Großstädte der Welt glühen – 25 Prozent mehr Hitzetage als in den 90ern

2024 erreichten 43 Metropolen weltweit 1.612 Tage über 35 Grad – ein Anstieg um 25 Prozent seit den 1990er Jahren, zeigt eine IIED-Analyse.

Großstädte glühen: 25 Prozent mehr Hitzetage als in den 90ern

Von Berlin bis Tokio: Hauptstädte müssen handeln, um Menschen vor lebensgefährlicher Hitze zu schützen, warnen Experten. © Unsplash

Wer heute in einer Metropole lebt, spürt die Folgen des Klimawandels unmittelbar. Großstädte weltweit verzeichnen inzwischen ein Viertel mehr Hitzetage als noch in den 1990er Jahren. Während noch vor 30 Jahren 1.058 Tage über 35 Grad pro Jahr gezählt wurden, lag der Wert 2024 bei 1.612. Das geht aus einer aktuellen Analyse des International Institute for Environment and Development (IIED) hervor.

Damit ist klar: Städte erwärmen sich nicht nur spürbar, sie tun es schneller, als viele Regierungen bislang angenommen haben. Zugleich wächst die Zahl der Menschen, die in Ballungsräumen leben, rasant. Anpassung an den Klimawandel wird damit zu einer der wichtigsten Zukunftsaufgaben.

Großstädte leiden – Immer mehr Hitzetage

2024 gilt als das bislang heißeste Jahr weltweit. Besonders in neun Städten wurden historische Höchstwerte gemessen, darunter Kairo, Rom, Tokio, Manila und Washington D.C. Auch Johannesburg und Kinshasa in Afrika verzeichneten Rekordtage. Die Untersuchung des IIED wertete dafür Daten aus 43 Metropolen weltweit aus – darunter Hauptstädte von Afrika bis Asien.

„Die drei Jahre mit den höchsten Gesamtzahlen an Extremhitze-Tagen traten alle seit 2019 auf“, heißt es in der Auswertung.

Afrika erlebt deutliche Zunahmen

Auf dem afrikanischen Kontinent ist der Anstieg besonders drastisch. In Kairo stieg die Zahl der heißen Tage von durchschnittlich 58 in den 1990er Jahren auf 87 im vergangenen Jahrzehnt. 2024 lag der Wert sogar bei 106 Tagen. Dar es Salaam kam von 18 auf 60 heiße Tage, Kinshasa erreichte 36 Tage über 35 Grad.

Auch Antananarivo auf Madagaskar ist betroffen: Dort erhöhte sich die Zahl der heißen Tage über 30 Grad von 17 auf 55. Im Jahr 2024 wurde mit 99 Tagen ein Rekord erreicht. Insgesamt stieg die Zahl der Extremtage in afrikanischen Metropolen um 64 Prozent.

Lateinamerika mit Rekorden in Brasilien

In Brasilien, dem Gastgeber der kommenden Klimakonferenz COP30, zeigt sich der Trend ebenfalls deutlich. Brasília verzeichnete in den 1990er Jahren insgesamt nur drei Tage über 35 Grad. In den letzten zehn Jahren waren es 34. São Paulo erreichte 2024 sogar 120 Tage mit über 30 Grad – ein neuer Höchstwert.

Gerade in Brasilien zeigt sich, wie sehr selbst Städte mit bisher gemäßigtem Klima unter Extremhitze leiden.

Südafrika spürt die Folgen

Auch Südafrika, aktuelles G20-Präsidentschaftsland, erlebt spürbare Veränderungen. Pretoria stieg von durchschnittlich drei Tagen über 35 Grad in den 1990ern auf elf Tage im letzten Jahrzehnt. 2024 allein waren es 18. Johannesburg meldete zwischen 1994 und 2021 insgesamt nur drei Hitzetage über 35 Grad. Zwischen 2022 und 2024 kamen jedoch 26 hinzu. Dazu kommt ein deutlicher Anstieg der Tage über 30 Grad: von sieben pro Jahr in den 1990ern auf heute rund 50. Für eine Stadt, die lange als vergleichsweise kühl galt, ist das eine fundamentale Veränderung.

Ostasien mit neuen Spitzenwerten

Auch in Asien steigt die Belastung. Peking lag in den 1990ern bei 13 Hitzetagen, heute sind es durchschnittlich 26. Das Rekordjahr 2023 brachte sogar 48 Tage. In Seoul wuchs die Zahl von ein bis zwei Tagen auf sieben. Tokio verdoppelte sich von zwei auf fünf Tage im Jahr. 2024 wurde dort mit zehn Tagen ein neuer Spitzenwert erreicht.

Südostasien ist besonders betroffen. Hanoi verdoppelte sich von 30 auf 58 Tage. Jakarta schnellte von drei Tagen in den 1990ern auf heute 21 hoch – 2023 sogar 90 Tage. Kuala Lumpur verdreifachte sich fast, Manila stieg von 17 auf 53 Tage. 2024 erreichte die philippinische Hauptstadt mit 79 Tagen einen Rekord.

