Von wegen Alpha-Männchen – Forscher finden bei Affen keine klare Geschlechter-Dominanz

Bei Primaten kommt es regelmäßig zu Kämpfen zwischen den Geschlechtern: Die „Alpha-Männchen“ verlieren dabei öfter als gedacht.

Studie an Primaten widerlegt den Mythos vom Alpha-Männchen

Es gibt nicht das eine Alpha-Männchen – in vielen Primatengruppen ist Macht Teamsache. © Pexels

Die Vorstellung vom Alpha-Männchen als natürlicher Anführer wankt – das beweisen unsere nächsten Verwandten. Eine internationale Forschungsgruppe untersuchte 121 Primatenarten mit insgesamt 253 Populationen und kam zu dem Ergebnis: In den meisten Gruppen ließ sich kein klares Machtgefälle zwischen Männchen und Weibchen erkennen.

Die Analyse basiert auf beobachteten Konflikten zwischen den Geschlechtern. In 151 dieser Populationen lagen detaillierte Daten vor:

  • Nur 25 Gruppen zeigten eine eindeutige männliche Dominanz.
  • Weibliche Dominanz wurde in 16 Gruppen festgestellt.
  • In rund 70 Prozent der Fälle waren die Machtverhältnisse ausgeglichen oder nur leicht ausgeprägt.

Das zeigt, dass Macht bei Primaten nicht vorwiegend bei den Männchen liegt und weiblich dominierte Arten wie Bonobos oder Ringelschwanzlemuren keine Ausnahmen sind. Dominanzbeziehungen bei Primatenarten sind stattdessen deutlich komplexer und variabler als bislang angenommen.

Konflikte zwischen den Geschlechtern sind die Regel

Fast jede zweite aggressive Auseinandersetzung fand zwischen Männchen und Weibchen statt. Damit widerlegt die Studie die Annahme, dass Konkurrenz hauptsächlich unter gleichgeschlechtlichen Tieren ausgetragen wird.

„In den meisten Populationen ist ein Individuum eher in einen Konflikt mit einem Tier des anderen Geschlechts verwickelt als mit einem des gleichen Geschlechts“, erklärt Dieter Lukas vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Für ihn zeigt sich hier, dass der Kampf der Geschlechter bei anderen Tieren üblich ist.

Neue Faktoren für weibliche Dominanz

Das Team testete fünf Erklärungsmodelle, um herauszufinden, wann Weibchen die Oberhand gewinnen. Weibliche Dominanz trat häufiger auf, wenn sie:

  • monogam lebten
  • ähnlich groß waren wie Männchen
  • bevorzugt in Bäumen nach Nahrung suchten

In solchen Situationen hatten Weibchen mehr Einfluss auf die Partnerwahl. Zudem stieg die Wahrscheinlichkeit weiblicher Dominanz, wenn die Weibchen ihre Jungtiere bei der Nahrungssuche absetzen konnten, anstatt sie ständig zu tragen. In diesen Situationen war das Risiko für den Nachwuchs bei Auseinandersetzungen geringer – ein wichtiger Faktor für die Konfliktbereitschaft.

Weibliche Macht zeigt sich weniger durch Gewalt

Die Studie zeigt, dass Weibchen ihre Position häufig durch soziale oder reproduktive Mittel festigen. Elise Huchard von der Universität Montpellier erklärt: „Während Primatenmännchen ihre Macht durch körperliche Gewalt und Zwang erlangen, beruht die Macht der Weibchen auf alternativen Wegen, wie etwa Fortpflanzungsstrategien, mit denen sie die Kontrolle über Paarungen erlangen.“

Männliche Dominanz hingegen überwiegt bei Arten, in denen Männchen deutlich größer sind, Waffen wie Eckzähne besitzen oder sich mit mehreren Weibchen paaren. Auch Arten mit bodenbewohnendem Lebensstil zeigten häufiger klare Machtverhältnisse zugunsten der Männchen.

Der Mensch passt nicht ins Muster

Die Veröffentlichung stellt damit auch traditionelle Annahmen über den Menschen infrage. Peter Kappeler vom Deutschen Primatenzentrum sagt:

Neuere Forschung hat begonnen, die traditionellen Ansichten von der männlichen Dominanz als Standard zu hinterfragen, und unsere Studie liefert nun eine umfassendere Untersuchung der Variation in intersexuellen Dominanzbeziehungen.

Menschen teilen viele Merkmale mit jenen Primatenarten, in denen weder das Männchen noch das Weibchen eindeutig dominiert. So fallen etwa Unterschiede in Körpergröße oder Paarungsverhalten weniger stark aus. Damit gerät die Annahme ins Wanken, männliche Vorherrschaft sei ein Naturprinzip.

Kurz zusammengefasst:

  • In den meisten Primatenarten gibt es kein klares Machtgefälle zwischen Männchen und Weibchen.
  • Weibchen setzen sich häufiger durch, wenn sie ähnlich groß wie Männchen sind, monogam leben oder auf Bäumen Nahrung suchen.
  • Die Studie stellt die verbreitete Vorstellung vom dominanten Alpha-Männchen als biologisches Grundprinzip infrage.

Übrigens: Auch der berühmte „Alpha-Wolf“ hat sich schon vor langer Zeit als Mythos entpuppt. Mehr dazu gibt es in diesem Artikel.

Bild: © Pexels

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