Zitronenwasser und Apfelessig: Wie gesund sind die angesagten Morgenroutinen wirklich?
Morgens als erstes ein Glas Wasser mit Zitrone oder Apfelessig trinken – dieser Gesundheitstrend boomt. Eine Expertin räumt mit Mythen rund um die Routinen auf.

Sie wollen Ihre Verdauung anregen? Lauwarmes Wasser eignet sich dafür besser als Zitronenwasser und Essig. © Pexels
Auf Social Media kursieren zahlreiche Gesundheitstrends, die einen perfekten Start in den Tag versprechen. Besonders beliebt: Ein Glas lauwarmes Zitronenwasser oder Wasser mit Apfelessig auf nüchternen Magen. Prominente wie Beyoncé, Jennifer Aniston und Gwyneth Paltrow sollen darauf schwören. Die Mischung soll die Verdauung ankurbeln, den Stoffwechsel aktivieren und das Immunsystem stärken. Doch was ist wirklich dran?
Zitronenwasser: Ein Wundermittel am Morgen?
Zitronen enthalten reichlich Vitamin C und gelten als Antioxidans, was grundsätzlich gesund ist. Doch die angeblichen positiven Effekte von Zitronenwasser auf die Verdauung lassen sich wissenschaftlich kaum belegen, sagt die Diätologin und Ernährungswissenschaftlerin Fiona Steinberger laut dem österreichischen Standard. „Es gibt kaum qualitativ hochwertige Studien, die einen positiven Effekt von Zitronenwasser am Morgen belegen“, erklärt sie.
Tatsächlich sei es vor allem das Wasser, das nach einer langen Nacht hilft. Nach Stunden ohne Flüssigkeit ist der Körper dehydriert. Ein Glas lauwarmes Wasser am Morgen kann den Wasserhaushalt regulieren und den Magen in Schwung bringen. „Da braucht man die Zitrone nicht dazu“, betont Steinberger. Wer jedoch den Geschmack mag und Zitronen gut verträgt, kann sein Wasser damit aufpeppen. Allerdings sei Vorsicht geboten: „Nicht alle vertragen die enthaltene Ascorbinsäure auf nüchternen Magen.“ Bei empfindlichen Personen kann Zitronenwasser Sodbrennen, Durchfall oder Erbrechen auslösen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Das Wasser sollte nicht zu heiß sein. „Vitamin C ist nicht besonders hitzeresistent, ab 70 Grad wird es zerstört“, erklärt die Expertin. Wer also Wert auf die Vitamine legt, sollte darauf achten, dass das Getränk nur lauwarm ist.
Gefahr für die Zähne
Neben möglichen Magenproblemen gibt es noch einen weiteren Aspekt, den viele nicht bedenken: die Zahngesundheit. Die Säure der Zitrone kann den Zahnschmelz angreifen und langfristig schädigen. Besonders problematisch ist es, wenn man nach dem Trinken direkt zur Zahnbürste greift. „Die Bürste würde den negativen Effekt verstärken“, warnt Steinberger. Stattdessen sollte man den Mund nach dem Zitronenwasser mit klarem Wasser ausspülen oder einen Strohhalm verwenden, um den Kontakt mit den Zähnen zu minimieren.
Apfelessig: Wundermittel oder Mythos?
Auch Apfelessig hat einen festen Platz in den Morgenroutinen vieler gesundheitsbewusster Menschen. Ihm werden zahlreiche positive Effekte nachgesagt: Er soll die Verdauung fördern, die Darmflora stärken und sogar den Blutzucker stabilisieren. Doch wie viel davon ist tatsächlich belegt?
„Die Studienlage ist recht dünn“, sagt Steinberger. Doch zumindest beim Blutzucker gibt es einige Hinweise. Untersuchungen mit Diabetes-Typ-2-Patienten legen nahe, dass Essigsäure den Blutzucker regulieren könnte. „Vor allem vor einer kohlenhydratreichen Mahlzeit kann das Essigwasser den Blutzucker positiv beeinflussen“, so Steinberger.
Blutzucker und Sättigungsgefühl
Der Grund dafür liegt in der Wirkung der kurzkettigen Fettsäuren im Essig. Sie verbessern offenbar die Insulinsensitivität, wodurch der Körper Zucker effizienter verarbeiten kann. „Das Insulin kann dann besser wirken, und die Zellen nehmen den Zucker leichter auf“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Das hat zwei Vorteile: Blutzuckerspitzen, die zu einem schnellen Leistungsabfall und Heißhunger führen, werden reduziert. Zudem kann man sich länger satt fühlen.
Um diesen Effekt zu erreichen, muss man allerdings folgendes tun: „Da geht es aber nicht darum, dass man das Getränk morgens auf nüchternen Magen trinkt, sondern etwa 15 bis 20 Minuten vor einer Mahlzeit“, stellt Steinberger klar. Wer den sauren Geschmack nicht mag, kann den Essig einfach ins Dressing mischen. „Wenn man für das Salatdressing Apfelessig verwendet, hat man wohl dieselbe Wirkung. Und man hat durch den Salat auch gleich noch ein paar Ballaststoffe bei der Mahlzeit!“, so die Expertin.
Kein Wundermittel, aber auch kein Schaden
Weder Zitronenwasser noch Apfelessig sind die Wundermittel, als die sie oft dargestellt werden. Wer den Geschmack mag und keine gesundheitlichen Probleme hat, kann sie bedenkenlos in die Morgenroutine integrieren. Wissenschaftlich belegte Vorteile sind allerdings begrenzt. Besonders beim Zitronenwasser sollte man auf seine Zähne achten, und Apfelessig wirkt eher dann positiv, wenn er mit einer Mahlzeit kombiniert wird.
Steinbergers abschließendes Urteil über den Trend formuliert sie auf österreichisch-charmante Art: „Hilft’s net, schadet’s net.“ Die große Wirkung bleibt vermutlich aus, doch gegen ein Glas Zitronenwasser oder Apfelessig – in Maßen und mit Bedacht – spricht nichts.
Kurz zusammengefasst:
- Zitronenwasser enthält Vitamin C, aber seine angebliche Wirkung auf Verdauung und Stoffwechsel ist nicht belegt – lauwarmes Wasser allein reicht aus, um den Körper morgens zu rehydrieren.
- Apfelessig kann möglicherweise den Blutzucker regulieren, aber nur, wenn er vor einer kohlenhydratreichen Mahlzeit eingenommen wird – ein Salat mit Apfelessig-Dressing hat denselben Effekt.
- Beide Getränke sind nicht schädlich, aber Zitronensäure kann die Zähne angreifen, und Apfelessig sollte wegen seiner Säure nicht übermäßig konsumiert werden.
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