Wenn Licht das Klima anheizt: Forscher warnen vor zu hellen Nächten
Künstliche Beleuchtung bei Nacht lässt Tiere und Pflanzen mehr CO₂ freisetzen – Forscher warnen nun davor, was das für unser Klima bedeutet.
In hellen Regionen wie Großstädten messen Forscher besonders hohe CO₂-Abgaben aus Böden, Pflanzen und Tieren. © Pexels
Die Nächte auf unserem Planeten werden immer heller. Werbetafeln und grell beleuchtete Schaufenster tauchen Städte und Dörfer in ein künstliches Leuchten, das kaum noch Dunkelheit zulässt. Was für Sicherheit und Komfort für uns Menschen sorgt, hat für die Umwelt seinen Preis: Das Dauerlicht verändert, wie Pflanzen und Tiere mit Kohlenstoff umgehen – und könnte so langfristig das Klima beeinflussen.
Wissenschaftler der Cranfield University haben in ihrer neuen Studie analysiert, wie Lichtverschmutzung durch künstliches Licht den natürlichen CO₂-Kreislauf durcheinanderbringt. Die Forschungsergebnisse erschienen kürzlich im Fachmagazin Nature Climate Change.
Wie Lichtverschmutzung mit dem Klimawandel zusammenhängt
Die Forscher nutzten Daten von 86 Messstationen in Europa und Nordamerika. Dort wird gemessen, wie viel CO₂ Pflanzen, Böden und ganze Landschaften abgeben oder aufnehmen. Zusätzlich werteten sie Satellitenbilder aus, die zeigen, wie hell die Nächte in verschiedenen Regionen sind. Das Ergebnis: In stark beleuchteten Gegenden steigt die CO₂-Abgabe eindeutig an.
Künstliches Licht beeinflusst das Klima auf zwei Wegen: Es verbraucht einerseits Energie aus fossilen Quellen und hält andererseits Pflanzen und Tiere in hellen Nächten länger aktiv. Besonders Wälder und Graslandschaften geben dann mehr CO₂ ab, weil ihr Stoffwechsel nicht in den nächtlichen Ruhemodus wechseln kann.
Normalerweise fahren Pflanzen ihren Stoffwechsel nachts herunter, um Energie zu sparen. Wenn es aber durch künstliches Licht zu hell bleibt, bleiben sie länger aktiv und verbrauchen mehr Energie. Dabei entsteht zusätzliches CO₂, das sie in die Luft abgeben. Weil Pflanzen nur bei Tageslicht Kohlendioxid aufnehmen können, wird dieser Mehr-Ausstoß nicht ausgeglichen – und so gelangt insgesamt mehr CO₂ in die Atmosphäre. Diese zusätzlichen Mengen tauchen in Klimaberichten bisher nicht auf, verändern aber den weltweiten Kohlenstoffkreislauf.
Unser Planet wird immer heller
Ein Viertel der Landoberfläche unseres Planeten ist laut der Studie inzwischen dauerhaft künstlich beleuchtet. Besonders betroffen sind Ballungsräume, Straßen und Industriegebiete. Diese Lichtverschmutzung verändert lokale Ökosysteme und summiert sich über Kontinente hinweg zu einem globalen Problem.
Professor Jim Harris, Mitautor der Studie, warnt: „Die zunehmende Ausleuchtung der Erde könnte den globalen Kohlenstoffkreislauf subtil, aber deutlich verschieben.“ Denn Lichtverschmutzung nehme jedes Jahr um etwa zwei Prozent zu – schneller als viele andere Formen der Umweltbelastung.
Licht aus, Problem gelöst?
Die gute Nachricht: Lichtverschmutzung lässt sich einfach verringern. „Im Gegensatz zu vielen anderen Umweltproblemen könnten wir Lichtverschmutzung praktisch über Nacht reduzieren“, sagte Studienleiterin Alice Johnston. Mit moderner Lichttechnik ließe sich der CO₂-Effekt stark verringern. Dimmbares, gerichtetes und farblich angepasstes Licht würde Energie sparen und Ökosysteme schonen.
Sinnvolle Maßnahmen wären zum Beispiel:
- Lampen abschirmen: Licht sollte gezielt nach unten strahlen, nicht in den Himmel oder auf Pflanzenflächen.
- Leuchtstärke anpassen: Nachts reichen oft 30 bis 50 Prozent der üblichen Helligkeit.
- Zeitschaltuhren und Bewegungssensoren: Licht nur dann, wenn es gebraucht wird.
Mit diesen einfachen Schritten könnten Kommunen sofort CO₂ einsparen – und gleichzeitig Stromkosten senken.
Dunkelheit tut auch dem Menschen gut
Zu viel künstliches Licht stört nicht nur Tiere und Pflanzen. Es beeinflusst auch den menschlichen Schlaf und den Hormonhaushalt. Menschen, die in stark beleuchteten Gegenden leben, haben häufiger Schlafprobleme. Weniger Licht würde also auch die Gesundheit verbessern – ein doppelter Gewinn für Mensch und Umwelt.
Beleuchtung macht außerdem derzeit etwa 15 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs aus. Weniger künstliches Licht bedeutet daher auch weniger Energiebedarf und geringere CO₂-Emissionen durch Stromerzeugung.
Kurz zusammengefasst:
- Künstliches Licht in der Nacht erhöht die CO₂-Abgabe von Pflanzen, Tieren und Böden, ohne dass sie tagsüber mehr aufnehmen – dadurch gerät der natürliche Kohlenstoffkreislauf aus dem Gleichgewicht.
- Die Studie der Cranfield University zeigt, dass ein Viertel der Landfläche betroffen ist und Lichtverschmutzung damit ein bislang unterschätzter Klimafaktor wird.
- Mit abgeschirmten Lampen, geringerer Helligkeit und smarter Lichtsteuerung ließe sich dieser Effekt sofort mindern und zugleich Energie sparen.
Übrigens: Auch Bienen leiden unter dem Licht der Städte – es raubt ihnen den Schlaf und stört ihre Kommunikation im Stock. Wie nächtliche Beleuchtung ihre Bestäubungsleistung gefährdet, mehr dazu in unserem Artikel.
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