Alzheimer trifft nicht alle gleich – Genanalyse zeigt Unterschiede nach Herkunft
Genetische Faktoren bei Alzheimer sind teils universell, teils herkunftsspezifisch. Diese neuen Daten verbessern die Chancen auf gezielte Behandlung.

Genetische Faktoren tragen weltweit zum Alzheimer-Risiko bei – je nach Herkunft wirken manche Gene stärker als andere. © DALL-E
Alzheimer ist eine Krankheit, die weltweit Millionen Menschen betrifft – doch das Risiko, daran zu erkranken, ist nicht überall gleich. Eine neue internationale Studie zeigt: Genetische Faktoren spielen bei Alzheimer eine entscheidende Rolle, wirken aber je nach Herkunft unterschiedlich stark. Forscher haben dazu genetische Daten aus Europa, Afrika, Asien, Nord- und Südamerika sowie Australien ausgewertet – mit überraschenden Ergebnissen.
Genetische Faktoren von Alzheimer wirken weltweit unterschiedlich
Im Zentrum steht das Konzept des „polygenen Risikoscores“ (PRS), der angibt, wie stark das Erbgut einer Person zur Entstehung einer Krankheit beiträgt. Für Alzheimer wurde dieser Wert erstmals umfassend über Ländergrenzen hinweg untersucht.
Das Ergebnis ist überraschend klar: Eine Gruppe von etwa 75 genetischen Veränderungen hat bei allen untersuchten Menschen einen ähnlichen Einfluss auf das Alzheimer-Risiko – egal, aus welchem Land sie stammen. Diese genetischen Faktoren könnten also weltweit als Grundlage für Vorbeugung und Therapie genutzt werden.
Anders sieht es beim sogenannten APOE-Gen aus. Es ist seit langem als wichtiger Risikofaktor für Alzheimer bekannt. Doch nun zeigt sich: Die Wirkung dieses Gens unterscheidet sich je nach Herkunft der Betroffenen stark. Während es in manchen Bevölkerungsgruppen ein hohes Risiko mit sich bringt, spielt es in anderen kaum eine Rolle. Warum das so ist, lässt sich bislang nicht eindeutig sagen. Die Forscher vermuten, dass noch unbekannte Genvarianten in der Nähe des APOE-Gens eine Rolle spielen.
„Unsere Forschungsarbeit verdeutlicht, dass die globale Gesundheit nur verbessert werden kann, wenn die Wissenschaft alle Menschen berücksichtigt und ihnen gleichermaßen dient, unabhängig von ihrer Herkunft“, erklärt Prof. Dr. Dr. Alfredo Ramirez von der Universität zu Köln.
Bessere Diagnose und Therapie für alle – unabhängig von der Herkunft
Diese Erkenntnisse sind ein Durchbruch für die sogenannte Präzisionsmedizin. Denn sie ermöglichen es, das Alzheimer-Risiko nicht nur individuell, sondern auch kulturell und genetisch besser einzuordnen. Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft ein anderes Risikoprofil aufweisen, könnten gezielter untersucht und behandelt werden.
Das ist besonders wichtig, weil viele frühere Studien fast ausschließlich europäische Teilnehmer untersucht haben. Ganze Bevölkerungsgruppen blieben so bisher unberücksichtigt – darunter Menschen aus Afrika, Lateinamerika oder Asien. Die neue Studie schließt diese Lücke und gibt Hoffnung auf gerechtere medizinische Versorgung.
Genanalyse soll helfen, Hochrisikopatienten früh zu erkennen
Für die Praxis hat das direkte Folgen: Ärzte könnten mit Hilfe des PRS schon früh erkennen, wer ein besonders hohes Risiko für Alzheimer hat – lange bevor erste Symptome auftreten. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Vorsorgeprogramme, Studien zur Krankheitsverzögerung und individuell angepasste Therapien.
Außerdem ist der PRS spezifisch für Alzheimer – er zeigt also nicht einfach eine allgemeine Neigung zu Demenz, sondern bezieht sich gezielt auf diese eine Erkrankung. Das macht die Analyse umso wertvoller für eine exakte medizinische Einordnung.
Forscher analysieren lange vernachlässigte Gruppen
Die Forscher engagieren sich besonders für Gruppen, die in der Vergangenheit kaum wissenschaftlich untersucht wurden. Ein Beispiel: lateinamerikanische Bevölkerungen. Seit mehr als acht Jahren begleitet das Team von Ramirez entsprechende Kohorten, um auch deren genetische Besonderheiten zu erfassen. Gerade bei diesen Gruppen zeigen sich besonders deutliche Unterschiede im Einfluss des APOE-Gens.
Die neue Genanalyse zeigt klar: Alzheimer betrifft alle – aber nicht alle auf die gleiche Weise. Wer in Zukunft wirklich wirksame Therapien und Präventionsstrategien entwickeln will, muss diese Unterschiede kennen und berücksichtigen. Nur so lassen sich Medikamente entwickeln, die für alle funktionieren – nicht nur für bestimmte Gruppen.
In einer Zeit, in der Einwanderung und Vielfalt zunehmend politisiert werden, unterstreicht diese Studie die Bedeutung integrativer Wissenschaft.
Prof. Dr. Dr. Alfredo Ramirez
Kurz zusammengefasst:
- Bestimmte genetische Faktoren erhöhen weltweit das Alzheimer-Risiko – etwa 75 Genvarianten wirken bei allen Menschen ähnlich.
- Das APOE-Gen beeinflusst das Risiko je nach Herkunft unterschiedlich stark und erfordert individuelle Bewertung.
- Die neue Genanalyse ermöglicht präzisere Diagnosen, gezielte Vorsorge und gerechtere Therapien für alle Bevölkerungsgruppen.
Übrigens: Nicht nur Gene beeinflussen das Alzheimer-Risiko – auch die Ernährung spielt eine entscheidende Rolle. Eine neue Studie zeigt: Wer sich an die MIND-Diät hält, kann das Risiko selbst bei späterem Einstieg deutlich senken. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E