Weltweite Eskalation: Amnesty International sieht Menschenrechte in akuter Gefahr

Amnesty International dokumentiert zahlreiche Menschenrechtsverletzungen weltweit. Kriege, Klimakrise und Unterdrückung spitzen sich dramatisch zu.

Amnesty International bezeichnet die Kriegshandlungen im Gazastreifen als Völkermord – Frieden für die Zivilbevölkerung ist noch lange nicht in Sicht. © Unsplash

Amnesty International bezeichnet die Kriegshandlungen im Gazastreifen als Völkermord – Frieden für die Zivilbevölkerung ist noch lange nicht in Sicht. © Unsplash

Menschenrechte – einst ein weltweites Versprechen – geraten heute so stark unter Beschuss wie lange nicht mehr. Der neue Amnesty International Report 2024/25 zeigt eindrücklich, wie autoritäre Regierungen, eskalierende Kriege und soziale Ungleichheiten die Grundlagen von Freiheit, Würde und Gerechtigkeit bedrohen. Auf 408 Seiten dokumentiert Amnesty International Menschenrechtsverletzungen in 150 Ländern – und zeichnet das Bild einer Welt am Scheideweg.

„Wir erleben einen epochalen Bruch: Rechtsstaat, Völkerrecht und Menschenrechtsschutz werden von einer Vielzahl von Staaten missachtet und angegriffen“, sagt Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland. Menschenrechtsverletzungen werden nicht mehr geleugnet oder vertuscht, sondern „ausdrücklich gerechtfertigt“.

Menschenrechte unter Beschuss

Eine zentrale Rolle im Amnesty International Report 2024/25 spielt US-Präsident Donald Trump. Seit seiner Rückkehr ins Amt 2025 untergräbt er internationale Institutionen, die den Schutz der Menschenrechte sichern sollen. Amnesty International berichtet, dass Trumps Regierung Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN) oder den Internationalen Strafgerichtshof als Bedrohung der nationalen Souveränität betrachtet. Um seine innenpolitischen Ziele durchzusetzen, attackiert er bewusst Systeme, die globale Regeln und Menschenrechtsschutz sichern. Nadia Daar von Amnesty International USA kommentiert dazu:

In den ersten 100 Tagen hat die Regierung von Präsident Trump rücksichtslos den Menschenrechtsschutz ausgehöhlt, dabei Milliarden Menschen gefährdet und mit seiner Umarmung autoritärer Praktiken gefährliche Präzedenzfälle geschaffen.

Nadia Daar von Amnesty International USA

Amnesty sieht in Trumps Vorgehen auch eine weltweite Signalwirkung: Seine Angriffe auf internationale Zusammenarbeit und Minderheitenrechte bestärkten autoritäre Regierungen darin, ihre eigenen repressiven Maßnahmen auszubauen, denn weltweit nehmen Staaten autoritäre Gesetze an, beschneiden die Meinungsfreiheit und kriminalisieren zivilgesellschaftliches Engagement. Besonders drastisch ist die Lage in Russland, wo Oppositionsführer Alexej Nawalny 2024 unter ungeklärten Umständen in Haft starb.

Völkermord und Kriegsverbrechen

Ein zentrales Thema im Amnesty International Report 2024/25 ist die dramatische Eskalation der Gewalt in bewaffneten Konflikten. Besonders erschütternd sind die Ereignisse im Gazastreifen. Nach den verheerenden Angriffen der Hamas auf israelische Zivilisten im Oktober 2023 begann Israel eine massive militärische Offensive. Häuser, Krankenhäuser und Schulen wurden bombardiert, ganze Familien ausgelöscht. Amnesty International berichtet, dass Zehntausende Zivilisten getötet wurden. Die Organisation spricht offen von einem Völkermord und wirft Israel vor, gezielt zivile Strukturen zu zerstören. Trotz dieser schweren Vorwürfe unterstützen Länder wie die USA und Deutschland Israels Vorgehen weiterhin politisch und militärisch.

