Flirten mit Fingerknöcheln und Ast: Wie Schimpansen Partnerinnen zum Sex bitten
Schimpansen fordern Sex mit bestimmten Gesten, doch menschlicher Einfluss bedroht diese kulturelle Tradition.
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Mit den Fingerknöcheln auf Holz klopfen: Schimpansen setzen besondere Gesten ein, um Weibchen zur Paarung zu bewegen. © Pexels
Wenn männliche Schimpansen Sex möchten, setzen sie auf auffällige Gesten: Sie schütteln Äste, klopfen mit den Fingerknöcheln auf Holz, kicken mit der Ferse oder zerreißen Blätter. Eine neue Studie im Fachmagazin Current Biology hat diese vier spezifischen Flirttechniken dokumentiert.
Über einen Zeitraum von elf Jahren beobachteten Forscher 31 männliche Schimpansen in vier Gruppen im Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste. Insgesamt wurden 495 Kopulationsaufforderungen gezählt. Besonders beliebt: der Fersenkick mit 231 Fällen, gefolgt vom Ast-Schütteln.
Wenn es um Sex geht – Kulturelle Eigenheiten bei Schimpansen beeinflussen das Verhalten
Doch nicht jede Schimpansen-Gruppe flirtet gleich. Die Nordost-Gemeinschaft setzt besonders oft auf das Knöchelklopfen – in 56 Prozent der Fälle. Die Ost-Gruppe dagegen bevorzugt das Schütteln von Ästen.
Forscher sprechen von „sozial erlernten Dialekten“. Das bedeutet: Schimpansen lernen ihre Flirt-Gesten voneinander, anstatt sie instinktiv anzuwenden. „Drei zusammenlaufende Beweislinien zeigen, dass die Variation in der Verwendung von Signalformen Dialekte widerspiegelt“, erklärten die Wissenschaftler. Jede Gruppe hat ihre eigene Sprache – nicht in Worten, sondern in Bewegungen.
Ein Verhalten verschwindet – durch menschlichen Einfluss
Früher war das Knöchelklopfen in mehreren Gruppen verbreitet. Heute gibt es diese Geste nur noch in der Nordost-Gemeinschaft. Besonders in der Nord-Gruppe ist sie verschwunden – seit mehr als 20 Jahren wurde sie dort nicht mehr beobachtet.
Die Forscher sehen darin eine Folge des rückläufigen Bestands. „Demografie spielt auch eine wichtige Rolle bei der kulturellen Bewahrung; beim Menschen kann ein Bevölkerungsrückgang zu einem Verlust von Fähigkeiten und Verhaltensweisen führen“, erklärten die Wissenschaftler. Die Parallelen zwischen Menschen und Schimpansen sind frappierend.
Wilderer zerstörten eine kulturelle Tradition
Die Nord-Gruppe schrumpfte in den 2000er Jahren drastisch. 2008 wurde das letzte erwachsene Männchen der Gemeinschaft von einem Wilderer getötet. Zwischen 2004 und 2011 gab es dort keine zwei erwachsenen Männchen gleichzeitig. Damit fehlte die Voraussetzung, um das Knöchelklopfen an die nächste Generation weiterzugeben.
Obwohl sich die Gruppe mittlerweile erholt hat und seit 2016 wieder eine stabile Anzahl an Männchen aufweist, wurde das Knöchelklopfen nicht wieder eingeführt. Ein möglicher Grund: Die jüngeren Männchen haben nie gelernt, diese Geste als Flirtstrategie einzusetzen. Die kulturelle Tradition könnte für immer verloren sein.
Uganda: Andere Flirt-Gesten als in der Elfenbeinküste
Vergleiche mit Schimpansen aus Uganda zeigen, dass sich Flirtgesten regional unterscheiden. Während in der Elfenbeinküste das Knöchelklopfen einst weit verbreitet war, setzen Schimpansen in Uganda auf andere Methoden: Sie schlagen auf Gegenstände oder reißen Blätter aus, um Weibchen auf sich aufmerksam zu machen.
Diese Unterschiede verdeutlichen, dass kulturelle Traditionen nicht nur beim Menschen existieren. Die Studien-Autoren heben hervor, wie wichtig der Erhalt solcher Verhaltensweisen ist: „Unsere Beweise unterstreichen die dringende Notwendigkeit, den Schutz der Schimpansenkultur in die Schutzstrategien zu integrieren.“ Denn was einmal verloren geht, kommt nicht automatisch zurück.
Die Studie liefert wertvolle Einblicke in die sozialen Strukturen unserer nächsten Verwandten. Sie zeigt, dass auch Schimpansen Traditionen pflegen – und dass diese durch menschliche Eingriffe für immer verschwinden können.
Kurz zusammengefasst:
- Schimpansen nutzen kulturell erlernte Flirtgesten wie Knöchelklopfen, Astschütteln und Fersenkicks, um Weibchen für Sex zu gewinnen.
- Diese Gesten unterscheiden sich je nach Region und Gemeinschaft – Forscher sprechen von „sozial erlernten Dialekten“, die über Generationen weitergegeben werden.
- Menschlicher Einfluss, wie Jagd und Bevölkerungsrückgang, kann dazu führen, dass solche kulturellen Verhaltensweisen für immer verloren gehen.
Übrigens: Bonobos haben in einem Experiment verblüfft. Sie erkennen Unwissen bei Menschen und helfen gezielt – ein Zeichen für ihre ausgeprägte soziale Intelligenz. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels