Unsterblichkeit greifbar nah? Wir könnten dem Tod schon in den 2030er Jahren entkommen
„Fluchtgeschwindigkeit der Langlebigkeit“: Könnten medizinische Fortschritte ab den 2030er Jahren das Altern stoppen?
Die Vorstellung, dass Menschen in absehbarer Zeit ewig leben könnten, polarisiert. Wissenschaftler wie der britische Altersforscher Aubrey de Grey und der Futurist Ray Kurzweil haben mit ihrer Theorie der „Longevity Escape Velocity“ (LEV), zu Deutsch: Fluchtgeschwindigkeit der Langlebigkeit, eine spannende Debatte angestoßen. Sie behaupten, dass Fortschritte in der Medizintechnik und Genetik das Altern möglicherweise überwinden könnten – und das schon ab den 2030er Jahren.
LEV basiert auf einem Konzept aus der Physik, bei dem die „Fluchtgeschwindigkeit“ aus der Gravitation die nötige Geschwindigkeit beschreibt, um der Anziehungskraft zu entkommen. Übertragen auf das Altern bedeutet dies: Medizinische Innovationen könnten schneller voranschreiten, als Menschen altern, sodass ein nahezu unsterblicher Zustand erreicht werden könnte.
Fluchtgeschwindigkeit der Langlebigkeit – Visionäre treiben Forschung voran
Aubrey de Grey sieht LEV als greifbares Ziel. Er glaubt, dass biomedizinische Fortschritte uns in wenigen Jahrzehnten ein Leben ohne altersbedingte Krankheiten ermöglichen könnten. „Jeder weiß, dass Altern schlecht ist, aber niemand tut wirklich etwas dagegen“, sagte de Grey in einer Mitteilung zur „Dubliner Erklärung zur Langlebigkeit“. Diese neue Initiative ruft Forscher dazu auf, sich stärker auf die Umkehrung des Alterungsprozesses zu konzentrieren, anstatt nur einzelne Krankheiten zu behandeln.
Ray Kurzweil geht noch weiter. Er prognostiziert, dass Menschen bereits bis 2029 für jedes gelebte Jahr ein weiteres Lebensjahr hinzugewinnen könnten. Der Google-Futurist geht laut Business Insider davon aus, dass wir in Zukunft sogar in der Zeit „rückwärts fliegen“ könnten.
Kritiker zweifeln stark: Altern überwinden bleibt unrealistisch
Nicht alle teilen diesen Optimismus. Altersforscher wie Thomas Perls halten die Vorstellung, dass Menschen unbegrenzt leben könnten, für unrealistisch. Er betont, dass es bislang keine Medikamente gibt, die das Altern nachweislich umkehren können. „Es gibt Grenzen, die die Wissenschaft wahrscheinlich nicht überschreiten kann“, so Perls. Stattdessen sieht er den Fokus auf die Verlängerung der sogenannten Gesundheitsspanne – also die Zeit, in der Menschen ohne chronische Krankheiten leben – als sinnvoller an.
Laut Business Insider gab es bisher keine Anti-Aging-Behandlung, die in Studien langfristig erfolgreich war. Selbst vielversprechende Ansätze wie Gentherapien oder Wirkstoffe wie Rapamycin, die derzeit in Mausstudien getestet werden, sind noch weit von einer Anwendung beim Menschen entfernt.
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Künstliche Intelligenz als Schlüssel?
Eine andere Vision verfolgt der Philosoph Nick Bostrom. Er argumentiert, dass Fortschritte in der künstlichen Intelligenz (KI) die Lösung für viele Probleme der Biologie sein könnten. KI könnte die Entwicklung neuer Medikamente revolutionieren und möglicherweise den Durchbruch in der Langlebigkeitsforschung beschleunigen. „Wir hätten schon weiter sein können, wenn wir vor 20 oder 30 Jahren ambitionierter gewesen wären“, erklärte Bostrom. Doch er warnt, dass die radikalen gesellschaftlichen Veränderungen, die eine solche Entwicklung mit sich brächte, kaum vorhersehbar seien.
Fortschritte, aber keine Wunder
Die Wissenschaft hat zwar bedeutende Fortschritte erzielt, doch sie stößt immer wieder an Grenzen. Jeanne Calment, die älteste bekannte Person der Welt, starb 1997 im Alter von 122 Jahren – ein Rekord, den bis heute niemand gebrochen hat. Der menschliche Körper hat komplexe Schutzmechanismen, die bei Eingriffen in den Alterungsprozess neue Gesundheitsrisiken schaffen können, wie zum Beispiel ein erhöhtes Krebsrisiko.
Die Idee der „Longevity Escape Velocity“ mag futuristisch klingen, doch sie spiegelt den Wunsch der Menschheit wider, die Grenzen des Lebens immer weiter hinauszuschieben. Während einige Investoren und Forscher optimistisch bleiben, zeigen Kritiker auf, dass die Grundlagenforschung noch in den Kinderschuhen steckt. Die Frage, ob wir eines Tages wirklich dem Alter entkommen können, bleibt also weiterhin offen.
Was du dir merken solltest:
- Fluchtgeschwindigkeit der Langlebigkeit: Biomedizinische Fortschritte könnten das Altern überholen und Unsterblichkeit ermöglichen. Visionäre wie Aubrey de Grey halten dies ab den 2030er Jahren für möglich.
- Kritik und Grenzen: Skeptiker wie Thomas Perls sehen die Verlängerung der Gesundheitsspanne als realistischeres Ziel, da bisher keine Anti-Aging-Behandlungen nachweislich wirken.
- KI als Schlüssel: Künstliche Intelligenz könnte entscheidend sein, um genetische und biologische Grenzen zu überwinden, doch die Folgen wären schwer absehbar.
Übrigens: Technik-Soziologe Thomas Ramge hält die Vision eines 1.000 Jahre währenden Lebens für „Marketing-Bullshit“ und warnt vor biologischen Grenzen. Warum er skeptisch ist und welche ethischen Fragen dabei aufkommen, erfährst du in unserem Artikel.
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