Auch in anderen Teilen der Welt forderten Kriege täglich neues Leid. In der Ukraine setzte Russland 2024 seine Angriffe auf Städte und zivile Infrastruktur fort. Täglich starben Menschen durch Bomben und Artilleriebeschuss. Besonders katastrophal entwickelte sich die Lage im Sudan. Dort dokumentierte Amnesty, wie die paramilitärischen Rapid Support Forces sexualisierte Gewalt systematisch als Kriegswaffe einsetzten. Frauen und Mädchen wurden Opfer brutaler Übergriffe. Die Folgen des andauernden Bürgerkriegs sind verheerend: Mehr als 12,5 Millionen Menschen mussten im Sudan ihre Heimat verlassen – so viele Binnenvertriebene wie in keinem anderen Land der Welt.

Flüchtlingscamp Doro im Sudan – in keinem anderen Land der Welt gibt es mehr Binnenvertriebene (Archivbild). © DFID - UK Department for International Development via Wikimedia unter CC BY 2.0
Flüchtlingscamp Doro im Sudan – in keinem anderen Land der Welt gibt es mehr Binnenvertriebene (Archivbild). © DFID – UK Department for International Development via Wikimedia unter CC BY 2.0

Klimakrise als Menschenrechtskrise

Die Folgen des Klimawandels treffen laut dem Amnesty International Report 2024/25 besonders die Menschen, die ohnehin am verletzlichsten sind. Hunger, Vertreibungen und extreme Armut haben sich im Jahr 2024 weltweit dramatisch verschärft. Dürren, Überflutungen und zerstörte Ernten raubten Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage. Amnesty International betont: Die Klimakrise sei nicht nur eine ökologische Herausforderung, sondern eine „Menschenrechtskrise“, die soziale Ungleichheiten vertieft, Armut verschärft und ganze Regionen destabilisiert.

Besonders in Ländern des globalen Südens, die selbst kaum zum Klimawandel beigetragen haben, spitzt sich die Lage immer weiter zu. Amnesty kritisiert scharf, dass viele wohlhabende Staaten ihre Klimaschutzversprechen aus dem Pariser Abkommen nicht eingehalten hätten. Statt verbindliche Maßnahmen umzusetzen, rückten wirtschaftliche Interessen wieder in den Vordergrund. Die Konsequenzen tragen vor allem jene, die keine politische Stimme haben: Millionen Menschen litten 2024 unter chronischer Ernährungsunsicherheit, verloren ihr Zuhause oder sahen sich gezwungen, ihre Heimat auf der Suche nach Sicherheit zu verlassen.

Hoffnung trotz dunkler Zeiten

Trotz massiver Rückschläge ist der Widerstand lebendig. Der Amnesty International Report 2024/25 erzählt auch von Mut und Solidarität: Weltweit gingen Millionen Menschen gegen Kriegsverbrechen und Unterdrückung auf die Straße. In Georgien protestierten Zehntausende gegen neue repressive Gesetze, in Südkorea wehrten sich Massen gegen die Einführung des Kriegsrechts.

Proteste in Georgien. © Jelger Groeneveld via Wikimedia unter CC BY 2.0
Proteste in Georgien. © Jelger Groeneveld via Wikimedia unter CC BY 2.0

Besondere Erfolge verzeichnete Amnesty bei langjährigen Kampagnen: WikiLeaks-Gründer Julian Assange wurde freigelassen, ebenso die deutsche Menschenrechtsaktivistin Nahid Taghavi aus iranischer Haft. Julia Duchrow sagt:

Die Menschenrechte haben weiterhin große Strahlkraft – die Mehrheit der Menschen will keine Welt, in der Regierungen unkontrollierte Macht haben und allein das Recht des Stärkeren zählt.

Julia Duchrow

Der Amnesty International Report 2024/25 ist ein Weckruf – erschütternd, aber auch ein Zeichen für die ungebrochene Kraft der Menschenrechte.

Kurz zusammengefasst:

  • Der Amnesty International Report 2024/25 dokumentiert, wie autoritäre Regierungen, eskalierende Kriege und die Klimakrise weltweit grundlegende Menschenrechte untergraben und soziale Ungleichheiten verschärfen.
  • Besonders schwerwiegend sind laut Amnesty International die Folgen bewaffneter Konflikte in Gaza, der Ukraine und im Sudan sowie die zunehmende Unterdrückung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in vielen Staaten.
  • Trotz dieser weltweiten Rückschritte zeigt der Bericht, dass Millionen Menschen mutig für Gerechtigkeit, Freiheit und den Schutz der Menschenrechte kämpfen und wichtige Erfolge erringen konnten.

Übrigens: Amnesty dokumentiert 1.518 Hinrichtungen in 15 Staaten – so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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