Schutzschild aus Dreck ist weg – Saubere Luft in China treibt die globale Erwärmung an
Eine neue Studie zeigt: Der Rückgang der Luftverschmutzung in China verstärkt die Erderwärmung – durch den Wegfall kühlender Aerosole.

Dichter Smog über dem Tiananmen-Platz in Peking im Jahr 2006 – damals blockierten Industrieabgase noch einen großen Teil des Sonnenlichts. © Wikimedia
Rekordhitze in Europa, Extremwetter in den USA, ungewöhnlich warme Ozeane – die Erderwärmung nimmt Fahrt auf, und die Gründe überraschen selbst Experten. Eine neue Studie der University of California, Riverside (UCR) liefert eine paradoxe Antwort: Die saubere Luft in China heizt die globale Erwärmung an.
Seit rund 15 Jahren versucht das Land mit aller Kraft, die eigene Bevölkerung besser vor Smog zu schützen. Der Schwefeldioxid-Ausstoß ist seitdem um drei Viertel gesunken. Was kaum jemand ahnt: Diese Verbesserung der Luftqualität hat weltweit die Erderwärmung beschleunigt – vor allem in Regionen, die ohnehin besonders stark betroffen sind.
Saubere Luft treibt globale Erwärmung an: Chinas Kampf gegen den Smog verändert das Klima
Was gut für Gesundheit und Lebensqualität ist, kann dem Klima kurzfristig schaden. Denn Aerosole wie Schwefelpartikel wirken wie ein Schleier in der Atmosphäre: Sie reflektieren Sonnenstrahlen und kühlen so die Erde. Entfernt man sie, wird die volle Wucht des Treibhauseffekts spürbar.
Die wichtigsten Zahlen im Überblick:
- Seit 2010 hat sich die Erde pro Jahrzehnt um rund 0,25 °C erwärmt. In den Jahrzehnten davor lag der Anstieg bei durchschnittlich 0,18 °C.
- Laut Studie lässt sich rund 0,05 °C der zusätzlichen Erwärmung direkt auf den Rückgang von Schwefelemissionen in Ostasien zurückführen.
- Wäre die Luftverschmutzung geblieben wie zuvor, hätte die Erwärmung seit 2010 nur etwa 0,23 °C betragen. Tatsächlich lag sie bei 0,33 °C – also 0,1 °C mehr.
- Diese Differenz geht laut den Modellrechnungen größtenteils auf die saubere Luft über China zurück.
Gesundheit gewonnen, Kühlung verloren
China hat mit seinen Anti-Smog-Maßnahmen Millionen Menschenleben gerettet. Aber dabei auch einen ungewollten Effekt ausgelöst: Das Entfernen der schädlichen Partikel beseitigt auch einen kühlenden „Sonnenschirm“ über Asien und dem Nordpazifik. Die Region erwärmt sich nun schneller als zuvor.
„Die saubere Luft hat eine Art Schutzschild entfernt, der die volle Wirkung der Treibhausgase bisher teilweise verdeckt hat“, erklärt Klimaforscher Bjørn Samset. Und Robert Allen von der UCR ergänzt: „Ohne gleichzeitige CO2-Minderung verlieren wir einen Puffer gegen den Klimawandel.“
Albedo-Effekt: Wenn helle Wolken verschwinden, kommt die Hitze durch
Ein zentraler Punkt der Studie ist der sogenannte Albedo-Effekt – also das Rückstrahlvermögen der Erde. Helle Oberflächen, etwa Eis oder Wolken, reflektieren Sonnenlicht zurück ins All. Aerosole fördern die Bildung solcher Wolken. Verschwinden sie, verschwindet auch der Schutz.
Über dem Nordpazifik hat sich dieser Effekt messbar verändert. Wo früher dichte, helle Wolkendecken lagen, kommt heute mehr Sonnenlicht bis zur Meeresoberfläche. Die Folge: Der Ozean speichert mehr Wärme. Satellitendaten zeigen, dass diese Region heute deutlich weniger Strahlung reflektiert als noch vor zehn Jahren.
Die Modelle der Studie bestätigen das: Die Strahlungsbilanz der Erde – also die Netto-Energieaufnahme – ist um etwa 0,05 Watt pro Quadratmeter pro Jahrzehnt gestiegen. Ein kleiner Wert mit großer Wirkung.
Auswirkungen für den Alltag: Mehr Regen, mehr Hitze, mehr Extreme
Der Effekt zeigt sich nicht nur in den Zahlen. Die Studie verknüpft die Aerosolreduktion direkt mit einer Zunahme extremer Wetterereignisse – besonders in Ostasien und im Nordpazifik. In manchen Regionen Chinas stiegen die Temperaturen um bis zu 1 °C – lokal deutlich mehr als im globalen Mittel.
Zugleich beobachteten die Forscher:
- eine Zunahme der globalen Niederschläge um rund 0,3 Prozent,
- eine Verschiebung der Monsunmuster,
- stärkere Regenfälle an den Küsten Ostasiens,
- und eine zusätzliche Erwärmung in der Arktis – durch Luftströmungen, die von Asien bis zum Nordpol reichen.
Was nun? Politik muss doppelt handeln
Drei Viertel der Schwefelemissionen in Ostasien sind bereits eingespart. Der größte Teil des Erwärmungseffekts ist also schon eingetreten. Für die kommenden Jahre dürfte der Einfluss abnehmen – vorausgesetzt, andere Regionen reduzieren ihre Emissionen nicht auf ähnliche Weise ohne CO2-Einsparung.
Auch Indien, Nordamerika und Afrika beginnen gerade mit Luftreinhaltungsmaßnahmen. Die Studienautoren fordern deshalb: Luftqualität und Klimaschutz dürfen nicht getrennt gedacht werden.
Nur wenn Länder gleichzeitig Treibhausgase senken, lässt sich der kurzfristige Klimaeffekt der sauberen Luft abfedern. Ansonsten droht eine beschleunigte Erwärmung – genau in dem Moment, in dem die Welt versucht, sie zu bremsen.
Kurz zusammengefasst:
- Die starke Reduktion von Schwefeldioxid in China seit 2010 hat weltweit zu einem Temperaturanstieg von rund 0,05 °C pro Jahrzehnt geführt.
- Grund dafür ist der Wegfall von Aerosolen, die zuvor Sonnenlicht reflektierten und so die Erderwärmung teilweise begrenzten.
- Die Erwärmung zeigt sich besonders stark in Ostasien und dem Nordpazifik – mit Folgen für Wetter, Niederschläge und den globalen Energiehaushalt.
Übrigens: Klarere Luft über China bringt nicht nur mehr Sonnenstrahlung – sie könnte dem Land auch bis zu sechs Milliarden Dollar an Solarstromerträgen sichern. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © McKay Savage via Wikimedia unter CC BY 2.0