Warum Wunden bei Tieren schneller heilen – und der Mensch Pflaster braucht

Wundheilung verläuft bei Tieren viel schneller als beim Menschen. Grund dafür könnte der Verlust von Haarfollikeln sein.

Wir brauchen Pflaster – Wundheilung bei Tieren drei Mal so schnell

Bei Pavianen verläuft die Wundheilung besonders effizient – ihre Haut regeneriert sich rund dreimal schneller als die des Menschen. © Pexels

Die Wundheilung bei Tieren verläuft deutlich schneller – besonders im Vergleich zum Menschen. Eine neue Studie zeigt: Die menschliche Haut heilt etwa dreimal langsamer als bei anderen Arten – selbst nahe Verwandte wie Affen zeigen deutlich schnellere Wundheilung. Forscher vermuten einen evolutionären Grund dafür – und der beginnt mit dem Verlust unseres Fells.

Die japanische Primatologin Akiko Matsumoto-Oda war selbst überrascht, als sie wilde Paviane in Kenia beobachtete. „Ich war beeindruckt, wie häufig sie sich verletzten“, sagt sie laut New York Times. „Und noch mehr, wie schnell sie sich erholten – selbst von scheinbar schweren Wunden.“ Verletzungen, die bei Menschen tagelang schmerzen und wochenlang offen bleiben, heilten bei den Affen oft binnen weniger Tage.

Wundheilung bei Tieren: Menschliche Haut hinkt weit hinterher

Für die Studie verglich Matsumoto-Oda mit ihrem Team die Wundheilung von insgesamt sieben Arten – darunter Paviane, Schimpansen, Meerkatzen, Ratten, Mäuse und Menschen. Das Ergebnis: Während sich bei den Tieren die Wunden täglich um etwa 0,6 Millimeter schlossen, lag der Wert beim Menschen nur bei 0,25 Millimetern.

Auch innerhalb der Affenarten gab es kaum Unterschiede. Ganz gleich ob Schimpanse oder Meerkatze – sie heilten ähnlich schnell. Selbst im Vergleich mit Ratten oder Mäusen schnitten die Affen nicht besser ab. Nur der Mensch fiel aus dem Rahmen.

Evolution kostet Tempo – Warum unsere Haut so träge heilt

Der Grund für die langsame Heilung liegt vermutlich in unserer Evolution. Als Menschen vor Millionen Jahren ihr Fell verloren, wurde ihre Haut zu einem empfindlichen Organ – nicht zum Schutz, sondern zur Kühlung. Schweiß statt Schutz, Temperaturkontrolle statt Regeneration. Die nackte Haut half dabei, lange Strecken zu laufen und Überhitzung zu vermeiden – aber sie heilt eben auch schlechter.

„Unsere langsame Heilung könnte das Ergebnis eines evolutionären Kompromisses sein“, so die Autoren der Studie. Ein Kompromiss, der den Preis für unsere Ausdauerfähigkeit und das Leben in heißem Klima beschreibt – ein Preis, den wir mit Pflastern, Narben und offenen Wunden bezahlen.

Auch wilde Paviane heilen blitzschnell

Besonders erstaunlich: Ob im Labor oder in freier Wildbahn – Paviane zeigten in beiden Fällen nahezu identische Heilungsgeschwindigkeiten. Die Wunden schlossen sich bei beiden Gruppen im gleichen Tempo. „Wir fanden keinen signifikanten Unterschied in der Wundheilungsrate zwischen Pavianen unter experimentellen Bedingungen und denen in ihrer natürlichen Umgebung“, schreiben die Forscher.

Das bedeutet: Auch unter härtesten Bedingungen – mit Schmutz, Hitze, Rivalen – heilen Paviane schneller als ein Mensch unter sterilen Bedingungen im Krankenhaus. Ihre Haut kann offenbar mit einem natürlichen Programm auf Verletzungen reagieren, das bei uns verloren ging.

So wurde gemessen: Tiere unter Narkose, Menschen nach Operation

Um vergleichbare Daten zu erhalten, setzten die Forscher bei Tieren unter Narkose eine standardisierte Wunde von vier Zentimetern Durchmesser. So beobachteten sie bei Schimpansen und Menschen natürliche oder chirurgisch entstandene Wunden. Alle Verletzungen wurden mit antibiotischer Salbe behandelt und regelmäßig fotografiert. Eine spezielle Software maß die Wundgröße präzise über mehrere Tage.

Besonders auffällig: Das Alter der Menschen spielte zwar eine Rolle – ältere Teilnehmer heilten langsamer – doch selbst junge Erwachsene kamen nicht an die Heilungsraten der Tiere heran.

Haare helfen heilen – Warum Tiere deutlich schneller regenerieren

Was Akiko Matsumoto-Oda an ihrer Studie besonders faszinierte, war die Einheitlichkeit: Ganz gleich ob Schimpansen, Paviane, Meerkatzen oder Mäuse – alle Tiere heilten in nahezu identischem Tempo. Auch zwischen den verschiedenen Primatenarten gab es keine auffälligen Unterschiede. Lediglich der Mensch passte nicht ins Schema – mit einer um das Dreifache langsameren Heilungsrate.

Warum das so ist, erklärt die Stammzellbiologin Elaine Fuchs von der Rockefeller University. Laut der New York Times sagt sie: „Wenn die Haut verletzt wird, sind es die Stammzellen in den Haarfollikeln, die sie reparieren“, sagt Fuchs. Tiere mit Fell besitzen Millionen solcher Follikel, die bei Verletzungen blitzschnell aktiv werden. Menschen dagegen haben nur wenige, winzige Haarfollikel – und stattdessen dicht gepackte Schweißdrüsen. Diese enthalten zwar ebenfalls Stammzellen, arbeiten aber wesentlich langsamer. Ein evolutionärer Tausch: mehr Kühlung durch Schweiß – aber schlechtere Wundheilung.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Wundheilung bei Tieren wie Affen, Mäusen oder Ratten verläuft rund dreimal schneller als beim Menschen – ihre Haut wächst täglich um etwa 0,62 mm, beim Menschen nur um 0,25 mm.
  • Tiere besitzen viele aktive Haarfollikel mit Stammzellen, die bei Verletzungen sofort neue Haut bilden; beim Menschen übernehmen das weniger effiziente Schweißdrüsen.
  • Forscher vermuten, dass der langsame Heilungsprozess beim Menschen ein evolutionärer Nachteil des Fellverlusts ist – zugunsten besserer Kühlung durch Schwitzen.

Übrigens: Manche Hautzellen sterben nie – und genau das kann die Wundheilung massiv stören. Forscher haben entdeckt, dass bestimmte Zombie-Zellen Entzündungen fördern und die Hautalterung beschleunigen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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