Gefährlicher Irrtum: Diese Probiotika können Infektionen nach Antibiotika verschärfen
Nicht alle Probiotika fördern die Darmgesundheit: Eine Studie zeigt große Unterschiede zwischen einzelnen Bakterienstämmen nach einem Antibiotika-Einsatz.

Die Wahl des falschen Probiotikums kann die Erholung der Darmflora verzögern und das Risiko für Infektionen erhöhen, besonders nach Antibiotikagabe. © Pexels
Viele vertrauen auf Probiotika, wenn der Darm aus dem Gleichgewicht geraten ist. Vor allem nach der Einnahme von Antibiotika greifen Millionen Menschen zu den kleinen Helfern – oft im festen Glauben, damit etwas Gutes für ihre Gesundheit zu tun. Doch eine neue Studie der North Carolina State University wirft Zweifel auf: Die Unterschiede zwischen einzelnen Probiotika sind größer als gedacht – und können im schlimmsten Fall sogar das Infektionsrisiko erhöhen.
Die Forscher testeten zwei weit verbreitete Probiotikastämme – Lactobacillus acidophilus und Lactobacillus gasseri – an Mäusen mit gestörter Darmflora nach einer Breitbandantibiotika-Behandlung. Die Wirkung der beiden Stämme fiel dabei völlig unterschiedlich aus.
Probiotika zeigen Unterschiede – nicht jeder Stamm ist hilfreich
L. acidophilus, ein häufig eingesetztes Probiotikum, verschlimmerte bei den Mäusen die Infektionen mit dem Bakterium Clostridioides difficile. Dieses gilt als häufiger Auslöser schwerer Durchfallerkrankungen nach Antibiotika. Bei den behandelten Tieren blieb die Infektion über Wochen bestehen und war deutlich stärker ausgeprägt als bei Mäusen, die keine Probiotika erhalten hatten.
„Wir wollten wissen, wie lange es dauert, bis die Resistenz gegen C. diff nach einer Antibiotikatherapie zurückkehrt – und welche Rolle kommerziell eingesetzte Probiotika dabei spielen“, erklärt Professorin Casey Theriot. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass L. acidophilus den natürlichen Schutz des Darms verzögern kann.
L. gasseri wirkt schnell – und indirekt
Anders verlief der Versuch mit L. gasseri. In dieser Gruppe war der gefährliche Krankheitserreger bereits zwei Wochen nach Behandlungsbeginn nicht mehr im Darm nachweisbar. Die Tiere erholten sich schneller, obwohl L. gasseri selbst nur vorübergehend im Darm blieb.
L. gasseri verhindert Infektionen nicht direkt. Er unterstützt die Erholung des Mikrobioms, indem er andere hilfreiche Bakterien fördert.
Rodolphe Barrangou, Studienautor
Seine Wirkung entfaltet der Stamm offenbar auf Umwegen. Er regt das Wachstum anderer nützlicher Bakterien an, insbesondere der Familie Muribaculaceae. Diese Mikroorganismen können bestimmte Zucker abbauen, die sonst das Wachstum von C. difficile fördern würden.
Wirkung bleibt – auch wenn der Stamm verschwunden ist
Obwohl L. gasseri den Darm nur kurzfristig besiedelt, kann seine Wirkung länger anhalten. Die Forscher sprechen vom „Mikrobiom-Narben-Effekt“. Damit ist gemeint, dass Probiotika auch dann noch Einfluss auf die Darmflora haben können, wenn sie selbst längst nicht mehr nachweisbar sind. Sie setzen Prozesse in Gang, die den Aufbau eines stabilen Gleichgewichts unterstützen. Diese langfristigen Effekte sollten bei der Auswahl eines Probiotikums bedacht werden.
Muribaculaceae als Hoffnung für neue Probiotika
Die Bakterienfamilie Muribaculaceae könnte künftig gezielter in neuen Präparaten eingesetzt werden. Sie vermehrte sich deutlich nach Gabe von L. gasseri und verdrängte dabei schädliche Keime. Forscher sehen in ihr einen aussichtsreichen Kandidaten für neue, gezielt wirkende Probiotika.
Die Erkenntnisse aus der Studie stellen frühere Empfehlungen in Frage, bei Durchfall einfach auf bekannte Produkte mit L. acidophilus zu setzen. Denn der Nutzen von Probiotika hängt stark davon ab, wie der Darm zuvor belastet wurde und welche Keime dominieren.
Kurz zusammengefasst:
- Nicht jedes Probiotikum wirkt gleich: Lactobacillus acidophilus kann die Erholung der Darmflora verzögern, während Lactobacillus gasseri das Gleichgewicht schneller wiederherstellt.
- Probiotika zeigen weitere Unterschiede: Je nach Bakterienstamm wirken sie ganz verschieden – manche helfen, andere erhöhen sogar das Infektionsrisiko.
- Gezielte Auswahl ist entscheidend: Nach einer Antibiotikabehandlung sollte man nur Probiotika einnehmen, deren Wirkung gut erforscht ist.
Übrigens: Manche Darmbakterien wirken nicht nur auf unsere Verdauung – sie beeinflussen auch Gefühle, Impulse und womöglich sogar kriminelles Verhalten. Mehr dazu in unserem Artikel.
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