Zwei Dörfer bringen Licht ins Dunkel – und bauen sich ihre eigene Sonne

Zwei Dörfer trotzen der Dunkelheit: Mit riesigen Spiegeln holen sie Licht in die Wintermonate – ein einzigartiges Projekt.

Auch das isländische Dorf Seydisfjördur sieht im Winter keine Sonne. © Wikimedia

Auch das isländische Dorf Seydisfjördur sieht im Winter keine Sonne. © Wikimedia

Zwei Dörfer, getrennt durch Ländergrenzen, aber vereint im Kampf gegen die Dunkelheit: Viganella in Italien und Rjukan in Norwegen haben ein außergewöhnliches Problem auf beeindruckende Weise gelöst. Beide Orte liegen in tiefen Tälern, wo die Berge im Winter die Sonne blockieren. Ihre Lösung: riesige Spiegel, die das Sonnenlicht auf zentrale Plätze reflektieren. Diese technischen Wunderwerke machen die langen, dunklen Wintertage erträglicher und haben weltweit für Aufsehen gesorgt.

Viganella: Licht für ein Dorf im Schatten

Viganella, ein kleines Dorf in den italienischen Alpen, erlebt jedes Jahr von November bis Februar völlige Dunkelheit. In dieser Zeit erreicht kein einziger Sonnenstrahl das Dorf, da steile Berge die Sonne verdecken. Über Generationen hinweg haben die Bewohner diese monatelange Finsternis ertragen. Traditionell feiern sie am 11. November den letzten Sonnenuntergang des Jahres, bevor die Sonne am 2. Februar zurückkehrt.

2006 änderte sich jedoch alles. Mit Unterstützung des Architekten Giacomo Bonzani und des Ingenieurs Gianni Ferrari entstand ein acht Meter breiter und fünf Meter hoher Spiegel, der das Sonnenlicht auf den Dorfplatz lenkt. Die Technik dahinter ist ebenso beeindruckend wie einfach: Eine Software steuert die Position des Spiegels, sodass er dem Verlauf der Sonne folgt und sechs Stunden Licht pro Tag ins Dorf bringt.

Technik, die das Leben verändert

Das Projekt kostete laut Vice rund 100.000 Euro, eine hohe Summe für ein kleines Dorf. Doch die Investition zahlte sich aus: Der Spiegel brachte nicht nur Licht, sondern auch Wärme und neue Lebensqualität für die 163 Einwohner. Zwar ist das reflektierte Licht nicht so stark wie direktes Sonnenlicht, doch es reicht aus, um den Dorfplatz spürbar aufzuhellen und in den dunklen Wintermonaten eine freundliche Atmosphäre zu schaffen.

2020 besuchte die Künstlerin Silvia Camporesi Viganella, um den Spiegel für ein Kunstprojekt zu dokumentieren. Sie schilderte, wie schwierig es war, den Standort zu erreichen: „Es gibt keine Schilder, und der Weg ist leicht zu verfehlen.“ Mit Hilfe des früheren Bürgermeisters Franco Midali fand sie schließlich den beeindruckenden Spiegel, der hoch oben am Berghang thront.

Rjukan und andere Orte greifen die Idee auf

Die Idee von Viganella inspirierte auch andere Orte. Im norwegischen Rjukan, das ebenfalls in einem tiefen Tal liegt und im Winter lange ohne Sonne auskommen muss, wurde 2013 ein ähnliches Projekt umgesetzt. Ingenieure aus Norwegen hatten Viganella besucht, um die Technik zu studieren, bevor sie ihre eigene Version installierten. Auch in Island wird die Idee diskutiert. Das Dorf Seydisfjördur, das in einem engen Fjord liegt, leidet ebenfalls unter extremem Lichtmangel. Obwohl dort bisher keine Spiegel installiert wurden, zeigt das Beispiel, wie universell die Herausforderung ist.

Solche Projekte sind jedoch nicht nur technologische Lösungen. Der ehemalige Bürgermeister Midali sagte laut Vice:

Die Idee hinter dem Projekt ist menschlich. Es ging darum, den Menschen Licht und Gemeinschaft im Winter zu schenken.

Franco Midali

Das könnte dich auch interessieren:

Sonnen-Spiegel als Hoffnungsträger

Die Nutzung von Sonnen-Spiegeln ist nicht neu. Schon in der Antike wurde Licht durch Spiegel gezielt gelenkt, etwa von Archimedes. Heute wird diese Technik auch in der Raumfahrt eingesetzt. Das Besondere an den Projekten in Viganella und Rjukan ist jedoch ihre poetische Dimension: Sie schaffen nicht nur Licht, sondern auch Hoffnung und Gemeinschaft. Diese innovativen Lösungen könnten auch anderen abgelegenen Regionen helfen, mit Dunkelheit und Isolation besser umzugehen.

Italienisches Dorf bringt mit Riesenspiegeln die Wintersonne zurück. © India Today via YouTube

Was du dir merken solltest:

  • Die Dörfer Viganella in Italien und Rjukan in Norwegen nutzen riesige Spiegel, um in ihren schattigen Wintermonaten Sonnenlicht auf zentrale Plätze zu reflektieren und die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern.
  • In Viganella sorgt seit 2006 ein computergesteuerter Spiegel dafür, dass täglich sechs Stunden Sonnenlicht auf den Dorfplatz gelenkt werden, was Licht und Wärme in die dunklen Monate bringt.
  • Das Projekt diente als Inspiration für andere Orte, wie Rjukan in Norwegen, und zeigt, wie Technik menschliche Bedürfnisse nach Licht und Gemeinschaft erfüllen kann.

Bild: © Kasa Fue via Wikimedia unter CC BY 4.0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert