Unsere Klimamodelle machen drei entscheidende Fehler – Wir können uns auf den Wald als CO2-Speicher nicht verlassen

Viele Klimamodelle überschätzen die CO2-Speicherleistung der Wälder. Eine neue Studie zeigt drei systematische Fehler – mit weitreichenden Folgen.

Dominoeffekt: Wälder verlieren Funktion als CO2-Speicher

Die Abholzung bedroht Wälder weltweit und gefährdet deren wichtige Rolle als natürliche CO2-Speicher. © Unsplash

Dichte Wälder, sattes Grün und frische Luft – seit jeher gelten Wälder als Symbol für gesunde Natur. Doch ihre heimliche Superkraft ist weniger sichtbar: Wälder sind riesige Speicher für CO2. Jedes Jahr nehmen sie etwa 7,8 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid auf, knapp ein Drittel der weltweiten Emissionen. Ohne sie wären die Klimaziele des Pariser Abkommens kaum erreichbar.

Doch genau diese lebenswichtige Rolle der Wälder gerät zunehmend ins Wanken – mit weitreichenden Folgen. Eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt: Die Wälder sind verletzlicher als bislang angenommen. Und wer sich in der Klimapolitik auf ihren dauerhaften Schutz verlässt, setzt auf eine gefährliche Wette.

Klimaschutz in Wartestellung wird doppelt so teuer

Die Forscher haben mithilfe komplexer Simulationsmodelle untersucht, was passiert, wenn die Kohlenstoffspeicherung der Wälder durch Klimawandel, Brände, Dürre oder Abholzung dauerhaft sinkt. Das Ergebnis: Wird dieses Risiko zu lange ignoriert, explodieren die Kosten für die übrigen Klimaschutzmaßnahmen.

„Wenn wir nur fünf Jahre abwarten, verdoppeln sich die Kosten“, warnt Hauptautor Michael Windisch. Denn je länger der Schutz der Wälder aufgeschoben wird, desto härter müssen andere Bereiche wie Verkehr, Energie und Industrie ran – und desto drastischer steigen die Anforderungen an Technologien zur CO2-Entnahme.

Der Fehler steckt im System: Warum viele Modelle zu optimistisch rechnen

Die aktuelle Klimapolitik basiert häufig auf Annahmen, die in der Realität längst überholt sind. Viele Szenarien kalkulieren mit einer stetig wachsenden CO2-Speicherleistung der Wälder – doch das sei „eine trügerische Sicherheit“, so Windisch. Die neue Studie zeigt, dass bestehende Modelle drei zentrale Fehler machen:

  1. Natürliche Störungen werden unterschätzt: Brände, Stürme, Schädlinge und Krankheiten treten häufiger und intensiver auf – ihre Folgen werden jedoch kaum berücksichtigt.
  2. Klimatische Effekte werden überschätzt: Die sogenannte CO2-Düngung, also das Wachstum von Pflanzen durch höhere CO2-Konzentrationen, fällt oft schwächer aus als erwartet. In Teilen des Amazonas hemmt beispielsweise Phosphormangel das Baumwachstum.
  3. Abholzung wird zu gering eingepreist: Viele Modelle unterstellen, dass abgeholzte Flächen sofort effizient wieder genutzt werden – was in der Realität häufig nicht zutrifft. Landverlust durch Brandrodung oder Spekulation bleibt oft ungenutzt.

„Diese systematischen Fehleinschätzungen führen dazu, dass wir unseren verbleibenden Spielraum zur CO2-Reduktion überschätzen“, erklärt Mitautor Florian Humpenöder.

Wer zu spät handelt, muss härter eingreifen – und zahlt drauf

Die PIK-Studie macht deutlich: Verzögertes Handeln ist nicht nur ineffizient, sondern auch wirtschaftlich riskant. Wird der Schutz der Wälder auf später verschoben, müssen nicht nur deutlich mehr CO2-Emissionen eingespart werden – auch der Preis für CO2 steigt massiv. So würde der CO2-Preis im Jahr 2050 bei verzögerter Klimapolitik um fast 50 Prozent höher ausfallen als bei rechtzeitigem Handeln.

Gleichzeitig steigt der Bedarf an negativen Emissionen rasant: Technologien wie BECCS (Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung) und DACCS (direkte Luftabscheidung) müssten doppelt so stark ausgebaut werden. Auch der Flächenbedarf für Aufforstung und CO2-Entnahme steigt dramatisch – mit weitreichenden Folgen für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit.

„Wir setzen auf Wälder, die es vielleicht bald nicht mehr gibt“

Die Botschaft der Forscher ist eindeutig: Ohne verlässliche Wälder gerät das gesamte Klimakonzept ins Wanken. Alexander Popp, Leiter des Forschungsbereichs Landnutzung am PIK, bringt es auf den Punkt:

Es reicht nicht, einfach zu hoffen, dass Wälder intakt bleiben, wenn wir die Erderwärmung begrenzen wollen.

Die Studie macht deutlich: Wir brauchen eine realistischere Einschätzung der Risiken – und eine Politik, die diese Unsicherheiten von Anfang an einkalkuliert. Denn Wälder sind keine garantierte CO2-Senke, sondern ein zunehmend unsicherer Risikofaktor.

Kurz zusammengefasst:

  • Wälder dienen als entscheidender CO2-Speicher und nehmen jährlich etwa ein Fünftel der menschengemachten Emissionen auf.
  • Klimawandel, Abholzung und Waldbrände gefährden zunehmend die Fähigkeit der Wälder, Kohlenstoff langfristig zu speichern.
  • Frühzeitige Klimaschutzmaßnahmen sind wichtig, da Verzögerungen die Kosten verdoppeln und die Klimaziele gefährden.

Bild: © Unsplash

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