Kettenroboter ohne Sensoren: Forscher entwickeln Schwarmroboter der nächsten Generation
Forscher entwickeln Schwarmroboter aus Kettenmodulen, die ohne Sensoren, Steuerung oder Software komplexe Aufgaben bewältigen.

Ein V-förmiger Schwarmroboter: Einzelne Mini-Bots greifen ineinander wie Glieder einer Kette – und bewegen sich gemeinsam wie ein lebender Organismus. © Seoul National University College of Engineering
Was wäre, wenn Maschinen komplexe Aufgaben lösen könnten, ohne je programmiert worden zu sein? Ohne Kamera, Chip oder Fernsteuerung – und trotzdem präzise zusammenarbeiten? Genau das ist jetzt gelungen. Ein internationales Forschungsteam hat neuartige Schwarmroboter in Form von Mini-Roboterketten entwickelt, die sich bewegen, transportieren, navigieren – und das ganz ohne Technik im herkömmlichen Sinn.
Die winzigen Roboter arbeiten als Schwarm. Doch statt mit Hightech-Ausrüstung sind sie nur über einfache Gelenke miteinander verbunden. Sie nutzen mechanische Bewegung, um sich durch enge Gänge zu schlängeln oder Hindernisse zu umkreisen – eine Art Maschinen-Instinkt.
Schwarmroboter bewegen sich wie von selbst – ohne Hirn und ohne Chef
Einzeln sind die Bots kaum mehr als vibrierende Plastikzylinder: 1,5 Zentimeter im Durchmesser, sieben Beine, keine Elektronik. Auf einer vibrierenden Platte, 45 Zentimeter im Durchmesser, erreichen sie eine Geschwindigkeit von acht Zentimetern pro Sekunde – nicht viel, aber ausreichend für das, was folgt.
Sobald mehrere davon wie Glieder aneinandergekoppelt werden, passiert Erstaunliches: Die Ketten können plötzlich kriechen, rotieren, stoppen – alles, ohne dass jemand sie steuert. Der entscheidende Faktor ist die Geometrie der Verbindungen.
Bewegungen erinnern an Tiere – und sind präzise steuerbar
Die Forscher nennen es „breathing“ und „flapping“ – Atmen und Schlagen. Das ist keine Metapher: Die Ketten öffnen sich rhythmisch, oder ihre Arme schlagen seitlich aus, wie Tentakel. Je nach Winkel der Gelenke bewegen sie sich dabei geradlinig, pendelnd oder bleiben an Ort und Stelle.
„Der Link-Bot verfügt über zwei dynamische Konfigurationsmodi, die sich aus den Zwängen ergeben, die durch die beiden Link-Typen auferlegt werden: Atmen und Flattern“, heißt es in der Studie. Eine Steuerung, wie man sie kennt, braucht es nicht.
Die Roboterketten können transportieren, blockieren und ausweichen
Das System ist nicht nur beweglich, sondern auch anpassungsfähig. Die Kettenroboter schaffen es, durch engste Spalten zu gleiten, Öffnungen zu versperren oder Gegenstände mitzunehmen. Sie verändern ihre Form je nach Aufgabe – und passen sich flexibel an.
Besonders spannend: Die Roboter funktionieren selbst in chaotischer Umgebung. Auch auf unebenen Flächen, bei unklarer Orientierung oder fehlender Sicht können sie gemeinsam Aufgaben erledigen.
Kein Prozessor, keine Sensoren – nur clevere Mechanik
Während klassische Schwarmroboter auf Funk, GPS oder Kameras setzen, verzichten diese Mini-Ketten völlig auf digitale Technik. Die „Intelligenz“ liegt in der Struktur: Welche Bewegung entsteht, hängt allein davon ab, wie die einzelnen Bots angeordnet sind.
„Die Vielseitigkeit des Link-Bots zeigt sich in seiner Fähigkeit, mehrere gegensätzliche Funktionen zu erfüllen: Beibehaltung oder Änderung der Richtung in unwegsamem Gelände, Eindringen in oder Blockieren von engen Räumen.“ schreiben die Entwickler. Die Stärke liegt nicht in Rechenleistung, sondern im Zusammenspiel der Teile.
Warum das relevant ist – gerade für Krisen, Katastrophen, Katastrophenschutz
Wenn Technik weniger anfällig ist, wird sie wertvoller – gerade in Notlagen. Bei einem Erdbeben zum Beispiel könnten solche Roboterketten durch Trümmer kriechen, kleine Werkzeuge oder Sensoren transportieren oder Engstellen blockieren, um weitere Schäden zu verhindern.
Sie brauchen kaum Energie, sind billig herzustellen und robust gegen äußere Einflüsse. Das macht sie ideal für gefährliche, chaotische oder schwer zugängliche Einsatzorte – überall dort, wo teure Drohnen oder empfindliche Roboter versagen könnten.
Simulationen zeigen, was alles denkbar ist
Die Forscher haben ihre Systeme nicht nur getestet, sondern auch simuliert. In einem Modell können sie vorab berechnen, wie sich eine bestimmte Roboterkette mit definierter Form verhalten wird. Das spart Zeit und Material – und erlaubt immer neue Anwendungen.
„Die mittleren und seitlichen Glieder haben immer die gleiche Länge von 1,6 Zentimetern, obwohl ihre Winkel unterschiedlich sein können“, heißt es in der Forschungsarbeit. Es sind kleine Änderungen mit großer Wirkung – mechanische Feinabstimmungen, die das Verhalten der ganzen Gruppe verändern.
Kurz zusammengefasst:
- Schwarmroboter aus einfach verknüpften Mini-Bots können sich ohne Sensoren, Prozessoren oder zentrale Steuerung selbstständig fortbewegen und zusammenarbeiten.
- Ihre Bewegungen entstehen allein durch mechanische Verbindungen – je nach Winkel „atmen“ oder „schlagen“ sie, um zu navigieren, transportieren oder blockieren.
- Die energieeffizienten Kettenroboter sind robust, günstig und vielseitig einsetzbar – etwa in Katastrophengebieten oder unübersichtlichem Gelände.
Übrigens: Während neue Schwarmroboter ganz ohne Sensoren auskommen, lösen sich andere Roboter einfach selbst auf – komplett rückstandsfrei. Wie biobasierte Soft-Roboter aus Gelatine und Zellulose funktionieren und warum sie die Medizin verändern könnten – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Seoul National University College of Engineering