Warum Fische zu züchten weniger nachhaltig ist als sie in der Wildnis zu fangen

Die Fischzucht benötigt laut einer neuen Studie mehr Wildfische als angenommen, was die Nachhaltigkeit dieser Methode infrage stellt.

Auf Fischfarmen werden Fische gezüchtet, um sie nicht in natürlichen Ökosystemen fangen zu müssen. © Vecteezy

Auf Fischfarmen werden Fische gezüchtet, um sie nicht in natürlichen Ökosystemen fangen zu müssen. © Vecteezy

Fischzucht wird oft als nachhaltige Lösung dargestellt, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und wilde Fischpopulationen zu schützen. Laut einer neuen Studie soll aber das genaue Gegenteil der Fall sein: Fischzucht sei kein Ersatz für die Fischerei, sondern fördere sie nur weiter. Fischzucht leiste damit keinen Beitrag zur Nachhaltigkeit unserer Ernährung.

Matthew Hayek von der New York University ist einer der Autoren dieser Studie, die im Journal Science Advances veröffentlicht wurde. Der Assistenzprofessor im Department für Environmental Studies sagt laut New Scientist:

Fischzucht ist kein Ersatz für das Fangen von Wildfischen aus dem Ozean. Tatsächlich ist sie darauf angewiesen, wilde Fische aus dem Meer zu fangen.

Die Menge an Wildfischen, die für die Fütterung von Zuchtfischen benötigt wird, ist zwischen 27 und 307 Prozent höher als bislang angenommen. Fleischfressende Zuchtfische wie Lachs benötigten ein Vielfaches ihres eigenen Gewichts in Wildfischen. Die Produktion von einem Kilogramm Lachs erfordert demnach vier bis fünf Kilogramm Wildfisch.

Bedrohung der Fischbestände

Die Fangmengen von Wildfischen steigen nicht parallel zur wachsenden Nachfrage nach Zuchtfischen. Hayek betont: „Für viele Fischereien bewegen wir uns auf eine Knappheit von Fischen im Ozean zu.“ Das bedeutet, dass immer mehr Wildfische, die früher als Nahrungsquelle für Menschen dienten, stattdessen als Fischmehl oder Fischöl in der Zucht verwendet werden.

Besonders stark betroffen sind Regionen wie Südostasien und Westafrika, wo Menschen sich Fisch als Nahrungsmittel kaum noch leisten können. Patricia Majluf von der Organisation Oceana ergänzt: „All dieser Fisch, den die Menschen früher gegessen haben, ist nicht mehr für sie verfügbar, weil er in den Reduktionsfabriken landet.“ Diese Entwicklung beeinträchtige die Ernährungssicherheit in vielen Teilen der Welt.

Übrigens: Reduktionsfischerei bezeichnet die Fischerei, die ihren Fang zu Fischmehl und Fischöl „reduziert“, also weiterverarbeitet.

Nachhaltigkeit in der Fischzucht

Eine mögliche Lösung könnte darin liegen, den Anteil pflanzlicher Produkte im Futter von Zuchtfischen zu erhöhen. Alternativ könnte man gleich Fische wie Tilapia und Karpfen zu züchten, die sich hauptsächlich pflanzlich ernähren.

Dies würde das Problem jedoch nur verschieben. Dann sind es eben pflanzliche Futtermittel, die vermehrt für Zuchtfische genutzt werden, obwohl sie auch für den Menschen zum Verzehr geeignet sind. Dies könne zu einer weiteren Belastung der Umwelt durch Landnutzungsänderungen wie Abholzung führen.

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Ein weiteres Problem bei der Fischzucht stellt der enorme Ressourcenbedarf dar. Tiere zu züchten erfordert mehr Ressourcen, als man durch ihren Verzehr erhält. „Das ist eine grundlegende Tatsache der Biologie“, sagt Hayek. Eine Ausnahme bildet die Zucht von Muscheln wie Miesmuscheln. Die ernähren sich durch das Filtern von Meerwasser und sind dadurch deutlich nachhaltiger.

Mehr Fisch als erwartet benötigt

Ein Grund für die höheren Schätzungen von Hayek und seinem Team ist, dass sie laut New Scientist mehr Quellen einbezogen haben als frühere Studien. Zudem zählte das Team nicht nur die Fische, die direkt für Fischmehl und Fischöl gefangen wurden, sondern auch Beifänge. Diese werden häufig wieder ins Meer geworfen, sind aber oft verletzt und überleben nicht. Auch Fische, die zwar gefangen, aber nicht auf den Markt gebracht werden, sind in die Berechnungen eingeflossen.

„Diese neuen Zahlen zeigen, dass der Einsatz von Fischmehl und Fischöl in der Aquakultur komplexer ist, als viele Branchenanalysten bisher angenommen haben“, meint Stefano Longo von der Universität Göteborg. Die Menge an Fischmehl und Fischöl, die in der Aquakultur verwendet werden, wurden in früheren Schätzungen möglicherweise ebenfalls stark unterschätzt. Die Ergebnisse von Hayek und seinem Team stellen somit die bisherigen Einschätzungen zur Nachhaltigkeit der Fischzucht stark in Frage.

Was du dir merken solltest:

  • Die Fischzucht erfordert laut einer Studie deutlich mehr Wildfische als angenommen.
  • Für ein Kilogramm Zuchtlachs werden vier bis fünf Kilogramm Wildfisch benötigt.
  • In Regionen wie Südostasien und Westafrika wird Fisch zunehmend für die Zucht und nicht mehr zur menschlichen Ernährung verwendet, was die Ernährungssicherheit bedroht.

Bild: © Vecteezy

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