Expansion des Universums gebremst – neue Studie stellt Nobelpreis-Theorie infrage

Eine neue Auswertung stellt das Bild vom Universum infrage: Die Expansion scheint sich bereits abzubremsen – entgegen bisheriger Annahmen.

Universum bremst – Expansion wohl falsch berechnet

Forscher vermuten, dass die Dunkle Energie schwächer wird – ein Effekt, der die Dynamik des Universums grundlegend verändern könnte. © Wikimedia

Jahrzehntelang war sich die Forschung einig: Die Expansion des Universum verläuft immer schneller – eine Erkenntnis, die auf Supernova-Beobachtungen der 1990er-Jahre basiert und 2011 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Doch eine neue Analyse stellt diese Annahme infrage. Forscher der Yonsei University in Südkorea haben eine bislang unbeachtete Verzerrung in den Messdaten entdeckt. Sie betrifft die Helligkeit explodierender Sterne – und könnte die Auswertung der kosmischen Ausdehnung grundlegend verändern.

Demnach ist die Expansion des Universums womöglich nicht mehr beschleunigt, sondern hat sich bereits verlangsamt. Grundlage der Studie ist eine umfassende Neubewertung von über 300 Supernovae des Typs Ia. Diese Sternexplosionen dienen als sogenannte Standardkerzen – also als Maß für Entfernungen im All. Die Auswertung zeigt jedoch: Das Alter der Sterne spielt offenbar eine größere Rolle, als bisher angenommen.

Sternenalter beeinflusst Helligkeit – und damit die Entfernungsrechnung

Jüngere Sterne erzeugen systematisch lichtschwächere Explosionen. Ältere hingegen leuchten heller. Auch nach der üblichen Standardisierung bleibt ein Unterschied von etwa 0,03 Magnituden pro Milliarde Jahre Altersunterschied bestehen. Das wirkt sich auf die Distanzbestimmung aus und damit direkt auf die Berechnungen zur Ausdehnung des Alls.

Laut den Forschern beträgt der Altersunterschied zwischen nahen und fernen Supernovae im Durchschnitt 5,3 Milliarden Jahre. Diese Differenz reicht aus, um die Interpretation der kosmischen Expansion des Universum maßgeblich zu beeinflussen. Was bislang als beschleunigte Ausdehnung gewertet wurde, könnte auf einen Messfehler zurückgehen.

Studie rückt Dunkle Energie in neues Licht

Veröffentlicht wurde die Studie am 6. November 2025 in den „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“. Darin zeigt das Team um Professor Young-Wook Lee, wie sich das kosmologische Bild verändert, wenn man das Alter der Vorgängersterne berücksichtigt. Die bisherigen Berechnungen des sogenannten ΛCDM-Modells – dem Standardmodell der Kosmologie – geraten dadurch ins Wanken. Lee erklärt:

Unsere Analyse legt nahe, dass die beschleunigte Ausdehnung bereits vorbei sein könnte.

Besonders deutlich wurde das, als die neuen Daten mit weiteren Messgrößen kombiniert wurden – darunter die kosmische Hintergrundstrahlung (CMB) und baryonische akustische Oszillationen (BAO).

Drei unabhängige Messmethoden ergeben ein neues Bild

Nach der Alterskorrektur stimmen die Daten erstmals in allen drei Bereichen überein. Supernovae, CMB und BAO deuten nun auf ein Universum hin, das sich nicht weiter beschleunigt – sondern bereits langsamer wird. Zuvor klafften die Messergebnisse deutlich auseinander. „Die Daten stimmen jetzt erstaunlich gut mit dem Modell einer dynamischen Dunklen Energie überein“, sagt Koautor Chul Chung.

Statt einer konstanten, unendlichen Expansion sprechen die aktuellen Werte für eine abnehmende Wirkung dieser Energieform. Der sogenannte Dekelerationsparameter q₀ liegt nach der Korrektur im positiven Bereich – das bedeutet: Das Universum bremst. Ein grundlegender Wandel im kosmologischen Verständnis.

Das Schaubild zeigt die Entwicklung des Universums – von der Explosion des Urknalls bis zur Entstehung der ersten Sterne und Galaxien vor Milliarden Jahren. © NASA via Wikimedia unter Public domain
Das Schaubild zeigt die Entwicklung des Universums – von der Explosion des Urknalls bis zur Entstehung der ersten Sterne und Galaxien vor Milliarden Jahren. © NASA via Wikimedia unter Public domain

Chile-Teleskop liefert bald entscheidende Hinweise

Die Hypothese lässt sich in naher Zukunft weiter überprüfen. Das Vera C. Rubin Observatory in Chile, das aktuell in Betrieb genommen wird, soll Daten von mehr als 20.000 Supernovae liefern. Dabei steht auch das Alter der Sterne im Fokus – ein Aspekt, der bislang kaum beachtet wurde, jetzt aber als Schlüsselfaktor gilt.

Die Erkenntnisse der Studie liefern dafür die Grundlage. Die Korrektur des Alterseffekts stellt zentrale Elemente der Kosmologie infrage – von der Gültigkeit der Standardkerzen bis zur Existenz einer konstanten Dunklen Energie.

Kurz zusammengefasst:

  • Die neue Analyse von über 300 Supernovae zeigt: Jüngere Sterne wirken dunkler, was die Entfernungsmessung systematisch verfälscht und die angenommene beschleunigte Expansion des Universum rechnerisch aufhebt.
  • Nach Korrektur der Altersverzerrung stimmen Supernova-Daten erstmals mit anderen Messmethoden überein – und deuten auf eine bereits verlangsamte Expansion des Universums hin.
  • Die Studie stellt das bisherige Standardmodell der Kosmologie infrage und stützt die Idee einer dynamischen, abnehmenden Dunklen Energie.

Übrigens: Manche Moleküle, die für Leben essenziell sind, könnten viel älter sein als Sterne und durch das ganze All reisen, bis sie auf einen neuen Planeten treffen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild © Wikimedia

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