Wie schützt man Stromnetze vor Hackern? – Neues Handbuch zeigt, wo die größten Schwachstellen liegen
Hacker nutzen menschliche Schwächen, um Stromnetze lahmzulegen. Ein neues EU-Handbuch zeigt die größten Risiken und konkrete Ansätze.

Cyberangriffe auf Stromnetze nehmen zu – oft wegen fehlender Standards und unterschätzter Fehler im Alltag. Hacker nutzen genau diese Schwächen aus. © DALL-E
Ein falscher Klick auf eine Phishing-Mail – und plötzlich steht ein ganzer Windpark still. Die Digitalisierung macht den Energiesektor anfällig für Cyberangriffe. Riskant wird es vor allem in Systemen, in denen Menschen, Technik und Infrastruktur eng zusammenwirken – wie in modernen Stromnetzen. Ein neues Handbuch zeigt, wie man Fehler vermeidet und Stromnetze vor Hacker-Angriffen schützt.
Denn nicht nur große Konzerne, auch kleinere Stadtwerke, technische Betriebe und sogar Kommunen geraten zunehmend ins Visier von Cyberangriffen. Je stärker Stromversorgung, Daten und digitale Steuerung miteinander verknüpft sind, desto größer ist die Angriffsfläche.
Das EU-geförderte Projekt REDISET entwickelt dafür konkrete Hilfsmittel. Im Zentrum steht ein neues Handbuch der finnischen Universität Vaasa, das Energieunternehmen dabei unterstützt, Sicherheitslücken zu erkennen, Mitarbeiter zu schulen und neue EU-Vorgaben wie die Richtlinie NIS2 umzusetzen – mit klaren, praktischen Maßnahmen statt komplizierter Theorie.
Stromnetze anfällig für Angriffe – Wie alltägliche Routinen zum Einfallstor für Hacker werden
Viele IT-Sicherheitsprobleme entstehen nicht durch ausgeklügelte Angriffe, sondern durch ganz normale Betriebsabläufe. Unterschiedliche Standards, unklare Zuständigkeiten, fehlende Schulung – das sind laut dem Handbuch häufige Schwachstellen. Angreifer setzen gezielt auf menschliche Fehler: Unachtsamkeit beim Umgang mit E-Mails, veraltete Software oder ungeschützte Schnittstellen.
Technische Schutzmaßnahmen wie Firewalls oder Zugriffskontrollen helfen nur, wenn sie richtig eingesetzt und verstanden werden. Hier bietet das Handbuch Abhilfe: Es liefert verständliche Anleitungen, wie typische Fehlerquellen erkannt und entschärft werden können – nicht nur in der IT-Abteilung, sondern in allen Bereichen eines Unternehmens.

Klar strukturierte Hilfe – auch für kleinere Versorger ohne eigene IT
Besonders für kleinere Stadtwerke oder technische Betriebe ohne spezialisierte IT-Fachkräfte ist Cybersicherheit eine Herausforderung. Das REDISET-Handbuch bietet ihnen einen systematischen Einstieg:
- Welche Sicherheitsvorkehrungen sind Pflicht?
- Wo liegen typische Schwachstellen im Alltag?
- Wie lassen sich Mitarbeiter ohne Vorkenntnisse sensibilisieren?
Die Inhalte orientieren sich an realen Arbeitsabläufen und zeigen, wie bestehende Strukturen mit überschaubarem Aufwand abgesichert werden können – ohne dafür neue IT-Systeme aufbauen zu müssen.
Checklisten, Schulung und konkrete Maßnahmen statt Theorie
Das Handbuch enthält:
- Checklisten zur Risikoeinschätzung, etwa zur Erkennung von Phishing-Mails, zur Passwortsicherheit oder zur Reaktionsfähigkeit im Ernstfall
- Schulungsmaterial, das sich direkt in den Arbeitsalltag integrieren lässt – vom Betriebsleiter bis zum Außendienst
- Technische Empfehlungen, darunter verschlüsselte Kommunikation, automatisierte Updates und Protokolle für den Notfall
Diese Werkzeuge helfen Unternehmen dabei, Sicherheitslücken zu identifizieren – und gezielt zu schließen.
Warum Sicherheitskultur entscheidend ist – und wo viele unterschätzen, wie verwundbar sie sind
Viele Angriffe treffen sogenannte „socio-cyber-physical systems“ – also Systeme, in denen Menschen, digitale Technik und physische Infrastruktur eng miteinander verzahnt sind. Gerade hier entstehen gefährliche Lücken, wenn Sicherheitskultur, technische Ausstattung und Wissenstand nicht zusammenpassen. Das ist in vielen Organisationen der Fall: Laut REDISET zeigen sich deutliche Unterschiede im Umgang mit Cyberrisiken – zwischen Abteilungen, zwischen Standorten, aber auch zwischen Branchen.
Ein weiterer Schwachpunkt: Unternehmen verlassen sich oft zu sehr auf formale Vorgaben, während sie komplexe Sicherheitsprotokolle aus Zeitmangel oder Überforderung im Alltag ignorieren.
Individuelle Schwachstellen erkennen: Handbuch zeigt, wo es wirklich hapert
Um das zu ändern, enthält das Handbuch nicht nur technische Empfehlungen, sondern auch ein zentrales Werkzeug: die sogenannte „Social Manipulation Checklist“. Sie hilft dabei, den eigenen Wissensstand einzuschätzen – etwa beim Erkennen von Phishing-Versuchen, beim Umgang mit Sicherheitsvorfällen oder beim Verständnis für grundlegende IT-Regeln.
Die Ergebnisse zeigen auf, wo konkret Schulungsbedarf besteht und welche Kapitel des Handbuchs besonders wichtig sind. So wird aus einem allgemeinen Leitfaden ein individuell anpassbares Arbeitsinstrument – auch für Teams mit wenig Vorwissen.
Sicherheit ist eine Querschnittsaufgabe – nicht nur Sache der IT
Cybersicherheit im Energiesektor kann nicht auf einzelne Abteilungen abgeschoben werden. Denn ein erfolgreicher Angriff betrifft nicht nur Serverräume, sondern auch die Stromversorgung für Pflegeeinrichtungen, Verkehrsleitsysteme oder Wasserwerke. Deshalb richtet sich das Handbuch an alle Verantwortungsebenen – vom IT-Administrator bis zur Geschäftsführung.
Kurz zusammengefasst:
- Cyberangriffe auf Stromnetze häufen sich – auch weil viele Energieunternehmen uneinheitliche Sicherheitsstandards haben und menschliche Fehler als Einfallstor für Hacker oft unterschätzt werden.
- Ein neues Handbuch der Universität Vaasa gibt praktische Hilfestellung, wie Organisationen durch Schulungen, einfache Regeln und klare Zuständigkeiten ihre digitale Sicherheit verbessern können.
- Gute Cybersicherheit entsteht nicht nur durch Technik, sondern vor allem durch bewusstes Verhalten im Alltag – und das betrifft alle Mitarbeiter, nicht nur die IT-Abteilung.
Übrigens: Die Energiewende bringt nicht nur saubere Energie, sondern auch technische Risiken. Forscher der ETH Zürich wollen jetzt mit einer Softwarelösung verhindern, dass Windräder und Solarpanels das Stromnetz aus dem Takt bringen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E