Enormes Potenzial für saubere Energie – In den Alpen schlummern womöglich riesige Mengen an Wasserstoff

Unter den Alpen und anderen Gebirgszügen könnten sich riesige Mengen an Wasserstoff verbergen – ein sauberer Energielieferant.

Gerade die Alpen gehören zu einem Typ von Gebirgen, unter denen sich besonders viel natürlicher Wasserstoff bilden könnte. © Unsplash

Gerade die Alpen gehören zu einem Typ von Gebirgen, unter denen sich besonders viel natürlicher Wasserstoff bilden könnte. © Unsplash

Wissenschaftler vermuten, dass unter bestimmten Gebirgen wie den Alpen große Mengen an Wasserstoff ganz natürlich entstehen – und damit eine vielversprechende Quelle für saubere Energie liefern. Der Schlüssel dafür liegt tief im Erdinneren verborgen: Dort, wo sich Mantelgestein mit Wasser verbindet und Temperaturen zwischen 200 und 350 Grad Celsius vorherrschen.

In diesen Regionen findet die Serpentinisierung statt – eine chemische Reaktion, bei der Wasserstoff freigesetzt wird. Solche Bedingungen finden sich besonders in Gebirgen, die aus umgekehrten Grabenbrüchen entstanden sind. Geologen sprechen daher von Rift-Inversion-Orogenen. Diese Strukturen könnten für die künftige Wasserstoffgewinnung wichtiger sein als bisher angenommen.

Inversion erzeugt deutlich mehr Wasserstoff als Rifting

Das internationale Forscherteam vollzog die Studie unter der Leitung von Frank Zwaan vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung. Die Modelle der Forscher zeigen: Während des Riftings – dem Auseinanderziehen der Erdkruste – entstehen im Schnitt etwa 5 Milliarden Kilogramm serpentinisierter Gesteinsmasse pro Kilometer und Jahr. Das entspricht etwa 1,5 × 10⁸ Mol (eine Basisgröße für die Teilchenzahl) Wasserstoff pro Jahr und Kilometer. In der Inversionsphase (vom lateinischen „inversio“, was „Umkehrung“ bedeutet) steigt die Menge auf bis zu 1 × 10¹¹ Kilogramm und 3 × 10¹⁰ Mol – also das Zwanzigfache.

Unterschiedliche Gebirgsformen, unterschiedliche Potenziale

Die Forscher unterscheiden dabei drei typische Strukturen solcher Gebirge: 

  • Stil I – wie im Atlasgebirge – bringt nur wenig Mantelmaterial an die Oberfläche.
  • Bei Stil II, wie in den Pyrenäen oder Alpen, wird Mantelgestein seitlich aufgeschoben und bleibt teils erhalten.
  • In Stil III, etwa im Golf von Biskaya, treten große Mengen Mantelgestein zutage.

Je nach Modell liegt die freigelegte Mantelfläche zwischen 1 × 10⁹ und 7 × 10⁹ Quadratmetern. Die Wissenschaftler nutzten das Simulationsprogramm ASPECT in Kombination mit dem Erosionsmodell FastScape, um diese Entwicklungen nachzubilden und das Wasserstoffpotenzial zu berechnen.

Je nach Ausmaß des Riftings und der Inversion treten unterschiedliche Mengen an natürlichem H2 auf (Quelle: Research Square)
Je nach Ausmaß des Riftings und der Inversion treten unterschiedliche Mengen an natürlichem Wasserstoff (H2) auf. © Research Square

Pyrenäen, Westalpen und Kaukasus sind besonders interessant

In den Pyrenäen wurde unter dem Mauléon-Becken ein Mantelblock entdeckt, aus dem offenbar heute noch Wasserstoff austritt. Auch in den Westalpen – insbesondere auf der italienischen Seite – fanden Forscher erhöhte H2-Werte im Boden. Ein Bohrloch aus sowjetischer Zeit im Kaukasus förderte über Monate hinweg natürlichen Wasserstoff zu Tage.

Laut den Forschern kommen auch in Regionen wie den Dinariden, auf der Balkanhalbinsel und in den Betischen Kordilleren ophiolithisches Gestein vor – also ehemalige Meereskruste mit Mantelanteilen. Auch hier könnten natürliche Reaktionen zur Freisetzung von Wasserstoff führen.

Ohne Brüche im Gestein kein Wasserstoff

Damit Mantelgestein überhaupt Wasserstoff abgeben kann, muss es Risse und Bruchzonen geben. Nur durch diese kann Wasser eindringen und die chemische Reaktion starten. In geologisch ruhigen Phasen – etwa nach dem Rifting – fehlt diese Bewegung, die Reaktion kommt zum Erliegen.

Die Ergebnisse liefern laut Autorenteam einen klaren Anreiz, sich bei der Erkundung nicht auf Grabenbrüche, sondern auf deren spätere Umformung zu konzentrieren: „Unsere Modellergebnisse liefern somit einen grundlegenden Anreiz, Rift-Inversion-Gebirge in den Fokus der natürlichen Wasserstoffsuche zu rücken.“

Sedimente speichern das Gas unter der Erde

Für eine mögliche Förderung braucht es nicht nur eine Quelle, sondern auch ein Reservoir. Laut den Autoren können darüberliegende Sedimente als Speicher und Abdichtung dienen – ähnlich wie bei Erdöl. Ideal seien Temperaturen zwischen 100 und 200 Grad Celsius, bei denen Mikroorganismen den Wasserstoff nicht zersetzen.

So könnte der Abbau von natürlichem Wasserstoff ablaufen. © ResearchSquare
So könnte der Abbau von natürlichem Wasserstoff ablaufen. © ResearchSquare

Natürlicher Wasserstoff könnte laut der Studie eine hervorragende Quelle für saubere Energie darstellen, die bis vor Kurzem weitgehend übersehen wurde.

Kurz zusammengefasst:

  • Unter bestimmten Gebirgen wie den Alpen entsteht Wasserstoff auf natürliche Weise durch die Reaktion von Mantelgestein mit Wasser bei Temperaturen zwischen 200 und 350 Grad Celsius.
  • Während der Gebirgsbildung – der sogenannten Inversion – ist die Wasserstofferzeugung bis zu 20-mal höher als in der früheren Rifting-Phase.
  • Regionen wie die Pyrenäen, die Westalpen und der Kaukasus gelten wegen ihres geologischen Aufbaus als besonders geeignete Orte für natürliche Wasserstoffvorkommen.

Übrigens: Weißer, also natürlich vorkommender, Wasserstoff tief in der Erdkruste könnte doppelt so viel Energie liefern wie Erdgas. Das unterschätzte Naturgas bietet riesiges Potenzial für die Klimawende – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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