Wilde Honigbienen erstmals offiziell als gefährdet eingestuft – ihr Verlust bedroht auch unsere Ernährung
Wilde Honigbienen sind laut EU erstmals als gefährdet eingestuft – ihr Rückgang bedroht Bestäubung, Ernten und Artenvielfalt in Europa.

Wilde Honigbienen leben unabhängig vom Menschen und bauen ihre Nester in Baumhöhlen, Felsspalten oder alten Mauern. © Unsplash
Zum ersten Mal stehen wilde Honigbienen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN – die EU stuft sie nun offiziell als gefährdet ein. Die freilebenden Tiere leben seit Millionen Jahren ohne menschliche Hilfe in Baumhöhlen oder Felsspalten. Doch ihre Zahl nimmt in Europa rapide ab. Hauptursachen sind der Verlust natürlicher Lebensräume, Krankheiten, Parasiten und die genetische Vermischung mit gezüchteten Völkern. Während die domestizierten Bienen von Imkern betreut werden, sind ihre wilden Verwandten zunehmend auf sich allein gestellt – und geraten dabei unter massiven Druck.
Ihr Verschwinden trifft nicht nur die Natur, sondern betrifft auch unsere Ernährung. Wilde Honigbienen tragen ein einzigartiges genetisches Erbe in sich: Sie kommen mit Wetterextremen, Krankheitserregern und wechselnden Umweltbedingungen allein zurecht. Genau diese Fähigkeiten könnten künftig helfen, auch gezüchtete Bienen widerstandsfähiger zu machen. Doch weil sie kaum erforscht sind, droht dieser natürliche Schatz verloren zu gehen. Ohne sie fehlt ein wichtiges biologisches Sicherungssystem – und das Risiko für Ernteausfälle, Artenverlust und instabile Ökosysteme steigt.
Wilde Honigbienen verschwinden – und mit ihnen ein Schatz der Natur
Wilde Honigbienen sind weit mehr als Relikte einer vergangenen Natur – sie sind das lebendige Gedächtnis der Evolution. Ihre genetische Vielfalt hat sich über Millionen Jahre ohne menschliche Eingriffe entwickelt. In dieser Zeit haben sie Fähigkeiten ausgebildet, die sie gegen Krankheiten, Parasiten und extreme Umweltbedingungen wappnen. Während gezüchtete Bienen oft Medikamente und Pflege brauchen, kommen wilde Völker allein zurecht – selbst mit Feinden wie der Varroamilbe oder gefährlichen Viren, die ganze Imkereien vernichten können.
Diese genetischen Anpassungen sind ein biologischer Schatz. Sie zeigen, wie Bestäuber auch in einer sich verändernden Welt überleben könnten – bei Hitzewellen, neuen Krankheitserregern oder verschobenen Blühzeiten. Geht diese Vielfalt verloren, verschwindet zugleich das Wissen, das in ihren Genen steckt. Damit verliert die Landwirtschaft eine natürliche Rückversicherung gegen kommende Krisen – und eine der wichtigsten Grundlagen, um Bestäuber an den Klimawandel anzupassen.
Ohne Wildbienen sinken Erträge und Vielfalt
Gezüchtete Bienen leisten viel, doch sie erreichen längst nicht alle Pflanzen. Besonders in abgelegenen oder naturnahen Gebieten sind wilde Honigbienen unersetzlich. Fehlen sie, zeigt sich das rasch auf den Feldern und in den Obstgärten:
- Weniger Obstsorten wie Äpfel, Birnen oder Beeren
- Geringere Erträge bei Raps und anderen Ölfrüchten
- Rückgang der Pflanzenvielfalt
Wilde Honigbienen sichern also weit mehr als Ernten – sie erhalten das Gleichgewicht ganzer Lebensräume. Wenn sie verschwinden, trifft das Pflanzen, Tiere und Böden zugleich.
Forschung soll verlorenes Wissen retten
Lange galten wilde Honigbienen in Europa als kaum erforscht. Erst das Projekt Honey Bee Watch, gestartet 2020, brachte Bewegung in die Forschung. Es erfasst Vorkommen, Lebensweise und Bedrohungen freilebender Völker.
Bislang wurden Kolonien in Ländern wie Irland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Polen, der Schweiz und sogar in Städten wie Belgrad nachgewiesen. In Osteuropa und Skandinavien fehlen jedoch noch viele Daten – ganze Regionen sind wissenschaftlich ein blinder Fleck.
Wie wilde Honigbienen jetzt geschützt werden sollen
Mit der Aufnahme auf die Rote Liste der IUCN und der Einstufung als gefährdet durch die EU gelten wilde Honigbienen nun offiziell als besonders schützenswert. Daraus ergeben sich klare Aufgaben für die Mitgliedsstaaten:
- Schutz und Wiederherstellung natürlicher Lebensräume
- Erfassung freilebender Kolonien
- Begrenzung der genetischen Vermischung mit Zuchtbienen
- Ausbau der Forschung zu natürlichen Resistenzen und Anpassungsstrategien
Ziel ist es, stabile, selbstständige Populationen zu erhalten – Bienen, die ohne menschliche Hilfe überleben können. „Wir können es uns nicht länger leisten, sie unzureichend zu erforschen und ungeschützt zu lassen“, warnen Wissenschaftler. Denn was jetzt verloren geht, lässt sich später kaum wiederherstellen.
Kurz zusammengefasst:
- Die Europäischen Union hat wilde Honigbienen erstmals als gefährdet eingestuft, weil ihre Bestände durch den Verlust von Lebensräumen, Krankheiten und die Vermischung mit gezüchteten Bienen stark zurückgehen.
- Wilde Honigbienen sind ein wertvoller genetischer Schatz, denn sie haben gelernt, mit Parasiten und Umweltveränderungen ohne menschliche Hilfe zu überleben – ihr Verschwinden würde auch die gezüchteten Bienen langfristig schwächen.
- Ihr Rückgang betrifft Ernten, Ernährungssicherheit und ganze Ökosysteme, weil sie viele Pflanzen bestäuben, die für Landwirtschaft und Natur unverzichtbar sind.
Übrigens: Auch das beste Schutzgebiet nützt wenig, wenn die wichtigsten Helfer fehlen: Mikroorganismen. Ohne sie kippen Böden, Arten verschwinden – und die Landwirtschaft gerät ins Wanken. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Unsplash