Forscher erschaffen selbstheilendes Material wie Haut
Wissenschaftler haben ein Hydrogel entwickelt, das sich selbst heilt wie menschliche Haut. Nach vier Stunden ist ein Schnitt fast unsichtbar. Nach 24 Stunden ist alles regeneriert.

Künstlerische Darstellung von Hydrogelen: Das neue High-Tech-Gel kann sich wie Haut regenerieren. Forscher sprechen von einem medizinischen Meilenstein. © https://doi.org/10.1038/s41563-025-02146-5
Bisher galt es als große Herausforderung, ein künstliches Material zu erschaffen, das die einzigartigen Eigenschaften menschlicher Haut nachbildet. Haut ist gleichzeitig widerstandsfähig, elastisch und besitzt die Fähigkeit, sich nach Verletzungen schnell zu regenerieren. Künstliche Gele konnten entweder stabil oder selbstheilend sein – aber nicht beides zugleich. Nun ist es Forschern der Universität Bayreuth und der Aalto-Universität gelungen, diese Einschränkung zu überwinden. Sie haben ein innovatives Hydrogel entwickelt, das gleichzeitig stark, flexibel und selbstheilend ist. Diese Entdeckung könnte die Entwicklung neuer Materialien für die Medizin, Robotik und Wundheilung revolutionieren.
Professor Josef Breu von der Universität Bayreuth spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Hydrogels. Gemeinsam mit seinem Team integrierte er spezielle ultradünne Ton-Nanoschichten in das Gel, wodurch es nicht nur mechanisch stabiler wurde, sondern auch die Fähigkeit erhielt, sich nach einer Verletzung selbst zu reparieren.
Einfache Herstellung mit großer Wirkung
Die Herstellung des neuen Materials ist überraschend simpel. Chen Liang, Postdoktorandin an der Aalto-Universität, beschreibt den Prozess folgendermaßen. Die Forscher vermengten ein Monomer-Pulver mit wasserbasierten Nanosheets und setzten die Mischung anschließend einer UV-Lampe aus – ähnlich wie beim Aushärten von Gelnagellack. „Die UV-Strahlung der Lampe bewirkt, dass sich die einzelnen Moleküle miteinander verbinden, sodass ein elastischer Feststoff – ein Gel – entsteht“, so die Wissenschaftlerin.
Heilung dank „Verschlaufung“
Besonders entscheidend ist die Art und Weise, wie sich die Polymerketten in diesem neuen Material verhalten. Hang Zhang von der Aalto-Universität erklärt: „Verschlaufung bedeutet, dass sich die dünnen Polymerketten wie winzige Wollfäden umeinander zu einem Wollknäuel aufrollen – allerdings in zufälliger Anordnung.“ Wenn das Material durchtrennt wird, beginnen sich diese Fäden erneut miteinander zu verbinden.
Schnelle Wundheilung in Rekordzeit
Diese Struktur ermöglicht eine bemerkenswerte Selbstheilungsfähigkeit. Nach einem Schnitt mit einem Messer ist das Material bereits nach vier Stunden zu 80 bis 90 Prozent wiederhergestellt. Nach 24 Stunden ist die Heilung vollständig abgeschlossen.
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass ein ein Millimeter dicker Hydrogelfilm etwa 10.000 Lagen von Nanosheets enthält. Diese dichte Struktur verleiht dem Material eine bemerkenswerte Festigkeit, die mit der von menschlicher Haut vergleichbar ist. Trotz dieser Stabilität bleibt das Gel hochflexibel und elastisch.
Zhang betont: „Steife, starke und selbstheilende Hydrogele waren lange eine Herausforderung. Wir haben einen neuen Mechanismus entdeckt, um konventionell weiche Hydrogele zu verstärken. Dies könnte die Entwicklung neuer Materialien mit bio-inspirierten Eigenschaften revolutionieren.“
Der Schlüssel: Nanosheets als Verstärkung
Ein entscheidender Faktor für die hohe Stabilität des Hydrogels ist die spezielle Struktur der Ton-Nanosheets. Professor Josef Breu erläutert: „Der Schlüssel zur hohen Festigkeit liegt in der Zugabe von ultrabreiten, aber dünnen Ton-Nanosheets, die sich durch eine äußerst gleichmäßige Quellung in Wasser auszeichnen.“
Er vergleicht das nanoskalige Phänomen mit einem Stapel Druckerpapier: „Die einzelnen Blätter sind auf einen einheitlichen Abstand von einem Millimeter separiert.“ Zwischen diesen Schichten werden die Polymerketten „eingeklemmt“, was durch Reibung mit den Nanosheets die Festigkeit erheblich erhöht.
Inspiration aus der Natur
Für die Forscher zeigt diese Entwicklung eindrucksvoll, wie sich biologische Prinzipien auf innovative Materialien übertragen lassen. Olli Ikkala von der Aalto-Universität sagt: „Diese Arbeit ist ein spannendes Beispiel dafür, wie uns biologische Materialien dazu inspirieren, neue Kombinationen von Eigenschaften für synthetische Materialien zu entdecken.“
Das Potenzial für zukünftige Anwendungen ist enorm. Ikkala beschreibt mögliche Einsatzgebiete:
Man stelle sich Roboter mit robuster, selbstheilender Haut oder synthetische Gewebe vor, die sich eigenständig reparieren.
Doch noch sei es ein weiter Weg bis zur praktischen Nutzung des Materials. Die Wissenschaftler sehen in ihrer Arbeit jedoch einen wichtigen Schritt in Richtung einer neuen Generation funktionaler Materialien. „Es ist eine fundamentale Entdeckung, die die Prinzipien des Materialdesigns grundlegend verändern könnte“, betont Ikkala.
Diese Entdeckung könnte den Grundstein für zahlreiche innovative Anwendungen legen. Künstliche Haut für medizinische Zwecke, langlebige Sensoren oder sogar sich selbst regenerierende Textilien könnten mit diesem Material Realität werden.

Obwohl die praktische Umsetzung noch Zeit benötigt, sind die Forscher zuversichtlich, dass ihre Arbeit den Weg für neue Technologien ebnet. Das Hydrogel vereint mechanische Stabilität mit beeindruckender Selbstheilungsfähigkeit – eine Kombination, die bislang als unmöglich galt.
Kurz zusammengefasst:
- Forscher haben ein selbstheilendes Hydrogel entwickelt, das gleichzeitig stark, flexibel und widerstandsfähig ist – eine Eigenschaftskombination, die bisher nicht künstlich nachgebildet werden konnte.
- Die besondere Struktur des Hydrogels basiert auf ultradünnen Ton-Nanosheets und verschlauften Polymerketten, die nach einer Verletzung innerhalb von vier Stunden zu 80 bis 90 Prozent heilen und nach 24 Stunden vollständig regeneriert sind.
- Das Material könnte Anwendungen in der Medizin, Soft-Robotik und Wundheilung ermöglichen, indem es als künstliche Haut oder als Basis für sich selbst reparierende Oberflächen genutzt wird.
Übrigens: Ein humanoider Roboter mit lebender Haut sorgt derzeit für Aufsehen – sein Gesicht kann lächeln, seine Haut wächst nach und er könnte dem Menschen damit erschreckend nahe kommen. Wie Forscher dieses Bio-Wunder möglich gemacht haben und welche Herausforderungen noch bevorstehen, mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Studie (https://doi.org/10.1038/s41563-025-02146-5)