Berlin heizt sich spürbar auf

Auch die deutsche Hauptstadt ist von steigenden Temperaturen betroffen. In Berlin hat sich die Zahl der heißen Tage über 30 Grad deutlich erhöht. Zwischen 1994 und 2003 lag der Durchschnitt noch bei 15 Tagen pro Jahr. Im vergangenen Jahrzehnt waren es bereits 21 – ein Anstieg um 40 Prozent.

Damit reiht sich Berlin in die Liste der europäischen Metropolen ein, die immer häufiger mit Hitzerekorden zu kämpfen haben. Zum Vergleich: In London hat sich die Zahl der 30-Grad-Tage seit den 1990er Jahren sogar verdoppelt, in Paris stieg sie um ein Viertel. Für die Millionenstadt an der Spree bedeutet das: heiße Sommer sind längst keine Ausnahme mehr, sondern immer öfter Realität.

Europa bleibt nicht verschont

Der Trend macht auch vor anderen Metropolen Europas nicht halt. Rom verzeichnete einen Anstieg von durchschnittlich elf auf 24 Tage über 35 Grad. Im Jahr 2024 wurden dort sogar 53 Extremtage gemessen – so viele wie nie zuvor. In Madrid stieg die Zahl von 25 auf 47 Tage.

„Global steigen die Temperaturen schneller, als Regierungen vermutlich erwartet haben – und definitiv schneller, als sie reagieren“, sagte die Forscherin Anna Walnycki.

In Europas größten Hauptstädten hat sich die Zahl der Tage über 35 Grad in den letzten 31 Jahren stark erhöht. © IIED

Soziale Folgen verstärken Risiken

Die wachsende Zahl an Hitzetagen hat direkte Folgen für die Gesellschaft. Besonders Kinder, ältere Menschen, Schwangere und Menschen, die im Freien arbeiten, sind betroffen. „Heißes Wetter ist ein Killer, ob durch langanhaltende Temperaturen und Feuchtigkeit oder kurze, intensive Hitzewellen“, warnen die Autoren der IIED-Studie.

Laut dem Guardian hat extreme Hitze in den vergangenen drei Jahrzehnten wahrscheinlich den frühen Tod von Millionen Menschen verursacht. In Europa starben allein zwischen Juni und August 2024 mindestens 16.500 Menschen an den Folgen der hohen Temperaturen. In Japan wurde im selben Jahr ein landesweiter Temperaturrekord von 41,2 Grad gemessen – mehr als 10.000 Menschen mussten deshalb ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Ärmere Bevölkerungsgruppen leiden stärker, da sie oft in schlecht isolierten Häusern oder informellen Siedlungen leben. Rund ein Drittel der Stadtbewohner weltweit lebt in solchen Vierteln. Dort fehlen Schattenplätze, Grünflächen und eine stabile Infrastruktur.

Städte brauchen dringend Anpassung

Experten fordern umfassende Investitionen in die Stadtentwicklung. Gebäude sollten besser isoliert und belüftet werden. Mehr Grünflächen und Bäume sollen Schatten spenden und die Temperatur senken. „Das ist kein Problem, das wir uns einfach wegklimatisieren können. Wir brauchen grundlegende Veränderungen in der Stadtplanung“, so Walnycki vom IIED.

Zudem appellieren die Studienautoren an die Verantwortung wohlhabender Länder. Ab 2035 sollen jährlich 300 Milliarden US-Dollar in den Klimaschutz des Globalen Südens fließen. Ohne diese Unterstützung droht Millionen Menschen in den Großstädten eine Zukunft mit noch mehr Hitzerekorden.

Emissionen steigen – Gefahr wächst rasant

Doch die Herausforderungen gehen weit darüber hinaus. Dem Guardian zufolge steigen die weltweiten Emissionen aus fossilen Brennstoffen weiterhin an, obwohl sie bis 2030 um 45 Prozent sinken müssten, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Macky Sall, ehemaliger Präsident des Senegal und Vorsitzender des Global Center on Adaptation, warnte: „Extreme Hitze ist kein fernes Risiko – sie ist jetzt hier und bedroht unsere Menschen, unsere Wirtschaft und unsere Zukunft.“

Hinzu kommt ein neues Phänomen, das Experten „Climate whiplash“ nennen: Viele Großstädte erleben nicht nur mehr Hitzetage, sondern auch abrupte Wechsel zwischen extremer Trockenheit und heftigem Starkregen. Für Millionen Stadtbewohner bedeutet das eine doppelte Belastung.

Kurz zusammengefasst:

  • Seit den 1990er Jahren nahm die Zahl der Hitzetage in 43 Großstädten um 25 Prozent zu, 2024 erreichten sie mit 1.612 einen Rekordwert.
  • Extreme Hitze fordert bereits Millionen Todesopfer, 2024 starben in Europa mindestens 16.500 Menschen, Japan meldete über 10.000 Klinikfälle.
  • Fossile Emissionen steigen weiter, obwohl sie sinken müssten – Experten warnen vor wachsender Gefahr durch Hitze und „Climate whiplash“.

Bild: © Unsplash

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