Wie die Kartoffel aus der Tomate entstand – Uralte Kreuzung macht die Knolle zum Superstar der Ernährung

Die Kartoffel entstand aus einer Kreuzung mit der Tomate – und wurde durch die Knolle zu einer der wichtigsten Nahrungspflanzen.

Wie die Kartoffel vor 9 Millionen Jahren aus der Tomate entstand

Vor rund neun Millionen Jahren kreuzten sich Tomaten-Vorfahren mit Etuberosum – der Ursprung der heutigen Kartoffel liegt in dieser Verbindung. © Pexels

Die heutige Kartoffel ist ein Produkt der Urzeit: Vor rund neun Millionen Jahren entstand sie aus einer Kreuzung zweier Pflanzenarten, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten – einer tomatenähnlichen Pflanze und einer knollenlosen Wildpflanze namens Etuberosum aus Südamerika. Einem internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, die Entstehungsgeschichte der Kartoffel genetisch zu rekonstruieren. Entscheidend war ein einziges Ereignis: eine natürliche Hybridisierung, die die Bildung der Knolle überhaupt erst ermöglichte.

„Wir haben endlich das Rätsel um die Herkunft der Kartoffel gelöst“, sagt Sanwen Huang von der Chinesischen Akademie der Agrarwissenschaften. Gemeinsam mit seinem Team analysierte er in seiner Studie 128 vollständige Genome – darunter 88 besonders präzise entschlüsselte Datensätze – und verglich sie mit dem Erbgut von 55 wilden Kartoffelarten.

Kartoffel ist aus der Tomate entstanden – das Genom liefert Beweise

Die genetische Zusammensetzung der untersuchten Pflanzen zeigte eine stabile Mischung: Etwa 40 Prozent des Erbguts stammen vom Tomaten-Vorfahren, rund 60 Prozent vom Etuberosum. Keine der beiden Ursprungsarten bildet selbst Knollen. Erst die Kombination der unterschiedlichen Gene schuf diesen entscheidenden Vorteil.

Die Knolle ist für die Pflanze ein Überlebensorgan: Sie speichert Wasser und Nährstoffe und ermöglicht eine ungeschlechtliche Vermehrung – das heißt, die Kartoffel kann sich auch ohne Samen ausbreiten. Damit konnte sie sich auch in schwierigen Lebensräumen wie den Hochlagen der Anden durchsetzen.

Zwei Gene machen die Knolle möglich

Zwei Gene spielen bei der Knollenbildung eine zentrale Rolle. Das Gen SP6A stammt von der Tomate. Es wirkt wie ein Schalter, der das Signal zur Knollenbildung gibt. Das zweite Gen, IT1, kommt vom Etuberosum und steuert das Wachstum der unterirdischen Ausläufer. Fehlt eines der beiden, kann die Pflanze keine Knolle ausbilden.

Experimente mit gentechnisch veränderten Pflanzen zeigten den Effekt deutlich: Ohne das Tomaten-Gen entstanden winzige Knollen an untypischen Stellen. Ohne das Etuberosum-Gen bildeten sich gar keine Knollen mehr – die Pflanzen blieben kümmerlich.

Links eine tomatenähnliche Wildpflanze ohne Knolle, rechts ihre Nachfahrin mit Knolle: Aus dieser Kreuzung entstand die heutige Kartoffel. © Yuxin Jia and Pei Wang
Links eine tomatenähnliche Wildpflanze ohne Knolle, rechts ihre Nachfahrin mit Knolle: Aus dieser Kreuzung entstand die heutige Kartoffel. © Yuxin Jia and Pei Wang

Kartoffeln wurden durch Knollenbildung zur Erfolgspflanze

Die genetische Kombination war ein Glücksfall. Sie ermöglichte nicht nur die Bildung der Knolle, sondern auch eine explosionsartige Ausbreitung der Kartoffelverwandtschaft. Heute gibt es 107 bekannte Wildarten – mehr als in jeder anderen Linie der gleichen Pflanzenfamilie.

„Das Entstehen der Knolle war der Schlüssel für die schnelle Ausbreitung und Vielgestaltigkeit der Kartoffelpflanze“, sagt einer der Autoren, Zhiyang Zhang. Die Hybridisierung habe also nicht nur ein neues Merkmal hervorgebracht, sondern auch die Grundlage für große Artenvielfalt geschaffen.

Diese Vielfalt geht auf die Mischung der Elterngene zurück. Manche Gene stammen ausschließlich von der Tomate, andere nur vom Etuberosum. Etwa 22 Prozent der Genvarianten sind innerhalb der Kartoffelgruppe noch heute unterschiedlich verteilt – je nach Art. Die Forscher berechneten eine Artbildungsrate von 0,53 neuen Linien pro Million Jahre – deutlich mehr als bei den Vorfahren, deren Werte unter 0,45 lagen.

Hybridisierung ermöglichte Anpassung an extreme Lebensräume

Durch die Knolle konnte sich die Kartoffel in Gebieten behaupten, die für andere Pflanzen zu trocken oder zu kalt waren. Besonders in den Anden nutzte sie neue ökologische Nischen. Genau in jener Zeit, vor rund neun Millionen Jahren, hob sich das Gebirge stark an – und schuf damit überhaupt erst jene Höhenlagen, in denen sich die Kartoffel durchsetzen konnte.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Kartoffel entstand vor rund neun Millionen Jahren durch eine natürliche Kreuzung zwischen einer tomatenähnlichen Pflanze und der wilden Etuberosum-Art.
  • Erst diese Hybridisierung ermöglichte die Bildung der Knolle – ein Speicherorgan, das der Pflanze Überleben, Vermehrung und Ausbreitung in extremen Lebensräumen sicherte.
  • Zwei entscheidende Gene, eines aus jeder Elternlinie, sind bis heute notwendig für die Knollenbildung – und könnten künftig helfen, widerstandsfähigere Sorten zu züchten.

Übrigens: Nachdem Forscher nun belegen konnten, dass die Kartoffel ursprünglich aus einer uralten Kreuzung mit der Tomate hervorging, liefert eine neue Studie aus Norwegen einen weiteren erstaunlichen Befund: Wer täglich zwei Kartoffeln isst, lebt womöglich länger. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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