Schwarzes Loch bricht alle Regeln – Stern wird zu glühenden Spaghetti-Fäden

Ein wanderndes Schwarzes Loch zerreißt einen Stern – erstmals fern vom Galaxiekern. Hubble hielt das spektakuläre Ereignis fest.

Schwarzes Loch zerreißt Stern zu glühenden Spaghetti-Fäden

Hubble beobachtet neues Gezeitenstörungsereignis in 600 Millionen Lichtjahren Entfernung, bei dem ein Schwarzes Loch einen Stern zerreißt. © NASA, ESA, STScI, Yuhan Yao (UC Berkeley); Image Processing: Joseph DePasquale (STScI)

Ein einzelner Lichtblitz im All genügte, um die Aufmerksamkeit von Astronomen weltweit zu fesseln: 600 Millionen Lichtjahre entfernt, in einer fernen Galaxie, hat ein Schwarzes Loch einen Stern verschlungen. Was sich wie ein kosmischer Albtraum anhört, ist für Forscher ein seltener Glücksfall. Denn dieser „Sternenfraß“ fand nicht wie üblich im Zentrum einer Galaxie statt – sondern weit davon entfernt.

Das Ereignis trägt den nüchternen Namen AT2024tvd. Dahinter verbirgt sich ein echter Ausnahmefall. Ein supermassereiches Schwarzes Loch, etwa eine Million Mal so schwer wie unsere Sonne, hat sich weit vom galaktischen Zentrum entfernt und einen vorbeiziehenden Stern zerrissen.

Schwarzes Loch verschlingt Stern und spaghettifiziert ihn außerhalb des Galaxiekerns

Was hier geschah, bezeichnen Fachleute als Spaghettifizierung – ein bildhafter Begriff für den Moment, in dem ein Stern einem Schwarzen Loch zu nahe kommt und durch dessen extreme Gravitationskräfte in die Länge gezogen wird, ähnlich wie ein Stück Teig. Diese gewaltige Verzerrung entsteht durch sogenannte Gezeitenkräfte, die auf der dem Schwarzen Loch zugewandten Seite stärker wirken als auf der abgewandten. Das beobachtete Phänomen ist ein sogenanntes TDE (Tidal Disruption Event), ein Gezeitenzerstörungsereignis, bei dem der Stern letztlich zerrissen und teils verschluckt, teils ins All geschleudert wird.

Ein Teil der Sternmaterie stürzt ins Schwarze Loch, der Rest wird als glühende Trümmerwolke ins All katapultiert. Dabei entsteht ein greller Lichtblitz, der sogar andere Galaxien überstrahlen kann. Genau dieser Ausbruch hat die Astronomen auf das Ereignis aufmerksam gemacht.

In sechs Schritten: Schwarzes Loch treibt durch die Galaxie, erfasst einen Stern, spaghettifiziert ihn, bildet eine Scheibe, strahlt Energie aus – fern vom Zentrum. © NASA, ESA, STScI, Ralf Crawford (STScI)
In sechs Schritten: Schwarzes Loch treibt durch die Galaxie, erfasst einen Stern, spaghettifiziert ihn, bildet eine Scheibe, strahlt Energie aus – fern vom Zentrum. © NASA, ESA, STScI, Ralf Crawford (STScI)

Lichtblitz verrät das verborgene Schwarze Loch

Registriert wurde das Ereignis zuerst von bodengestützten Teleskopen, darunter das Zwicky Transient Facility am Palomar-Observatorium in Kalifornien. Doch erst mithilfe des Hubble-Teleskops der NASA konnten Forscher erkennen, wie ungewöhnlich dieser Fund war. Das Schwarze Loch saß nämlich nicht im Zentrum seiner Galaxie – sondern 2.600 Lichtjahre davon entfernt. Im kosmischen Maßstab ist das eine überraschend große Abweichung.

„AT2024tvd ist das erste versetzte TDE, das von optischen Himmelsdurchmusterungen erfasst wurde“, sagt die leitende Forscherin Yuhan Yao von der University of California in Berkeley. Sie hofft nun, mit dieser Methode künftig weitere dieser wandernden Schwarzen Löcher zu entdecken – eine bislang kaum erforschte Klasse von Objekten.

Die Entdeckung hilft auch uns – trotz riesiger Entfernung

Warum das für uns relevant ist? Solche Gezeitenstörungen zeigen, wo sich versteckte Schwarze Löcher in Galaxien befinden – auch in unserer eigenen Milchstraße. Einige dieser Riesen könnten in vergleichbarer Entfernung wie AT2024tvd unterwegs sein. Theoretisch auch näher. Wenn sie einen Stern verschlingen, senden sie Strahlung aus, die wir mit unseren Teleskopen messen können. Das macht sie auffindbar – und berechenbar.

Und: Ein wanderndes Schwarzes Loch kann entstehen, wenn sich zwei oder mehr Schwarze Löcher begegnen. In solchen Drei-Körper-Konstellationen wird oft eines davon aus dem Zentrum geschleudert – und irrt fortan durch die Galaxie. Laut den Forschern könnte auch ein früherer Galaxien-Zusammenstoß dafür verantwortlich sein. „Die Anwesenheit eines zweiten Schwarzen Lochs in AT2024tvd’s Galaxie bedeutet, dass dort irgendwann ein Zusammenschluss stattgefunden haben muss“, erklärt Mitautorin Erica Hammerstein.

Teleskope der Zukunft sollen weitere Fälle aufspüren

Bisher kannten Forscher etwa 100 dieser sogenannten TDEs – aber alle traten in den Zentren von Galaxien auf. Dass ein Schwarzes Loch wie dieses seinen Ursprungsort verlassen hat, gibt einen völlig neuen Einblick in die Dynamik des Universums. Vor allem aber öffnet es die Tür zu weiteren Entdeckungen: Neue Teleskope wie das Vera C. Rubin Observatory oder das Nancy Grace Roman Space Telescope sollen in den kommenden Jahren auf solche kurzen, aber auffälligen Ereignisse spezialisiert sein.

Kurz zusammengefasst:

  • Ein supermassereiches Schwarzes Loch hat einen Stern in 600 Millionen Lichtjahren Entfernung durch eine Gezeitenstörung zerrissen.
  • Dabei wurde der Stern durch extreme Gravitationskräfte zu langen Fäden gedehnt – ein Vorgang, den Forscher „Spaghettifizierung“ nennen.
  • Besonders ungewöhnlich: Das Schwarze Loch befindet sich weit abseits des Galaxiezentrums und liefert neue Hinweise auf wandernde Schwarze Löcher.

Übrigens: Während Hubble die Spaghettifizierung fernab vom Galaxiekern zeigt, beobachteten Forscher erstmals den „Todessturz“ in ein Schwarzes Loch – ein direkter Beweis für Einsteins Theorie. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © NASA, ESA, STScI, Yuhan Yao (UC Berkeley)

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