Versalzung von Flüssen gefährdet Wasserversorgung weltweit
Durch den Klimawandel steigt der Meeresspiegel – und drängt Salzwasser immer weiter in Gezeitenflüsse. Die Versalzung von Flüssen bedroht dadurch weltweit Trinkwasser, Landwirtschaft und Industrie.

Gezeitenflüsse wie die Elbe sind weltweit zunehmend von Versalzung betroffen. Das hat spürbare Folgen für Wirtschaft, Umwelt und Trinkwasserversorgung. © Bundesanstalt für Wasserbau (BAW)
In vielen Flüssen verändert sich das Wasser – nicht sichtbar, aber spürbar. Es wird salziger und schadet damit Böden oder greift Leitungen an. Der Grund: In den Mündungsgebieten dringt Meerwasser zunehmend weit ins Landesinnere vor. Was früher nur bei extremem Niedrigwasser vorkam, wird durch den Klimawandel zur Regel – auch in Deutschland.
Besonders betroffen sind sogenannte Gezeitenflüsse, also Flüsse, die unter dem Einfluss von Ebbe und Flut stehen. Sie versorgen Millionen Menschen mit Trinkwasser, kühlen Kraftwerke und bewässern Felder. Doch ihr Süßwasser versalzt – schleichend, aber stetig. Eine neue internationale Studie unter Leitung der University of Maryland, an der auch das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) beteiligt war, zeigt nun, wie ernst die Lage wirklich ist.
Versalzung von Flüssen: Klimawandel und Eingriffe verschärfen das Problem
Gezeitenflüsse sind Flüsse, deren Unterläufe vom ständigen Wechsel der Gezeiten beeinflusst werden. Mit jeder Flut dringt Meerwasser flussaufwärts, bei Ebbe fließt es wieder zurück – dieser Rhythmus prägt das Wasser und die Strömung. Solche Flüsse finden sich weltweit, etwa die Elbe bei Hamburg, die Weser bei Bremen, der Rhein im niederländischen Mündungsdelta, die Themse in London, die Seine in Frankreich oder der Hudson River in New York.
Weil sich in ihren Mündungsbereichen Süß- und Salzwasser vermischen – Ästuar genannt –, reagieren Gezeitenflüsse besonders empfindlich auf Veränderungen. Der Klimawandel und menschliche Eingriffe verschärfen diese Entwicklung. Während längerer Trockenphasen sinken die Abflussmengen, gleichzeitig steigt der Meeresspiegel. Das erleichtert dem Salzwasser den Weg stromaufwärts.
Zudem verschärfen Eingriffe wie diese die Situation:
- Vertiefung von Fahrrinnen für die Schifffahrt
- Umbauten an Flussmündungen
- Streusalz, das über das Einzugsgebiet in die Flüsse gelangt
Hans Burchard, IOW-Experte für ozeanographische Prozesse in Ästuaren und Küstenmeeren erklärt:
Immer waren langanhaltende Dürreperioden in den Fluss-Einzugsgebieten der Grund für diese aktuellen Salzintrusionen. Zusätzlich tragen aber auch die Vertiefung von Ästuaren in den letzten 100 Jahren für Schiffe mit immer mehr Tiefgang zum Langzeittrend zunehmender Flussversalzung bei.

Was die Versalzung konkret bedeutet
Auch in Deutschland ist das Phänomen messbar. Im Sommer 2022 erreichte der Rhein bei Kaub einen historischen Tiefstand: Nur 673 m³ pro Sekunde flossen durch das Flussbett – so wenig wie nie zuvor. In den Niederlanden konnte das Nordseewasser dadurch zehn Kilometer weiter ins Landesinnere vordringen.
Die Folgen sind direkt spürbar:
- Trinkwasser: Wasserwerke müssen das salzhaltige Wasser aufwendig aufbereiten oder auf andere Quellen ausweichen.
- Landwirtschaft: Salzwasser schädigt empfindliche Pflanzen und lässt Böden langfristig versalzen.
- Industrie: Korrosion an Kühlsystemen und Leitungen verursacht Schäden und hohe Kosten.
Zudem beeinflusst Salz die Ökologie: Der Sauerstoffgehalt im Wasser sinkt, Nährstoffe und Schadstoffe lösen sich leichter aus dem Boden. Schwermetalle oder sogar radioaktive Partikel können in den Kreislauf gelangen.
Frühwarnsysteme fehlen oft
Trotz der steigenden Belastung fehlt vielerorts eine genaue Überwachung. Meist wird nur der Gesamt-Salzgehalt erfasst. Dabei ist die Zusammensetzung der gelösten Ionen entscheidend – manche sind unproblematisch, andere gefährlich.
Deshalb fordern die Forscher:
- Bessere Messungen: Zielgerichtete Analysen statt pauschaler Salzwerte.
- Neue Simulationsmodelle: Um frühzeitig zu erkennen, wie sich Salzwasser bei Trockenheit oder Sturmfluten ausbreitet.
- Beteiligung lokaler Akteure: Wasserversorger, Gemeinden und Landwirtschaft sollen in Entscheidungen einbezogen werden.
Ming Li, Experte für die Modellierung von Küsten- und Ästuardynamik an der University of Maryland und Erstautor der Studie erklärt:
Die Versalzung in Gezeitenflüssen ist ein globales Phänomen, das bislang nur punktuell erforscht wurde.
Gezeitenflüsse sind globale Lebensadern
Rund zwei Drittel des weltweiten Trinkwassers stammen aus Flüssen und Seen – nicht aus dem Grundwasser. In Küstenregionen ist der Druck besonders hoch. Aber auch im Binnenland hängen Infrastruktur, Wirtschaft und Versorgung von den großen Strömen ab.
Das Forschungsteam fordert langfristige Strategien. Die Versalzung lasse sich nicht in wenigen Jahren beheben. Umso wichtiger sei es, die Entwicklung nicht zu unterschätzen – und jetzt in widerstandsfähige Systeme zu investieren.
Kurz zusammengefasst:
- Die Versalzung von Flüssen nimmt weltweit zu, weil durch den Klimawandel verursachte steigende Meeresspiegel, Trockenheit und menschliche Eingriffe das Eindringen von Salzwasser in Gezeitenflüsse begünstigen.
- Zu den Folgen gehören salzhaltiges Trinkwasser, geschädigte Böden, Ernteausfälle und teure Korrosionsschäden in der Industrie; auch Schwermetalle und Schadstoffe gelangen so leichter in die Umwelt.
- Experten fordern gezieltere Messungen, neue Vorhersagemodelle und regionale Kooperation, um rechtzeitig auf zunehmende Versalzung reagieren zu können.
Übrigens: Auch der Rhein gerät durch den Klimawandel immer stärker unter Druck. Eine neue Analyse zeigt, dass seine Wassertemperatur bis 2100 um über 4 Grad steigen könnte – mit dramatischen Folgen für Natur, Industrie und Versorgung. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Bundesanstalt für Wasserbau (BAW)