingungen sichern
- Mitbestimmung von Beschäftigten stärken
- marginalisierte Gruppen schützen
Ungleichheit und Fehlanreize
Besonders kritisch sehen die Autoren die strukturelle Schieflage in der globalen Agrarpolitik. Ein großer Teil der staatlichen Subventionen fließe in die Tierhaltung und intensive Landwirtschaft, während umweltfreundliche Praktiken unterfinanziert blieben. In Europa etwa gehen laut früheren Analysen über 80 Prozent der Agrarhilfen in die Fleisch- und Milchproduktion.
Dabei wäre das Geld laut EAT-Lancet besser investiert in Anreize für nachhaltige Landwirtschaft, faire Löhne und gesunde Ernährung. Auch strengere Regeln für Lebensmittelkonzerne könnten helfen, manipulative Werbung oder Preisgestaltung einzudämmen – und Verbraucher zu gesünderen Entscheidungen zu ermutigen.
Kurz zusammengefasst:
- Rund 30 Prozent der weltweiten Treibhausgase stammen aus der Lebensmittelproduktion – Ernährung ist damit ein zentraler Klimafaktor.
- Eine pflanzenbetonte Ernährung nach der „Planetary Health Diet“ könnte jährlich bis zu 15 Millionen vorzeitige Todesfälle verhindern.
- Laut EAT-Lancet-Kommission braucht es gerechte Ernährungssysteme, die Gesundheit, Umwelt und soziale Bedingungen zugleich verbessern.
Übrigens: Wer regelmäßig grünes Blattgemüse, Beeren und Nüsse isst, schützt nicht nur sein Herz, sondern auch sein Gehirn. Wie die MIND-Diät das Alzheimer-Risiko senken kann – und warum selbst ein später Einstieg noch hilft, mehr dazu in unserem Artikel.
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