Papier schlägt Bildschirm – Digitale Spiele bremsen Kinder beim Lesenlernen aus
Lern-Spiele, mit denen Kinder das Lesen lernen sollen, führen langsamer zum Erfolg. Das zeigt eine neue Studie aus den USA.

Analoge Schreibübungen wie Buchstaben auf Papier kritzeln fördern die Lesefähigkeit oft stärker als digitale Lernspiele. © Unsplash
Kinder im Vorschulalter kommen beim Lesenlernen am weitesten, wenn sie regelmäßig mit echten Buchstaben und Wörtern arbeiten. Das zeigt eine Studie der Michigan State University mit mehr als 1.000 drei- bis sechsjährigen Jungen und Mädchen aus den USA. Besonders wirksam waren einfache, direkte Aktivitäten mit Stift und Papier: Buchstaben schreiben, den eigenen Namen aufmalen, Wörter in der Umgebung erkennen oder Laute üben.
Diese analogen Methoden halfen sowohl Kindern mit als auch ohne Sprach- oder Sprechstörungen – bei Kindern mit Beeinträchtigungen sogar besonders deutlich.
Schriftübungen wirken besonders stark bei Sprachproblemen
Die Forscher untersuchten zwei Gruppen: 811 Kinder entwickelten sich sprachlich altersgerecht, 235 hatten eine Sprech- oder Sprachbeeinträchtigung. In beiden Gruppen waren analoge Übungen auf Papier der beste Weg, um Buchstaben zu erkennen, die passenden Laute zuzuordnen und das Sprachhörvermögen zu schulen.
Bei Kindern mit Sprachproblemen fiel der Effekt besonders groß aus – mehr als dreimal so stark wie bei Kindern ohne Beeinträchtigung.
„Gezielte Buchstaben- und Schreibübungen auf Papier waren der stärkste Prädiktor der frühen Lesefähigkeit – besonders für Kinder mit Sprech- oder Sprachbeeinträchtigung“, sagt Studienleiterin Lori Skibbe.
Vorlesen hilft nicht jedem Kind gleich
Gemeinsames Bücherlesen förderte das Lesenlernen nur bei Kindern ohne sprachliche Beeinträchtigung spürbar. Bei Kindern mit Sprech- oder Sprachstörungen reichte Vorlesen allein nicht aus – hier sind ergänzende Übungen mit Buchstaben entscheidend.
Ein möglicher Grund: Eltern vereinfachen beim Vorlesen für Kinder mit Beeinträchtigungen häufig die Sprache und stellen weniger komplexe Fragen, sodass der Wortschatz und das Lautbewusstsein nicht in gleichem Maß wachsen.
Lernspiele können sogar bremsen
Kinder, die viel Zeit mit Lese- oder Buchstabenspielen verbrachten – egal ob digital oder analog – schnitten in Lesetests schlechter ab. Viele Spiele setzen auf bunte Effekte, Geräusche und Ablenkung statt auf gezieltes Üben.
Oft fehlt auch der direkte, aktive Einsatz, wie er beim Schreiben mit Stift und Papier entsteht. „Lernspiele sollten andere häusliche Lernaktivitäten nicht ersetzen, da sie negativ mit den Lesefähigkeiten der Kinder korreliert sind“, warnt Skibbe.
Analog oder digital – die Unterschiede sind klar
Die Forscher teilten das häusliche Leseumfeld in drei Bereiche:
- Schriftübungen auf Papier – direkter Kontakt mit Buchstaben und Wörtern
- Gemeinsames Lesen – Vorlesen und über Geschichten sprechen
- Lernspiele – digitale Apps oder analoge Spiele
Während Familien ohne sprachlich beeinträchtigte Kinder häufiger auf Vorlesen und Papierübungen setzten, war der Einsatz von Lernspielen in beiden Gruppen ähnlich. Der messbare Lernerfolg zeigte sich jedoch vor allem bei den analogen Schriftübungen.
So lief die Untersuchung
Die Eltern gaben an, wie oft ihre Kinder im Alltag lese- oder schreibbezogene Aktivitäten umsetzten – vom Namen schreiben bis zum Vorlesen. Anschließend testeten die Forscher drei Kernfähigkeiten:
- Buchstaben erkennen
- Laute zuordnen
- Phonologische Bewusstheit (z. B. Wörter in Silben trennen oder Reime erkennen)
Ergebnis: Kinder mit regelmäßigen Papierübungen lagen in allen drei Bereichen vorn. Wer häufiger Lernspiele nutzte, erreichte schlechtere Werte – unabhängig vom Entwicklungsstand.
Praktische Tipps für Eltern
- Buchstaben im Alltag entdecken – etwa auf Straßenschildern, Verpackungen oder Speisekarten
- Den eigenen Namen oder kurze Wörter regelmäßig auf Papier schreiben
- Beim Vorlesen auf Wörter zeigen, Laute besprechen und Fragen stellen
- Digitale oder analoge Spiele nur ergänzend nutzen – nicht als Ersatz für gemeinsames Üben
- Kinder mit Sprach- oder Sprechstörungen noch häufiger gezielt mit Buchstaben und Lauten arbeiten lassen
Kurz zusammengefasst:
- Gezielte Übungen auf Papier wie Buchstaben- und Lauttraining fördern die Lese- und Schreibentwicklung von Kindern am stärksten, besonders bei Sprach- oder Sprechstörungen.
- Vorlesen unterstützt vor allem Kinder ohne Sprachstörung, während Kinder mit Beeinträchtigung davon kaum profitieren.
- Digitale und analoge Lernspiele stehen in Zusammenhang mit schwächeren Lese- und Schreibergebnissen und sollten nur ergänzend eingesetzt werden.
Übrigens: Verbringen Kleinkinder zu viel Zeit an Bildschirmen, kann sich dies auch negativ auf ihre Emotionen auswirken. Mehr dazu in unserem Artikel.
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