Kommt das Tierhaltungslabel für die Gastronomie? Gastro warnt vor unlesbaren Speisekarten
Tierhaltungslabel für Gastronomie: Die Regierung plant mehr Transparenz bei Tierwohl. Doch aus der Branche kommt Kritik.
Was an der Fleischtheke längst Alltag ist, bleibt in Restaurants und Imbissen bisher ein blinder Fleck: Angaben zur Herkunft und Haltung der Tiere, aus denen unsere Lieblingsgerichte zubereitet werden. Die Bundesregierung will das ändern und diskutiert über eine verpflichtende Kennzeichnung – nicht nur im Supermarkt, sondern auch in der Gastronomie.
Am 20.12.2024 debattierte der Bundestag erstmals über den Gesetzesentwurf. Renate Künast von den Grünen brachte die Dimension auf den Punkt: „Ein Drittel der Schweinefleisch-Produktion in Deutschland wird in Restaurants gegessen.“ Transparenz sei hier längst überfällig. „Die Menschen essen weniger Fleisch, aber die, die Tiere halten und Fleisch produzieren, sollten am Markt klar erkennbar sein.“ Verbraucher hätten ein Recht zu wissen, wie das Tier gehalten wurde, aus dem ihr Essen stammt, wird Künast vom ZDF zitiert.
Supermärkte als Vorreiter bei Tierhaltung
Im Einzelhandel hat sich die freiwillige Kennzeichnung schon bewährt. Die vier bekannten Stufen – von rot (Stallhaltung) bis grün (Premium) – prangen inzwischen auf vielen Verpackungen.
Ab Sommer 2025 soll das System verpflichtend werden. Außerdem wird eine fünfte Haltungsform eingeführt (Bio).
In der Gastronomie ist das Thema dagegen noch Neuland. Dabei wünschen sich viele Verbraucher auch hier mehr Transparenz. Die Verbraucherzentrale betont laut ZDF, dass die Umsetzung technisch einfach machbar wäre: Angaben könnten per Aushang oder QR-Code auf der Speisekarte bereitgestellt werden. „Supermärkte schaffen es auch, Bioprodukte korrekt zu kennzeichnen. Warum sollte das für Restaurants nicht möglich sein?“ fragt Jana Fischer von der Verbraucherzentrale.
Gaststättenverband warnt vor Bürokratie
Die Gastronomie hingegen sieht sich am Limit. „Das ist ein Bürokratiewahnsinn“, kritisiert Jens Stacklies vom Gaststättenverband Dehoga. Als Restaurantinhaber weiß er aus Erfahrung, wie aufwendig die Anpassung von Speisekarten und die Prüfung der Lieferketten sein kann. „Wenn Lieferanten wechseln oder Produkte ausverkauft sind, wird die Umsetzung nahezu unmöglich“, so Stacklies.
Der Dehoga sieht in der geplanten Kennzeichnung zahlreiche praktische Probleme. Besonders die Lesbarkeit der Speisekarten sei gefährdet, wenn Angaben zu Tierhaltungsformen bei jedem Gericht gemacht werden müssten. Das Problem verschärft sich, wenn Fleisch aus unterschiedlichen Haltungsformen verwendet wird, etwa bei Hackfleisch. Laut Verband wären Gastronomen gezwungen, detaillierte Angaben zu den Anteilen der Haltungsformen aufzuführen, was Speisekarten unübersichtlich und fehleranfällig macht.
Zusätzlich warnt der Dehoga vor massiven Verwerfungen in der Praxis. Fleisch aus Nicht-EU-Staaten ist von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen, was zu Wettbewerbsnachteilen für regionale Produzenten führen kann. Außerdem würde die Verfügbarkeit von Fleisch aus bestimmten Haltungsformen zu weiteren Komplikationen führen. „Bei Lieferengpässen müssten Restaurants ihre Speisekarten ständig anpassen und neu drucken“, so Stacklies.
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Wie transparent wird der Grillteller?
Trotz Widerständen aus der Branche bleibt die Regierung bei ihrem Vorhaben. Gerade in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und bewusster Konsum immer stärker in den Fokus rücken, könne man Transparenz nicht länger aufschieben. „Die Menschen wollen wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben“, unterstreicht Künast.
Ob das Gesetz tatsächlich verabschiedet wird, bleibt jedoch fraglich. Die Zeit drängt, denn die nächste Bundestagswahl rückt näher. Für Verbraucher könnte die Kennzeichnung eine Chance sein, bewusster und informierter zu genießen – ob am Imbissstand, im Restaurant oder in der Mensa. Bis dahin bleibt die Frage: Wie viel Tierwohl steckt auf unserem Teller?
Was du dir merken solltest:
- Die Bundesregierung plant ein verpflichtendes Tierhaltungslabel in der Gastronomie, um mehr Transparenz für Verbraucher zu schaffen, ähnlich wie bei der Fleischkennzeichnung im Einzelhandel.
- Der Gaststättenverband Dehoga kritisiert den hohen bürokratischen Aufwand, etwa durch ständig anzupassende Speisekarten und die Herausforderung bei gemischten Haltungsformen, was Betriebe vor erhebliche Probleme stellt.
- Verbraucherzentrale und Regierung betonen die Bedeutung von Tierwohl-Transparenz, doch die Umsetzung bleibt aufgrund logistischer und praktischer Hürden umstritten.
Übrigens: Firmen locken mit Bezeichnungen wie „umweltfreundlich“ oder „regional hergestellt“. Doch viele Labels täuschen und halten oft nicht, was sie versprechen. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel.
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