Neue Studie: Mindestlohnarbeit bringt überall mehr Einkommen als Bürgergeld
Vollzeitarbeit zum Mindestlohn bringt in ganz Deutschland deutlich mehr Einkommen als Bürgergeld – mit großen Unterschieden je Region.

Wer arbeitet, hat mehr im Portemonnaie – das zeigt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung. © DALL-E
Die Frage, ob sich Arbeit im Vergleich zum Bürgergeld finanziell lohnt, beantwortet eine neue Studie klar mit Ja. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Auswertung der Einkommen herausgefunden, dass Vollzeitarbeit zum Mindestlohn in allen Regionen Deutschlands spürbar mehr Geld ins Portemonnaie bringt als der Bezug von Bürgergeld. Der finanzielle Vorsprung gilt für Singles, Alleinerziehende und Familien – und das unabhängig davon, ob sie in einer Großstadt oder auf dem Land leben.
Job mit Mindestlohn zahlt sich mehr aus als Bürgergeld
WSI-Forscher Eric Seils führte für die Studie Modellrechnungen zu drei typischen Haushaltstypen durch. Grundlage waren aktuelle Regelsätze, Steuer- und Abgabewerte sowie die laufenden Kosten der Unterkunft aus der SGB-II-Statistik der Bundesagentur für Arbeit.
Die Beispiele veranschaulichen: Eine alleinstehende Person, die 38,19 Stunden pro Woche zum aktuellen Mindestlohn von 12,82 Euro arbeitet, verdient brutto 2.121,58 Euro im Monat. Nach Steuern und Sozialabgaben bleiben 1.546 Euro, mit Wohngeld liegt das verfügbare Einkommen bei 1.572 Euro. Im Bürgergeldbezug stehen einem vergleichbaren Single 1.015 Euro zur Verfügung. Der finanzielle Abstand: 557 Euro.
Lohnabstand wächst bei Alleinerziehenden
Noch deutlicher fällt der Unterschied bei Alleinerziehenden mit einem fünfjährigen Kind aus. Bei Vollzeitarbeit zum Mindestlohn ergibt sich nach Abgaben ein Nettoverdienst von 1.636 Euro. Mit Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss steigt das verfügbare Einkommen auf 2.532 Euro. Im Bürgergeldbezug sind es 1.783 Euro – ein Abstand von 749 Euro.
Für eine Familie mit zwei Kindern (5 und 14 Jahre) und einem Alleinverdiener liegt der Nettolohn bei 1.682 Euro. Zusammen mit Familienleistungen ergibt das 3.414 Euro. Im Bürgergeldsystem stehen der Familie 2.754 Euro zu, also 660 Euro weniger.
Die Rechenbeispiele in der Übersicht verdeutlichen den Vorteil von Lohnarbeit:

Zuschüsse und Regeln sichern klaren Einkommensvorteil
Die Studie zeigt somit: Der finanzielle Vorsprung entsteht durch gezielte staatliche Zuschüsse wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld. Diese sollen verhindern, dass erwerbstätige Haushalte trotz niedriger Löhne auf Grundsicherung angewiesen sind.
Auch die Hinzuverdienstregelungen im Sozialgesetzbuch II spielen eine Rolle. Sie sorgen dafür, dass Erwerbstätige im Bürgergeldbezug immer mehr Geld haben als ohne Arbeit. „Die Zahlen zeigen erneut, dass Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger weniger Geld haben als Erwerbstätige zum Mindestlohn – unabhängig vom Haushaltstyp und der Region“, sagt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.
Hohe Mieten verringern den Abstand
Regionale Unterschiede ergeben sich vor allem durch die Höhe der Mietkosten. Im Landkreis München, Dachau und der Stadt München liegt der Unterschied bei Singles zwischen 379 und 444 Euro. In Nordhausen und dem Vogtlandkreis beträgt er hingegen 652 bis 662 Euro.
Im bundesweiten Vergleich liegt der Lohnabstand im Osten inklusive Berlin mit durchschnittlich 570 Euro etwas höher als im Westen mit 549 Euro. Grund sind die geringeren Mietkosten im Osten, die zu niedrigeren Unterkunftsleistungen im Bürgergeld führen.
Debatte über Bürgergeld hält an
Laut Kohlrausch verfehlt die oft gehörte Behauptung, Bürgergeld lohne sich mehr als Arbeit, die Realität. „Diese Unterstellung ist sachlich falsch und stigmatisierend“, sagt sie. Statt auf eine Absenkung der Leistungen zu setzen, brauche es mehr Investitionen in Qualifizierung, bessere Kinderbetreuung und Entlastung bei Pflegeaufgaben.
Kohlrausch sieht vor allem bei den hohen Wohnkosten Handlungsbedarf: „In Regionen, in denen der Abstand geringer ist, liegt das an extrem hohen Mieten. Hier muss dringend bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden.“
Die Analyse beweist damit erneut: Wer Bürgergeld bezieht, muss in allen 400 untersuchten Landkreisen und Städten mit deutlich weniger Geld auskommen als Menschen, die arbeiten gehen.
Kurz zusammengefasst:
- Vollzeitarbeit zum Mindestlohn bringt in allen Regionen Deutschlands deutlich mehr verfügbares Einkommen als der Bezug von Bürgergeld – unabhängig von Haushaltstyp oder Wohnort.
- Der finanzielle Vorteil entsteht durch staatliche Leistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld sowie durch Hinzuverdienstregelungen im Sozialgesetzbuch II.
- Regionale Unterschiede beim Einkommensabstand hängen vor allem von den Mietkosten ab: In teuren Städten ist der Unterschied kleiner, in Regionen mit niedrigeren Mieten größer.
Übrigens: Armut breitet sich wieder stärker in Deutschland aus – und sie trifft manche Regionen und Gruppen besonders hart. Mehr dazu in unserem Artikel.
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