Trommelnde Schimpansen: Musik könnte viel älter als der Mensch selbst sein
Schimpansen trommeln mit Rhythmus und Struktur. Neue Forschung zeigt: Musikalisches Verhalten existierte schon vor dem Menschen.

Männlicher Ostafrikanischer Schimpanse aus der Sonso-Gemeinschaft im Budongo-Wald (Uganda) bei einem „Pant-Hoot“: Schimpansen in freier Wildbahn trommeln gezielt, um ihrer Gruppe Standort und Stimmung mitzuteilen. © Adrian Soldati
Musik bewegt, verbindet und begleitet Menschen seit Jahrtausenden. Eine neue Studie zeigt jetzt jedoch: Der Drang, sich rhythmisch auszudrücken, könnte viel älter sein als gedacht. Denn nicht nur der Mensch, sondern auch Schimpansen trommeln mit auffallendem Taktgefühl – eine Form von Musik. Ein internationales Forschungsteam der Universität Wien, der Universität St. Andrews und der Sapienza Universität Rom veröffentlichte nun seine Ergebnisse im Fachmagazin Current Biology. Diese zeigen, dass Schimpansen rhythmisch trommeln und sich die Trommelmuster je nach regionaler Herkunft deutlich unterscheiden.
„Wir haben festgestellt, dass westliche Schimpansen isochron trommeln, also in gleichmäßigen Abständen, wie der Takt einer Uhr oder ein elektronischer Beat“, sagt Studienleiterin Vesta Eleuteri. Diese Art des Trommelns klingt nicht nur überraschend menschlich. Sie liefert Hinweise darauf, dass das musikalische Empfinden ein tiefer verankerter Teil unserer biologischen Geschichte sein könnte – einer, der lange vor dem Homo Sapiens begann.
Schimpansen trommeln, um zu kommunizieren
Im dichten Regenwald verliert man schnell den Überblick, das gilt auch für Schimpansen. Ihre Lösung: Sie trommeln auf den gewaltigen Brettwurzeln großer Bäume. Der tiefe Klang trägt über weite Strecken. Was für den Laien wie ein zufälliges Geräusch klingt, hat für Schimpansen klare Bedeutung. „Die Tiere teilen so mit, wo sie sind und was sie gerade tun“, erklärt Eleuteri. Eine Art akustisches Update für die Gruppe – ganz ohne Sichtkontakt.
Diese Kommunikationsform wirkt schlicht, erfüllt aber komplexe soziale Funktionen. Frühere Studien zeigten bereits, dass jedes Tier einen eigenen Trommelstil entwickelt. Doch nun ging das Forschungsteam noch einen Schritt weiter: Sie wollten wissen, ob es, ähnlich wie in menschlicher Musik, feste Rhythmen gibt. Und ob verschiedene Schimpansen-Gruppen unterschiedliche Trommelmuster verwenden.
Über 370 verschiedene Trommel-Performances analysiert
Um das herauszufinden, sammelte das Team Daten aus elf verschiedenen Schimpansen-Gemeinschaften. Der Aufwand war enorm: Viele Standorte hatten über Jahrzehnte hinweg systematisch Tonaufnahmen gesammelt. Daraus entstand ein einmaliger Datensatz mit 371 dokumentierten Trommel-„Performances“, verteilt über sechs Populationen in Ost- und Westafrika.

Die Ergebnisse zeigen: Schimpansen trommeln nicht zufällig. Sie wählen den Zeitpunkt ihrer Schläge bewusst, mit klar erkennbaren Mustern. Und diese Muster unterscheiden sich je nach Region deutlich. „Die westlichen Tiere trommeln schneller und gleichmäßiger“, so Eleuteri. „Ihre östlichen Verwandten wechseln häufiger zwischen kurzen und langen Intervallen.“ Es ist, als hätten die Schimpansen einer jeden Region ihren eigenen Stil, ihre eigene Musik – vergleichbar mit musikalischen Traditionen beim Mensch.
Musik entsteht nicht nur im Kopf, sondern im Körper
Besonders spannend: Die westlichen Schimpansen beginnen ihre Trommelrhythmen oft schon während ihrer typischen Rufe, dem sogenannten „Pant-Hoot“. Das wirkt wie eine Art rhythmischer Auftakt, fast wie ein Schlagzeug-Intro in einem Song. Dieses Zusammenspiel aus Stimme und Trommeln ist kein Zufall. Es verweist auf eine tief verwurzelte Fähigkeit, rhythmische Strukturen nicht nur zu hören, sondern auch körperlich umzusetzen. Für Andrea Ravignani von der Sapienza Universität Rom liegt in diesen tierischen Trommeln eine überraschend menschliche Erkenntnis:
Unsere Studie liefert ein wichtiges Puzzlestück zur Entstehung menschlicher Musikalität. Wir teilen mit den Schimpansen einen zentralen Baustein – das Gefühl für Rhythmus.
Was die tierischen Trommler über unsere eigene Herkunft verraten
Was der Mensch als Musik empfindet, folgt bestimmten Prinzipien: Gleichmäßige Abstände, Tempowechsel, wiederkehrende Muster – all das finden Wissenschaftler nun auch im Verhalten der Schimpansen. „Musikmachen ist ein grundlegender Teil des Menschseins“, sagt Catherine Hobaiter von der Universität St. Andrews. „Aber wir wissen nicht, wie lange es diese Fähigkeit schon gibt.“
Dass ausgerechnet unsere nächsten Verwandten im Tierreich ähnliche rhythmische Strukturen verwenden, verändert den Blick auf unsere kulturellen Wurzeln. Es geht dabei nicht nur um Musik. Es geht um Kommunikation, Gemeinschaft und die tiefere Frage, was uns eigentlich menschlich macht.
Kurz zusammengefasst:
- Schimpansen trommeln rhythmisch auf Baumwurzeln und nutzen diese Klänge zur Kommunikation innerhalb ihrer Gruppen.
- Westliche und östliche Schimpansen zeigen dabei unterschiedliche Trommelmuster: gleichmäßige Takte im Westen, wechselnde Intervalle im Osten.
- Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass musikalisches Verhalten – insbesondere Rhythmus – bereits vor dem Menschen in der Evolution entstanden ist.
Übrigens: Nicht nur Schimpansen zeigen menschenähnliches Verhalten. Eine neue Studie zeigt, dass Bonobos ihre Rufe so kombinieren, dass dabei komplexe Bedeutungen entstehen, ähnlich wie bei unserer Sprache. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Adrian Soldati
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