Agrarwende per Algorithmus – KI entschlüsselt erstmals Pflanzen-DNA

KI-Modelle entschlüsseln erstmals die genetische Sprache von Pflanzen und könnten Züchtung, Artenvielfalt und Ernährungssicherheit deutlich verbessern.

KI in der Pflanzenforschung: So wird Pflanzen-DNA entschlüsselt

Forscher der Hainan University nutzen KI-Modelle, um Pflanzengenome zu analysieren und gezielt neue, widerstandsfähige Sorten zu entwickeln. © DALL-E

Durch den Einsatz von KI in der Pflanzenforschung gelingt es erstmals, die genetische Sprache von Pflanzen gezielt zu entschlüsseln – ein Fortschritt, der die Landwirtschaft grundlegend verändern könnte. Große Sprachmodelle, sogenannte LLMs, analysieren dabei pflanzliche DNA ähnlich wie Sätze in der menschlichen Sprache. Die Forscher vergleichen das mit dem Lesen eines Codes, der verrät, welche Gene für Wachstum, Widerstandskraft oder Blüte verantwortlich sind.

Die Hoffnung dahinter ist groß: Wenn klar ist, wie einzelne Gene in Blättern, Wurzeln oder Samen wirken, lassen sich gezielter neue, robuste und ertragreiche Sorten züchten. Genau hier setzt die neue Studie der Hainan University an. Das Team beschreibt, wie moderne KI die Pflanzenforschung auf ein neues Niveau heben könnte – durch die Kombination aus leistungsstarker Rechenleistung, Millionen DNA-Daten und lernfähigen Algorithmen.

KI für Pflanzenforschung entschlüsselt Genfunktionen schnell und präzise

Im Zentrum der Studie stehen gleich mehrere KI-Modelle: darunter DNABERT, DNAGPT, ENBED, FloraBERT und AgroNT. Jedes davon verfolgt eine etwas andere Strategie, doch das Ziel bleibt gleich – herausfinden, was im Inneren einer Pflanze wirklich passiert. Die Modelle lernen dabei aus Genomdaten, die wie Sätze aufgebaut sind. Statt Subjekt, Verb, Objekt enthalten sie Basenpaare, Sequenzen und regulatorische Elemente.

Was früher Monate oder sogar Jahre gedauert hätte, läuft jetzt automatisiert: Die KI erkennt, welche Gene wofür zuständig sind – zum Beispiel für Krankheitsresistenz, Wurzelwachstum oder Blühverhalten. Und das nicht nur auf Basis von bereits bekannten Daten. Auch neue Kombinationen und Muster, die für den Menschen zu komplex wären, werden erkannt und eingeordnet.

Modelle funktionieren besser mit echten Pflanzendaten

Ein zentrales Problem bisheriger Modelle: Sie wurden vor allem mit tierischen oder mikrobiellen Daten trainiert. Das funktioniert nur eingeschränkt, wenn es um Pflanzen geht. Viele wichtige Details gehen dabei verloren – vor allem bei Arten, die bisher wenig erforscht sind. Die tropischen Nutzpflanzen etwa, auf die Millionen Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika angewiesen sind, kommen in den großen Genomdatenbanken bislang kaum vor.

Das Forschungsteam der Hainan University hat deshalb spezielle Modelle entwickelt, die genau auf diese Pflanzen zugeschnitten sind. FloraBERT etwa wurde gezielt mit tropischen Pflanzensequenzen trainiert.

Neue KI-Modelle fördern Artenvielfalt und Züchtung zugleich

Doch die Modelle können mehr als nur Gene identifizieren. Sie helfen auch dabei, herauszufinden, wie sich Gene in unterschiedlichen Pflanzenteilen verhalten – ob sie zum Beispiel nur in der Wurzel aktiv sind oder auch in der Blüte. Das erlaubt deutlich präzisere Vorhersagen über die Wirkung von Mutationen oder Züchtungsschritten.

Gleichzeitig wird der Artenschutz gestärkt. Denn mithilfe der KI lassen sich auch seltene Pflanzenarten analysieren, ohne sie im Labor züchten oder kreuzen zu müssen. „Diese Modelle ebnen den Weg für Innovationen in Landwirtschaft, Artenschutz und Biotechnologie“, heißt es in der Studie.

Besonders Regionen, die vom Klimawandel bedroht sind, könnten davon profitieren – wenn gezielt Pflanzen entwickelt werden, die auch mit Hitze, Überschwemmung oder schlechter Bodenqualität zurechtkommen.

KI macht Landwirtschaft robuster gegen Krisen

Auch für die Versorgung in Deutschland kann das langfristig wichtig werden. Denn selbst wenn viele Produkte importiert werden, hängen Marktpreise, Qualität und Verfügbarkeit stark vom globalen Anbau ab. Wenn Ernten in Indien oder Südamerika durch Dürren ausfallen, steigen die Preise auch im Supermarkt hierzulande.

Ein weiterer Vorteil: Die Züchtung neuer Sorten lässt sich beschleunigen. Statt über Generationen Pflanzen zu kreuzen und zu beobachten, können Forscher gezielt Gene aktivieren oder blockieren. Die KI zeigt, welche Kombinationen am vielversprechendsten sind – ein enormer Zeitgewinn, besonders bei schnelllebigen Bedrohungen wie neuen Schädlingen oder Pflanzenkrankheiten.

Ein Ziel der nächsten Jahre: Die KI-Modelle sollen nicht nur auf DNA-Daten zurückgreifen, sondern auch weitere sogenannte Omics-Daten integrieren. Dazu zählen Informationen über Proteine, Stoffwechselprozesse oder Umwelteinflüsse. Wenn das gelingt, könnten die Vorhersagen noch verlässlicher werden und sich in der Praxis schneller umsetzen lassen.

Kurz zusammengefasst:

  • Künstliche Intelligenz kann heute die Erbanlagen von Pflanzen lesen – sogenannte Sprachmodelle erkennen, welche Gene zum Beispiel für Blätter, Wurzeln oder Krankheiten wichtig sind, und machen die Züchtung neuer Sorten einfacher und schneller.
  • Die Hainan University hat spezielle Modelle entwickelt, die mit echten Pflanzendaten trainiert wurden – besonders tropische Pflanzen profitieren davon, weil sie bisher in der Forschung kaum berücksichtigt wurden.
  • Dank moderner KI in der Pflanzenforschung lassen sich Pflanzen besser verstehen, gezielt züchten und an den Klimawandel anpassen – das stärkt langfristig auch die Ernährungssicherheit in Deutschland

Übrigens: Nicht nur KI-Modelle verändern die Pflanzenforschung – auch ein neu entdecktes Zuckersignal bringt Bewegung ins Feld: Ganz ohne Gentechnik steigert es den Weizenertrag um bis zu 12 Prozent, selbst bei Trockenheit. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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