Wissenschaftler lüften das Geheimnis um ein Gravitationsloch im Indischen Ozean

Wissenschaftler haben herausgefunden, wie ein uralter Ozean und Plattenbewegungen ein Loch in der Gravitation der Erde verursachen.

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Im Indischen Ozean ist die Gravitation der Erde deutlich schwächer als auf dem restlichen Planeten. © Unsplash

Bereits in der Schule lernt man, dass die Gravitation der Erde 9,81 Newton pro Kilogramm (N/kg) beträgt. Was eher unbekannt ist: Je nachdem, wo man sich auf dem Globus befindet, schwankt die Gravitationskraft. Eine besonders auffällige Anomalie findet sich südlich von Indien. Dort liegt das sogenannte „Indian Ocean Geoid Low“ (IOGL) – der tiefste Punkt im globalen Gravitationsfeld. Eine aktuelle Studie im Journal Geophysical Research Letters geht diesem Phänomen auf die Spur.

Laut der Studie könnte diese Anomalie auf das Zusammenspiel von urzeitlichen Plattenbewegungen und Prozessen in den Tiefen des Erdmantels zurückzuführen sein.

Plattenbewegungen prägen das Gravitationsfeld

Das IOGL entsteht durch Massendefizite in der Erde unterhalb des Indischen Ozeans. Diese sind das Ergebnis von Plattenbewegungen und dem Schließen des Tethysmeers vor etwa 140 Millionen Jahren. Die Forscher fanden anhand von Modellen heraus, dass subduzierte Platten aus dem Tethysmeer den Mantel im Bereich des sogenannten „African Large Low Shear Velocity Province“ (LLSVP) deformierten. Diese Störungen führten zu Aufströmungen heißer Gesteinsmassen – sogenannten Plumes –, die bis in den oberen Mantel reichen.

In den roten Bereichen ist die Gravitation der Erde überdurchschnittlich hoch, in den blauen liegt sie unter dem Durchschnitt.
Bei solcher Betrachtung wird das IOGL (mit einem roten X markiert) sofort sichtbar. (Quelle: Studie)
In den roten Bereichen ist die Gravitation der Erde überdurchschnittlich hoch, in den blauen liegt sie unter dem Durchschnitt.
Bei solcher Betrachtung wird das IOGL (mit einem roten X markiert) sofort sichtbar. (Quelle: Studie)

Laut der Studie sind die Wechselwirkungen zwischen diesen Plumes und den umliegenden Anomalien in der Dichte entscheidend für die Entstehung des IOGL. Dabei spielen nicht nur die Verlagerungen von Masse durch die Plumes eine Rolle, sondern auch ihre Interaktion mit tiefen Mantelschichten.

Übrigens: Das Tethysmeer ist laut Spektrum ein urzeitlicher Ozean, der sich während des Paläozoikums und des Mesozoikums zwischen den Superkontinenten Gondwana im Süden und Eurasia im Norden erstreckte. Dessen Boden liegt heute in den Höhen Tibets, des Himalayas und der Alpen – ein Grund, warum man in den Bergen Fossilien von Meerestieren finden kann. Das Tethysmeer ist nach der griechischen Meeresgöttin Tethys benannt, der Frau von Okeanos, dem Gott des Ozeans.

Mantelströmungen als Schlüssel zur Erklärung

Durch die Modellierung von Temperatur- und Dichteverteilungen im Erdinneren gelang es, die Dynamik des IOGL zu simulieren. Entscheidend sind dabei die thermochemischen Eigenschaften der unteren Mantelschichten. Die Autoren der Studie stellten fest, dass die Dichte dieser Schichten die Bildung und Bewegung von Plumes steuert. Geringe Änderungen in der chemischen Zusammensetzung oder der Viskosität könnten für drastische Veränderungen sorgen.

Die Anomalie befindet sich übrigens nicht direkt unter den aufsteigenden Plumes. Stattdessen beeinflussen diese die umliegenden Dichteverhältnisse und erzeugen so das charakteristische Gravitationsloch.

Simulationen belegen komplexe Dynamik

Um die Entstehung des IOGL zu analysieren, nutzten die Wissenschaftler detaillierte Zeitmodelle, die von der Kreidezeit bis heute reichen. Diese Simulationen zeigen, wie die einstige Plattentektonik die heutigen Mantelströmungen beeinflusst. Dabei wurden Parameter wie die Dichteunterschiede an der Kern-Mantel-Grenze und die Stärke subduzierter Platten (Subduktion) berücksichtigt. Die Forscher testeten 19 Modellvarianten, um das Zusammenspiel von Plumes, Plattenbewegungen und Dichteverteilungen zu verstehen.

„Subduktion“ beschreibt einen Prozess der Plattentektonik, bei dem Oberflächenmaterial einer Platte unter eine benachbarte rutscht.
(Quelle: © MagentaGreen via Wikimedia Commons unter CC BY-SA 3.0-Lizenz)

Nur eine Kombination aus tiefen und oberflächennahen Anomalien konnte die charakteristische Form und Tiefe des IOGL reproduzieren. Tief liegende Plattenreste allein reichen den Wissenschaftlern zufolge nicht aus, um die Anomalie zu erklären. Erst durch das Zusammenspiel mit heißem Material aus dem Mantel entstehen die nötigen Strömungsmuster.

Was du dir merken solltest:

  • Das IOGL, ein Gravitationsloch im Indischen Ozean, entstand durch Massendefizite, die auf urzeitliche Plattenbewegungen zurückzuführen sind.
  • Subduzierte Platten beeinflussten Mantelströmungen, wodurch heiße Gesteinsmassen, sogenannte Plumes, aufstiegen und zur Anomalie führten.
  • Simulationen zeigen, dass das Zusammenspiel von tiefen Mantelstrukturen und Plattenprozessen entscheidend für die Entstehung war.

Bild: © Unsplash

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